Dass Wissen und Macht einander beeinflussen und durchdringen, dass sie sich wechselseitig verstärken oder blockieren können, ist keine neue Einsicht. Umso erstaunlicher ist, dass die Philosophie sehr lange gebraucht hat, um die ethischen Konsequenzen für unser Erkenntnisleben genauer unter die Lupe zu nehmen, die sich insbesondere aus mächtigen Vorurteilen und Stereotypen ergeben. In ihrem wegweisenden Buch, das mittlerweile als ein moderner Klassiker gilt, nimmt sich Miranda Fricker dieser Aufgabe an: Sie erschließt eine für Wissensgesellschaften hochaktuelle Form der Ungerechtigkeit, die sowohl die Menschlichkeit der Betroffenen als auch unsere geteilten Praktiken des Erkennens massiv bedroht.
Frauen (Thema)
Mela Apfelbaum wurde fast hundert Jahre alt. Geboren 1899 in Przemysl als Melania Zins, starb sie 1994 in der Provence. Ihr Leben war eng mit den Geschehnissen und Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts verknüpft und durch mehr als ein Exil geprägt. So lebte sie während des Ersten Weltkriegs als junges Mädchen in Wien, verbrachte die Jahre der Weltwirtschaftskrise und des aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland und floh schließlich mit Mann und Kind im Jahr 1937 nach Frankreich. Ihr Mann Max wurde in Auschwitz ermordet, Mela und ihre Tochter Erika überlebten nur durch puren Zufall. Die Geschichte endet aber nicht an dieser Stelle.
In dem Band sind 192 Frauen versammelt, die in sechzehn Wandkalendern aus den Jahren 2003 bis 2018 erschienen sind. Zahlreiche HistorikerInnen und an Geschichte interessierte Frauen und einige Männer haben daran über 16 Jahre lang gearbeitet.Entstanden ist eine Sammlung von Politikerinnen, Gewerkschafterinnen, Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen, Sozialarbeiterinnen, Tänzerinnen, Sängerinnen, Schauspielerinnen, Pädagoginnen,Architektinnen, Fotografi nnen, Schriftstellerinnen, Freidenkerinnen, Frauenrechtlerinnen und Feministinnen, Widerstandskämpferinnen, Friedenskämpferinnen und anderen Frauen aus den internationalen emanzipatorischen Bewegungen.
Lucy Parsons, nie gehört? Nun, sie war eine der bekanntesten Anarchistinnen Amerikas, Wortführerin der US-Arbeiterbewegung, eine der radikalsten Schwarzen Frauen des späten 19. Jahrhunderts. Trotzdem ist sie hierzulande höchstens als Witwe von Albert Parsons bekannt, einem der fünf Anarchisten, die nach dem Haymarket-Aufstand von 1886 hingerichtet wurden. Dabei hat sie ihren Mann um Jahrzehnte überlebt und war so viel mehr als bloß »die Witwe«: Mitgründerin der IWW, Gewerkschafterin, Rednerin, Autorin, Herausgeberin, Briefpartnerin von Pjotr Kropotkin, Errico Malatesta, Johann Most, Emma Goldman und vielen anderen.
Mitreißend wie ein Roman, ehrlich wie ein Tagebuch.
Brigitte Reimann ist in ihren Tagebüchern offen und schonungslos gegen sich selbst und andere. Sie erzählt darin ihr stürmisches, kreatives und unangepasstes Leben und fängt wie nebenbei Geist und Stimmung einer ganzen Periode deutscher Geschichte ein. Es ist ihr scharfer, auch gegen sich selbst unerbittlicher Blick, der dieses Werk nicht nur zu einem einzigartigen Lebenszeugnis macht, sondern zu großartiger Literatur.
Kommunismus, darunter versteht Elke Kahr, für Menschen da zu sein, unmittelbar und jeden Tag, im Bus auf dem Weg zur Arbeit ebenso wie im Bürgermeisterinnenzimmer. Kann das funktionieren? Ihre völlig andere Version von Politik, die immer an den Schwächsten Maß nimmt, hat Kahr unter den verwunderten Blicken ganz Europas zur Bürgermeisterin von Graz gemacht. In diesem Buch erzählt sie aus ihrem Leben mitten unter denen, für die sie da sein will, und von ihrer Version, wie in diesen schwierigen Zeiten alles für alle wieder gut werden könnte.
Die weltweit führende Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard nimmt uns mit in ihre Welt, ins Zentrum des Waldes, und zeigt, dass Bäume viel mehr sind als bloße Rohstofflieferanten: Lebendige Wesen mit hochspezialisierten Aufgaben, die soziale Strukturen bilden und über ein Geflecht aus unterirdischen Netzwerken miteinander kommunizieren. Sie lernen, passen ihr Verhalten an die Bedingungen ihrer Umwelt an, erkennen Nachbarn, haben Erinnerungen und sogar einen Sinn für Zukunft. Sie konkurrieren miteinander und unterstützen sich gegenseitig auf erstaunlich hochentwickelte Weise - Eigenschaften, die normalerweise menschlichen Gesellschaften zugeschrieben werden. Im Zentrum von Simards Forschungen stehen die »Mutterbäume«: alte, mächtige und geheimnisvolle Bäume, welche die anderen um sie herum versorgen, verbinden und beschützen.
»Schwächen. Du hattest keine. Ich hatte eine: Ich liebte«, schreibt Ruth Berlau an Bertolt Brecht, den großen Dramatiker und Kommunisten des 20. Jahrhunderts. Als seine langjährige Mitarbeiterin und zeitweilige Geliebte war ihr Blick auf ihn ebenso persönlich wie beruflich. Sie berichtet Bunge von ihrer Arbeit mit Brecht, den Werken, an denen sie saßen, der Praxis am Theater, von den anderen Frauen im Umfeld, Elisabeth Hauptmann, Margarete Steffin, Helene Weigel, vom Kennenlernen in Dänemark, vom Widerstand gegen den Faschismus, von Flucht und Exil über Schweden und Amerika in die DDR nach Berlin, wo Brecht mit seinen Leuten das Berliner Ensemble gründete. - Hans Bunge hat Ruth Berlaus Erinnerungen 1959 in langen Gesprächen festgehalten und 1985 zu diesem Buch verarbeitet.
Preis der Leipziger Buchmesse 2023: die Lebensgeschichte einer außergewöhnlichen Frau-
Eine Alternative zum Kapitalismus ist möglich, eine Welt ohne Krieg, Armut und Ausbeutung: davon ist die junge Jüdin Hertha Gordon, später Walcher, überzeugt, als sie sich in den 1910er-Jahren den Sozialisten anschließt und in den Kampf stürzt. Hautnah erlebt sie den großen Traum von der Revolution, aber auch das Scheitern und schmerzhafte Ende der Illusionen mit. Die Geschichte ihres Jahrhundertlebens ist das Panorama einer Epoche.
Mitreißend erzählt Regina Scheer von einer außergewöhnlichen Frau in unruhigen Zeitläuften, geprägt von existenziellen Auseinandersetzungen unter Gleichgesinnten in der Weimarer Demokratie, während die Nazis bedrohlich erstarken, von Widerstand, Flucht und Exil sowie der Hoffnung auf den Aufbau eines anderen Deutschland nach dem Krieg.
Eigentlich sollte die Revolution gemacht werden und nicht Lektorat, Vertrieb oder PR: Mehr zufällig als absichtsvoll sind Hanna Mittelstädt, Lutz Schulenburg und Pierre Gallissaires Anfang der 1970er Jahre in die Verlegerei eingestiegen. Zu ihrem Freiheitsbegriff gehörten damals die emanzipative Haltung des Nach-68er-Impulses und das Erkunden neuer Formen jenseits der »politischen Arbeit«, der »politischen Literatur«. Es ging um den Reichtum an Lust, Wissen, Autonomie. Zehn Jahre nach Lutz Schulenburgs plötzlichem Tod am 1. Mai 2013 blickt Hanna Mittelstädt zurück auf die ersten vierzig Jahre Nautilus und ruft in zahlreichen Dokumente und Fotos und Fundstücken aus der Verlagskorrespondenz von Weggefährten und Mitstreitern die Anfangszeit des Verlags wach.
