I:Rez (Thema)


Ey hör mal! Von Gulraiz Sharif   Arctis Verlag   ISBN 978-3-03880-054-5

Eigentlich hatte der fünfzehnjährige Mahmoud erwartet, dass die Sommerferien ziemlich langweilig werden würden und er die meiste Zeit mit seinem einäugigen Freund Arif abhängen würde. Dann aber kommt Onkel Ji, der ältere Bruder seines Vaters, aus Pakistan zu Besuch und Mahmoud wird zum Fremdenführer. Er zeigt Onkel Ji Oslo, seine Stadt. Hier ist er geboren und lebt am Stadtrand im elften Stock eines multikulturell bewohnten Hochhauses mit defektem Fahrstuhl. Mahmouds Vater fährt Taxi, viel zu viel, weshalb er nur selten Zeit für Mahmoud und den zehn Jahre alten Ali hat, aber die Familie in Pakistan braucht viel Unterstützung. Außerdem sollen es seine Söhne später einmal besser haben.

Onkel Ji ist begeistert von Norwegen, von all dem, was Mahmoud ihm darüber erzählt, den Möglichkeiten und dem Lifestyle. Am liebsten würde er bleiben, aber Mahmoud erklärt ihm, warum daraus nichts werden kann, warum man nicht mehr so ohne Weiteres einen norwegischen Pass bekommt.

Als Mahmoud merkt, dass mit seinem kleinen Bruder etwas nicht stimmt, der sich komisch und oft gar nicht jungenhaft benimmt, stellt er ihn zur Rede.


Wenn wir doch nur Löwen wären. Von Line Baugstø   luftschacht Verlag   ISBN 978-3-903422-04-9

Nachdem die Jugendjury den Roman „Malagsh“ von Joey Comeau, ebenfalls in dem unabhängigen Verlag luftschacht erschienen, für den Jugendliteraturpreis 2022 nominiert hat, war ich sehr gespannt auf diese Neuerscheinung. Mit dem Roman liegt der Verlag auf jeden Fall im aktuellen Trend: Jeder Jugendbuch-Verlag, der auf sich hält, hat in den letzten Jahren einen Roman zum Thema Transidentität verlegt, wie zum Beispiel der Loewe Verlag mit „Birthday“ von Meredith Russo, das interessanterweise mit „Malagsh“ um den Preis der Jugendjury konkurriert. Ebenfalls aus Norwegen stammt → „Ey, hör mal“ von Gulraiz Sharif (auf Deutsch im Februar '22 bei Arctis erschienen).


Oma Erbse. Von Micha Friemel   Hanser Verlag   ISBN 978-3-27257-6

Leonors Großmutter liegt im Krankenhaus. Es geht ihr gar nicht gut, sie ist schwach und Leonors Mutter ist sehr traurig, weil sie denkt, dass sie sterben wird. Oma will gar nicht darüber sprechen, vor allem nicht, wenn ihre kleine Enkelin dabei ist. Aber nachdem Leonor bei der Gartenarbeit verstanden hat, wie alles wächst und vergeht, Pflanzen zu Kompost werden und daraus Neues entsteht, kann sie ihre Oma beim nächsten Besuch beruhigen: „So schlimm ist das nicht, wenn du stirbst. Wir legen dich auf den Kompost, und sobald die Würmer dich gefressen haben, machen wir Erbsen aus dir.“ Natürlich ist Leonor bei der Vorstellung trotzdem traurig, denn sie liebt ihre Oma und sie wird sie sehr vermissen.


Sowas wie Sommer, sowas wie Glück. Von Lise Villadsen   Oetinger Verlag   ISBN 978-3-7512-0189-6

Astrids ältere Schwester Cecilie leidet seit einigen Jahren an einer Angststörung, die jetzt, kurz vor ihrem Schulabschluss, so heftig wird, dass die ganze Familie vor einer regelrechten Zerreißprobe steht. Cecilie schafft es nicht, an den Abschlussprüfungen teilzunehmen, sie will den Nachprüfungstermin wahrnehmen, weshalb der Familienurlaub verschoben werden muss und Astrids lang geplante Interrailreise mit ihrem besten Freund nicht stattfinden kann.

Astrid, die ein sehr inniges Verhältnis mit ihrer Schwester verbindet, hat immer öfter das Bedürfnis Schönes zu erleben, ein eigenes Leben außerhalb der Familie zu haben und dem Druck und der Schwere dieser Krankheit und der Verantwortung für Cecilie zu entfliehen.


Als Papas Haare Ferien machten. Von Jörg Mühle   Moritz Verlag   ISBN 978-3-89565-427-5

Was für ein herrliches, lustiges und warmherziges Buch! Wie kommt man nur auf die schräge Idee, dass sich ein ganzer Haarschopf aus heiterem Himmel auf und davon macht? Ganz überraschend und radikal!?

Jörg Mühle lässt ein Kind erzählen, wie Papas Haare eines Morgens im Bad einfach keine Lust mehr haben auf Alltagstrott haben, einfach mal was erleben wollen und das auf eigene Faust. Sie lösen sich vom Papa-Kopf und entwischen ihm, lassen sich nicht durch Bitten und Betteln erweichen zurückzukehren, nicht fangen oder austricksen. Sie nutzen die erste Gelegenheit, aus dem Bad und durch das gekippte Küchenfenster zu fliehen. Der Papa zieht kurzentschlossen den Bademantel über und macht sich, mit Kescher und Kleister ausgerüstet, an die Verfolgung seiner Haare.

Die gigantischen Dinge des Lebens. Von Susin NielsenISBN 978-3-8251-5304-5   Verlag Urachhaus  

Nach den beiden großartigen Büchern „Adresse unbekannt“ (das u. a. für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert war) und „Optimisten sterben früher“ ist Susin Nielsen wieder ein ausgezeichneter Roman gelungen.

Und obwohl die Figuren in diesem Buch natürlich auch mit Problemen zu kämpfen haben, strotzt die Geschichte vor Humor und zwischen all den Jugendbüchern, die schwere Lebenskrisen und Schicksalsschläge thematisieren, tanzt diese fröhliche und lebensbejahende Geschichte erfreulich aus der Reihe.


Kerstin ist goldrichtig. Von Helena Hedlund   Woow Verlag   ISBN 978-3-96177-086-1

Die Auszeichnung mit den Luchs des Monats Februar 2022 unterstreicht zu Recht die Qualität dieses Kinderbuchs über die 7-jährige Kerstin, die sich in einem Netz aus Lügen verstrickt und dadurch mit großem seelischem Druck zu kämpfen hat.

Kerstin liebt alles Goldene und hat bereits eine kleine Sammlung glänzender Fundstücke zusammengetragen. In der Schule findet sie einen goldenen Ring und behält ihn. Als die Lehrerin am nächsten Tag die Kinder bitten, nach ihrem verlorenen Ehering Ausschau zu halten, schafft Kerstin es nicht, die Wahrheit zu sagen. Sie schämt sich, dass sie sich nicht gleich nach dem Fund gemeldet hat, jetzt ist es doch irgendwie zu spät.


Auf dem Gipfel wachsen Chinanudeln 1. Von Benjamin Tienti und Sebastian Kiefer   Dressler Verlag   ISBN 978-3-7513-0005-6

Schon in seinen ersten Kinderbüchern hat mich die lässige Erzählweise von Benjamin Tienti, der nicht nur Autor, sondern auch Musiker und Schulsozialarbeiter in einer Berliner Schule ist, überzeugt. In diesem Milieu, in Neukölln, spielt dieser Roman, den er zusammen mit einem Band-Kollegen geschrieben hat. Elmo ist 11 Jahre alt und in einer schwierigen Phase seines Lebens, denn sein älterer Bruder ist vor kurzem direkt vor ihrem Haus wegen einer defekten Ampel bei einem Autounfall ums Leben gekommen und Elmo ist gerade erst aus einer Art Schockstarre aufgetaucht.


Licht zwischen den Bäumen. Von Una Mannion   Steidl Verlag   ISBN 978-3-95829-973-3

Dieser Debütroman wirkt in weiten teilen wie ein Krimi und dann auch wieder wie ein Entwicklungsroman. erzählt wird die Geschichte von fünf Geschwistern, die bei der Mutter leben. Der Vater starb, aber da lebte er schon länger von seiner Frau getrennt. Die älteste ist Marie, Punkmusik-Fan, Thomas ist wissenschaftlich interessiert und Ellen hat eine große künstlerische Begabung. Und Libby, die uns die Geschichte dieses Sommers in den 80ern erzählt, steckt fest in den Klauen der Pubertät, mit all den Gefühlsschwankungen, den Vorurteilen und einer gewissen Verbohrtheit. Die Jüngste ist die stille Beatrice, die ziemlich sicher einen anderen Vater hat.