Zigtausende Roma-Frauen und Roma-Kinder gehen innerhalb der Europäischen Union der Prostitution nach. Die Frage, ob sie sich freiwillig oder unter Zwang prostituieren, ist von elementarer Bedeutung, wird jedoch nur selten gestellt: Weil man weiß oder ahnt, dass sie zur Prostitution gezwungen werden? Weil die Antwort lange Schatten auf höchst angesehene Mitbürger werfen könnte, die sich der Romnja am Straßenrand oder in Bordellen bedienen?
I:DES (Thema)
»Es ist für mich genau die richtige Art und Weise, über Umgebung, über das Gelände des Lebens zu schreiben.« Esther Kinsky
Notstand, der vielgepriesene Roman der britischen Autorin Daisy Hildyard, zeigt uns den Reichtum der Welt - die betörenden Details ebenso wie ihre weitreichende und schicksalhafte Vernetztheit. Ein stilles und großartiges Buch, in dem Mensch und Natur eins sind und in dem eine geteilte Zerbrechlichkeit alle Spezies eint.
«Philosophieren heißt sterben lernen», bekannte Montaigne einmal. Er war nicht der Erste, der darauf hinwies, dass das Leben nur von der Endlichkeit her wirklich zu ergründen ist. Die «Ars Moriendi», die Kunst des Sterbens, hat eine weit zurückführende Tradition, und mit ihr untrennbar verbunden ist die «Ars Vivendi», die Kunst des Lebens, deren Ursprünge bis in die Antike reichen. Lorenz Jäger greift ein großes Thema auf und fragt in seiner ebenso klugen wie leichtfüßigen Erkundung, was die Endlichkeit für unsere Lebensführung bedeutet.
Wenn von Nachrichtenauswahl und Thematisierungsfunktion der Medien die Rede ist, fällt schnell das Fachwort Agenda-Setting. Der gegenteilige Begriff, das Agenda-Cutting, ist dagegen viel seltener Gegenstand von wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Diskussionen. Dabei ist das Agenda-Cutting eine weitflächig geübte Praxis in Medien, Politik und Gesellschaft, bei der Themen bewusst oder unbewusst aus den gesellschaftlichen Diskursen entfernt oder herausgehalten werden.
Hier auf der Müllhalde, wo die Sonne nur noch aus Gewohnheit aufgeht und die Regenbögen in den Ölpfützen sterben, lagert das schlechte Gewissen der Stadt. Das gigantische Müllmeer schwemmt alles an, was der Rest der Welt nicht mehr will - struppige Zahnbürsten, vergangene Nachrichten, alte Männer und vergessene Kinder.
Única mag hier gestrandet sein, aber das ist noch lange kein Grund aufzugeben. Die eigenwilligen Gestalten in den krummen Hütten erklärt sie kurzerhand zu ihrer Familie, und gemeinsam tauchen sie in den unberechenbaren Fluten nach Beute: ein Rest Bohnen in der Dose, ein rostiges Stück Metall, und ganz vielleicht ein kleines bisschen Glück.
Fast das gesamte 20. Jahrhundert umfasst das politische Leben von Augustin Souchy. Bereits 1914 als Kriegsdienstverweigerer aus Deutschland geflohen, ist er in den folgenden Jahrzehnten ein kritischer Teilnehmer revolutionärer und anarchistischer Bewegungen: FAUD-Delegierter beim Komintern-Kongress in Moskau, Mitbegründer der Internationalen Arbeiter Assoziation (IAA) oder Mitstreiter der sozialen Revolution im Spanischen Bürgerkrieg. Journalist und Bildungsexperte des Internationalen Arbeitsamtes in Südamerika sowie Aufenthalte in Portugal, Israel, Jugoslawien oder Madagaskar bestimmten sein weiteres Leben.
Der Journalist und Autor Olivier David ist in Hamburg aufgewachsen - bei einer alleinerziehenden, überforderten, psychisch instabilen Mutter. Sie gibt sich Mühe, möchte ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen und schickt sie auf eine Waldorfschule. Doch die Familie ist arm, die Möglichkeiten sind begrenzt. Mit neun Jahren erfährt der Autor, dass sein Vater dealt. Zunächst scheint es so, als ob Olivier einen ähnlichen Weg einschlagen wird: Er scheitert am Fachabitur, kifft und trinkt täglich. Gerade als er es schafft, für seine Ziele zu kämpfen, holt ihn seine Familiengeschichte ein: Depressionen und Panikattacken zwingen ihn zur Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit.
Sozialer Wandel ist ein zentrales Thema soziologischen Denkens. Heiko Schrader gibt einen Überblick über die Anfänge der klassischen soziologischen Theoriebildung, widmet sich aber auch verschiedenen Kritiken der etablierten westlichen Modernisierungstheorie. Dabei setzt er unter dem Aspekt der Pfadabhängigkeit von Entwicklung den Fokus auf die Spezifik der Modernisierung in postkolonialen und postsozialistischen Gesellschaften.
In den Jahren von 1977 bis 1997 machte der Begriff »Unterklasse« in den USA eine steile Karriere, um dann genauso schnell wieder aus der Debatte zu verschwinden. In Reaktion auf Unruhen in den Großstädten wurde mit dieser Bezeichnung nicht die soziale Realität in den Armutsgettos analysiert, sondern ein rassifizierter Volksteufel konstruiert und zu einer Bedrohung für die Gesellschaft stilisiert. Beispielhaft analysiert Wacquant im Detail, wie es dazu kommen konnte, dass eine ganze Generation der Armuts- und Rassismusforschung in den Bann einer solch schwammigen Begrifflichkeit gezogen werden konnte.
Ralf Ruckus untersucht in »Der kommunistische Weg in den Kapitalismus« die Entwicklung Chinas seit 1949 im Lichte des Wechselspiels von sozialen Kämpfen und Gegenmaßnahmen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Seit Gründung der Volksrepublik reagiert die KPCh auf Unruhen von Arbeiter:innen, Bauern und Bäuerinnen, Migrant:innen sowie Frauen_ mit einer Mischung aus Repression, Zugeständnissen, Kooptierung und Reformen. In der sozialistischen Periode folgten in den 1950er-Jahren auf Streiks und die Kritik der Hundertblumen-Bewegung, die Anti-rechts-Kampagne und die Reformen des »Großen Sprungs nach vorne«; in den 1960er-Jahren schlug das Regime die soziale Revolte im Rahmen der Kulturrevolution militärisch nieder und versuchte dann, dem Sozialismus neues Leben einzuhauchen ...