Oma Erbse. Von Micha Friemel. Rezension von Britta Kiersch
Oma Erbse. Von Micha Friemel Hanser Verlag ISBN 978-3-27257-6
Leonors Großmutter liegt im Krankenhaus. Es geht ihr gar nicht gut, sie ist schwach und Leonors Mutter ist sehr traurig, weil sie denkt, dass sie sterben wird. Oma will gar nicht darüber sprechen, vor allem nicht, wenn ihre kleine Enkelin dabei ist. Aber nachdem Leonor bei der Gartenarbeit verstanden hat, wie alles wächst und vergeht, Pflanzen zu Kompost werden und daraus Neues entsteht, kann sie ihre Oma beim nächsten Besuch beruhigen: „So schlimm ist das nicht, wenn du stirbst. Wir legen dich auf den Kompost, und sobald die Würmer dich gefressen haben, machen wir Erbsen aus dir.“ Natürlich ist Leonor bei der Vorstellung trotzdem traurig, denn sie liebt ihre Oma und sie wird sie sehr vermissen.
Bereits in dem Buch „Hat Opa einen Anzug an“ mit dem Text von Amelie Fried, das im Jahr 1998 mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet worden war, hat Jacky Gleich gezeigt, wie man Kindern den Tod, bzw. das Sterben anschaulich machen kann. Ihre Illustrationen in diesem zweiten Buch über Leonor und ihre Familie sind schlicht treffend: Die Mutter zeigt sie am Boden zerstört, weinend und voller Kummer. Leonor darf Kind sein und auf dem Heimweg vom Krankenhaus ist sie „…ein Löwe. Der Löwe singt das Lied vom Kuckuck auf dem Baum. Mama streichelt Leonors Mähne. ‚Bist du traurig, Mama?‘ ‚Du merkst auch immer alles, mein Löwe.‘“ Jacky Gleich zeigt mit viel Vorstellungskraft das Mädchen, das mit kindlicher Empathie den Kummer der Mutter wahrnimmt und, wie es nur Kinder können, im nächsten Augenblick mit Lebensfreude und Leichtigkeit den neuen Moment lebt. Dann kommt die Szene mit der Mutter im Garten. Auch hier bleibt die Illustratorin ganz nah an dem guten Text von Micha Friemel. Die Mutter riecht den kräftigen Geruch der frischen, satten Erde, erklärt ihren Kindern den Kreislauf von Wachstum und Verfall und findet darin selbst etwas Trost.
Mir gefällt an dem Buch besonders, dass deutlich wird, wie wichtig es ist, Kinder nicht vor der, vermeintlich zu harten, Wahrheit zu schützen. Denn es hilft ihnen letztlich nicht dabei, sich im Leben zurechtzufinden und mit starken Gefühlen umzugehen. Sie müssen auch den Tod verstehen lernen.
Dieses Bilderbuch ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was gekonnte, stilsichere Illustration aus einem gelungenen Text machen kann. In diesem Fall ist es ein kleines Gesamtkunstwerk geworden.
Erstellt: 10.04.2022 - 07:28 | Geändert: 02.07.2022 - 06:54