Umstritten wie er war, vielfach gelobt und oft niedergeschrien - Günter Grass hat in der Kultur- und Demokratiegeschichte dieses Landes Zeichen gesetzt. Kaum ein anderes Kunst- und Literaturlebenswerk hat nach 1945 die politischen, kulturellen und mentalitären Auf- und Abschwünge der Bundesrepublik in vergleichbarer Repräsentanz widergespiegelt und beeinflusst. Nach Jahrzehnten der Machtperversion des Nationalen war es der 32-jährige Autor aus dem verlorenen Danzig, der das durch Nazi-Wahn, Holocaust und Krieg ruinierte Deutschland in der Blechtrommel zur Kenntlichkeit brachte. Dieser höchst irritierende Roman konnte im Adenauer-Deutschland nur einen Skandal auslösen.
Neu 2023-2.HJ (Thema)
Die ungeschminkten Reportagen des jungen Journalisten Galsan Tschinag erregen Aufsehen. Als internationaler Korrespondent erlebt er die Umwälzungen in Kambodscha, berichtet aus Moskau, Kasachstan, Deutschland. Als sich in der Sowjetunion die Perestroika ankündigt, bietet sich ihm eine einzigartige Chance: Er wird zum ersten Redakteur einer Zeitschrift, die in der Mongolei das bisher Unsagbare an die Öffentlichkeit bringen soll.
Die Herausgeber_innen haben ein breites Spektrum an Autor_innen eingeladen, ihre Vorstellungen darüber, wie eine herrschaftsfreie, demokratische Wirtschaft organisiert werden könnte, einmal ganz konkret auszubuchstabieren. Herausgekommen ist ein Band mit Texten von Schriftsteller_innen, Aktivist_innen und Wissenschaftler_innen über partizipatorische Planwirtschaft, vernetzte Räte und politische Selbstbestimmung bis hin zu rechtlichen Perspektiven, philosophischen Praktiken oder reproduktiven Fragen einer zukünftigen Ökonomie.
Wenige Werke der politischen Literatur haben vor der Geschichte so glänzend bestanden wie Leo Trotzkis 'Verratene Revolution'. Mehr als achtzig Jahre nach ihrer Entstehung im Jahr 1936 ist diese Analyse der Sowjetunion noch immer unübertroffen. Sie sagt mehr über die Struktur und die Dynamik der sowjetischen Gesellschaft aus, als irgendein anderes Buch. Trotzki charakterisierte die Sowjetunion als eine 'Übergangsgesellschaft', deren Charakter und Schicksal die Geschichte noch nicht entschieden habe, und betont die Notwendigkeit für die Arbeiterklasse, das stalinistische Regime zu stürzen, auf der Grundlage der Sowjetdemokratie wieder die Kontrolle über den Staat zu erlangen und die Sowjetgesellschaft in den Sozialismus zu führen.
Plädoyer für eine freiheitliche und diversitätssensible Pädagogik.
bell hooks (1952-2021) war nicht nur als Schriftstellerin und Kulturkritikerin bekannt, die sich in zahlreichen Werken mit dem Zusammenwirken von Sexismus, Rassismus und Klassismus auseinandergesetzt hat, sondern auch als Literaturwissenschaftlerin, Dozentin und Lehrende, der eine besonders gewinnende Art in Vorlesungen, Reden und öffentlichen Auftritten nachgesagt wurde. In "Die Welt verändern lernen" plädiert bell hooks - wie immer voller Leidenschaft und mit persönlichem Engagement - für eine neue Pädagogik, in deren Mittelpunkt die Veränderung der Dynamik im Unterricht steht und die weder Trauer und Wut noch Eros und Versöhnung ausblendet.
Wir sehen das Gras nicht wachsen, wir trampeln nur darauf herum: Wie die globale Agrarindustrie die traditionelle Landwirtschaft und bäuerliche Strukturen zerstört und dabei die ökologische Krise noch verschärft
In diesem großartig erzählten, zornigen Buch beschreibt der legendäre Reporter Bartholomäus Grill den globalen Siegeszug der Agrarindustrie und die fatalen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Er wuchs als Bauernbub in einer Epoche auf, in der die meisten Höfe noch in natürlichen Kreisläufen wirtschafteten. Später erlebte er den Beginn der »grünen Revolution«, den Modernisierungsschub der Landwirtschaft, die ein beispielloses Bauernsterben auslöste.
Nach seinem Bestseller "Allein" geht Daniel Schreiber nun der Frage nach: Wie lässt sich ein Leben in Zeiten um sich greifender Verluste führen?
Nichts möchten wir lieber ausblenden als die Unbeständigkeit der Welt. Dennoch werden wir immer wieder damit konfrontiert. Wie gehen wir um mit dem Bewusstsein, dass etwas unwiederbringlich verloren ist? In seinem neuen Essay nimmt Daniel Schreiber so hellsichtig und wahrhaftig, wie nur er es kann, eine zentrale menschliche Erfahrung in den Blick, die unsere Gegenwart maßgeblich prägt und uns wie kaum eine andere an unsere Grenzen bringt: den Verlust von Gewissheiten und lange unumstößlich wirkenden Sicherheiten.
Seit Corona ist nichts mehr, wie es vielleicht nie war. Die Welt erlebt eine nie dagewesene ideologische Umgestaltung, zugleich grassieren Zensur und verengte Debattenräume. Milosz Matuschek antwortet auf diesen Prozess mit einem Gegenprogramm engagierter Texte und Analysen in klarer Sprache, die aufklären und wachrütteln sollen. Denn nur wenn wir der Realität ins Auge blicken, haben wir die Möglichkeit, diese mitzugestalten.
Mit seiner Feldtheorie revolutionierte der deutsch-jüdische Sozialpsychologe Kurt Lewin (1890-1947) die zeitgenössische Psychologie. Indem er erstmalig die komplexe Beziehung zwischen einer Person und ihrer Umwelt im Experiment befragte, legte Lewin den Grundstein für die bis heute wirkmächtige Psycho- und Soziotechnik der Gruppendynamik und avancierte zum Pionier eines demokratischen Social Engineering. In ihrer Studie zu Lewins Psychologie des Feldes rekonstruiert Nora Binder deren Entstehungskontexte und Anwendungsfelder.
Nach der Auflösung der Sowjetunion durch die stalinistische Bürokratie sind trotz zahlreicher historischer Detailstudien weder der Charakter der Oktoberrevolution noch die Degeneration und das Scheitern des aus ihr hervorgegangenen Arbeiterstaates einer breiteren Öffentlichkeit klar, obwohl die Existenz der Sowjetunion die gesamte Geschichte des 20. Jahrhunderts in einem hohen Ausmaß geprägt hat.
Die Schriften Trotzkis – das gilt vor allem für die beiden Bände zur »Geschichte der Russischen Revolution«, die »Permanente Revolution« und die »Verratene Revolution« – tragen zum Verständnis des Aufstiegs, der Degeneration und des Zusammenbruchs der Sowjetunion bei und damit der Weltlage des gesamten vorigen Jahrhunderts.
