Die »Unordnung unter dem Himmel« erkannte Mao Zedong als eine Chance für Neuanfänge. Aber vielleicht hat die Unordnung mittlerweile den Himmel selbst erreicht? Slavoj Zizek, Philosoph, Psychoanalytiker und Kommunist, geht den aktuellen Krisen auf den Grund und lotet in seinen Lageberichten ihr Potenzial für Veränderungen aus. Bewältigen oder scheitern?
Pandemie, Klimawandel, verzweifelte Flüchtlinge, ein Krieg in Europa: In der Welt regiert das Chaos. Gesellschaftliche Probleme, soziale Ungleichheit und internationale Konflikte wirken erdrückend, Fortschritt scheint kaum mehr möglich. Können kritisches Denken und die moderne Philosophie Antworten finden?
Gesellschaftskritik (Thema)
Deutschland empört sich. Oft, gerne und über nahezu alles. "Empört Euch!" war folgerichtig ein Bestseller hierzulande, markiert er doch in zwei Worten das Coming-out der deutschen Seele. Wir leben im Zeitalter der Hypermoral. Moral ist zur Leitideologie und zum Religionsersatz unserer postreligiösen Gesellschaft mutiert. Moral ist absolut geworden, sie duldet keine anderen Diskurse neben sich. So wird aus Moral die Tyrannei der Werte: Minderheitenkult, Kränkungsfetischismus, Gleichheitsideologie. Politik, Wirtschaft, Kunst - alles wird auf moralische Fragen reduziert. Selbst der Konsum hat fair, nachhaltig und ressourcenschonend zu sein. Wer sich diesem Diktat der totalen Moral zu entziehen sucht, wird gesellschaftlich sanktioniert.
Eine Gruppe von Freunden mietet gemeinsam ein Ladenlokal, das jeder für seine Zwecke nutzt: als Arbeitsplatz, als Übungsraum, Studierzimmer oder Werkstatt. Im Untergeschoss richten sie ein Zimmer ein, eine Art Gemeinschaftsraum, wo man sich trifft und zusammen feiert ... Als eines Abends der Strom ausfällt, kommen sich die Freunde in der anonymen Dunkelheit erstmals sexuell näher. Dies ist für alle eine so einschneidende Erfahrung, dass das dunkle Zimmer in der Folgezeit zur festen Anlaufstelle wird. Später gerät es wieder in Vergessenheit, die Freunde schließen ihr Studium ab, finden Arbeit, machen Karriere, einige heiraten, bekommen Kinder. Doch dann erfasst die Wirtschaftskrise das Land mit voller Wucht. Das dunkle Zimmer wird wieder zum Fixpunkt, diesmal als Zufluchtsort vor tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen und existenziellen Krisen.
Wir tun das Richtige aus den richtigen Gründen, indem wir die Aufklärung zur Tugend machen, gegenüber den Menschen Verantwortung üben und die Spiele des Guten mit ganzem Herzen gestalten. Wie würde Martin Luther unsere Welt mit den Augen Willy Brandts sehen? Was dieser Luther uns als konfuzianisch geschulter Weltbürger wahrscheinlich zu sagen hätte, findet sich in Ole Dörings sprachgewaltigem politisch-philosophischen Essay. Das Buch ist nicht nur eine erschütternde Bestandsaufnahme des Geistes unserer politischen Verfassung; es werden auch Wege aufgezeigt, das Auseinanderfallen unserer Welt als Chance zu begreifen.
In kritischen Kommentaren der jüngsten Zeit findet die Racket-Metapher wieder häufiger Verwendung. Ursprünglich ein Begriff der Frankfurter Schule ist er ebenso schillernd wie kontrovers. Bis heute steht er als Symbol für deren unausformulierte, politische Theorie. Im Neoliberalismus wirkt der Racket-Begriff auf unheimliche Art plausibel. Oligarchien, extremer Reichtum, demobilisierte Klassen, Steuerflucht, Plünderung öffentlicher Güter und Haushalte, Korruptionsskandale und informelle Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft sind einige der Phänomene, die Fragen nach der gegenwärtigen Verfasstheit politischer Herrschaft hervorbringen.
"Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen so gründlich zu betreiben, bis alle schlechte Laune haben."
Im Frühjahr 2021 hatte Matthias Politycki genug vom deutschen Debattensumpf und zog nach Wien. In diesem fulminanten Buch begründet er seine Entscheidung und rechnet mit den Restbeständen unsrer Streitkultur ab - ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Restriktionen einer grassierenden Gegenaufklärung, vor allem aber auch eine Einladung zum wilden Denken über weltanschauliche Gräben hinweg. Als klassischer Linker steht Politycki für eine (fast) unbegrenzte Freiheit der Meinung, der Phantasie und der Literatur. Seine Verteidigung einer über Jahrhunderte gewachsenen Sprache gegenüber all jenen, die sie für ideologische Zwecke zu instrumentalisieren suchen, ist das Bekenntnis eines überzeugten Demokraten und Stilisten zugleich.
Anna Mayr war noch ein Kind und schon arbeitslos. Sie ließ die Armut hinter sich, doch den meisten gelingt das nicht - und das ist so gewollt. Dieses Buch zeigt, warum.
Faul. Ungebildet. Desinteressiert. Selber schuld. Als Kind von zwei Langzeitarbeitslosen weiß Anna Mayr, wie falsch solche Vorurteile sind - was sie nicht davor schützte, dass ein Leben auf Hartz IV ein Leben mit Geldsorgen ist und dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Früher schämte sie sich, dass ihre Eltern keine Jobs haben. Heute weiß sie, dass unsere Gesellschaft Menschen wie sie braucht: als drohendes Bild des Elends, damit alle anderen wissen, dass sie das Richtige tun, nämlich arbeiten.
Es ist etwas passiert in den letzten dreißig Jahren. Immer weniger Menschen vertrauen den Institutionen dieses Landes - weder der Regierung noch den Medien, noch nicht einmal der Wissenschaft. Doch wie konnte es so weit kommen? Die preisgekrönte Journalistin Anita Blasberg rekonstruiert die schrittweise Erosion des Vertrauens - am Beispiel ihrer eigenen Mutter und entlang historischer Bruchstellen und Protagonisten. Da ist ein junger Treuhandmanager, der achtzig ostdeutsche Betriebe in zwei Jahren verkauft; da ist eine Klinikärztin, die ihre Patienten schneller entlassen soll, als ihr lieb ist; da sind Politiker, die nach der Finanzkrise ihre eigene Ohnmacht bestaunen und dann fast alles beim Alten belassen.
Ein menschenwürdiges Leben ohne Herrschaft und Gehorsam war schon immer sein großes Ziel. Mit Utopia" verleiht Konstantin Wecker diesem allumfassenden Herzenswunsch nun die schönsten Klänge. Nach sechs Jahren präsentiert der Münchner Liedermacher ein neues Studioalbum mit 14 neuen Songs und Gedichten. Der Liederzyklus vereint schwärmerische, visionäre Blicke auf eine liebevolle und herrschaftsfreie, eben utopische Gesellschaft. Für Konstantin Wecker, der mit dem Album die Menschen auffordert sich träumerisch zu öffnen, ist Utopia alles andere als undenkbar: "Mit Hilfe der Musik möchte ich Mut machen, alte Denkmuster zu durchbrechen." Mit seinem neuen Werk kommt er mit seinen Musikerinnen und Musikern dem großen Ziel ein großes Stück näher.
»Mein Ausgangspunkt bleibt, dass dem ›Plan‹ des deutschen Staates ein notwendiges kapitalistisches Kalkül zugrunde liegt, nämlich das Ausbalancieren von akzeptierten Opfern und die Vermeidung einer ›zu hohen‹, das nötige Reservoir der Ware Arbeitskraft beeinträchtigenden Zahl von Infektionen – bei Erhalt der Loyalität gegenüber dem Staat sowie seinem regierenden und konstruktiv-oppositionellen Personal selbstverständlich.«
Mit diesem Buch formuliert Thomas Ebermann eine linke Position zur Covid-19-Pandemie.