Sem und Mo im Land der Lindwürmer. Von Frida Nilsson. Rezension von Britta Kiersch

REZENSION
Sem und Mo im Land der Lindwürmer. Von Frida Nilsson   Gerstenberg Verlag   ISBN 978-3-8369-6149-3  

Die Brüder Sem und Mo sind Waisen und leben bei ihrer Tante Tyra in großer Armut und müssen ihr den ganzen Tag bei der Arbeit helfen. Als die Tante wegen eines verlorenen Geldstücks Mo verprügelt, laufen die beiden weg. Bei ihrer Flucht treffen sie eine sprechende Ratte, die ihnen von ihrer Königin Indra erzählt, die sich sehnlichst ein Kind wünscht. Sie würden dort verwöhnt und umsorgt werden und dürften den ganzen Tag spielen.

Durch einen unterirdischen Gang gelangen die Brüder ins Land der Lindwürmer, denn Indra ist ein Lindwurm und lebt dort in einem uralten Schloss mit verschiedenen Tieren, die sie verzaubert und dadurch zu Dienern gemacht hat. Als die Ratte ihr den kleinen Mo bringt, ist Indra überglücklich und überschüttet ihn mit ihrer Liebe. Sem ist zuerst einfach nur froh, dass sie nicht mehr den ganzen Tag schuften müssen und in Sicherheit sind, aber schon bald fühlt er sich zunehmend unwohl. Er merkt, dass er selbst Indra nichts bedeutet und er findet schließlich heraus, dass Indra auch Mo nicht wirklich liebt, sondern dass sie ihn braucht, um irgendwann selbst ein fruchtbares Ei legen zu können.

Sem und Mo kommen nicht mehr sehr gut miteinander aus, denn Mo wendet sich immer mehr Indra und den anderen Tieren zu und lässt seinen großen Bruder meist links liegen. Sem hat das Gefühl, dass Mo auch die Erinnerungen an ihr früheres Dasein, an ihre Eltern unwichtig werden und das macht ihn sehr traurig. Als eines Tages ein wildes Spiel im Schloss gespielt wird, bei dem Sem nicht mitmachen möchte, das ihm unheimlich ist, läuft er in den Wald, mit dem Gefühl, dass ihn ohnehin niemand vermissen wird.

Im Wald trifft er Ale, einen Mann mit Pfeil und Bogen, der sich eine Weile um den Jungen kümmert und ihm allerhand Überlebenswichtiges beibringt. Außerdem bestärkt er Sem in vielerlei Hinsicht, so dass ihm klar wird, was richtig und falsch ist, was wahr ist und was nicht, was Menschen und auch Tiere dürfen und was nicht.

Frida Nilsson ist wirklich großartig darin, in ihren fantastischen Romanen auf sehr poetische Weise vom echten Leben zu erzählen. Es gelingt ihr perfekt, die essentiellen Fragen des Lebens, das was einen Menschen um- und antreibt, auf den Punkt zu bringen. Hier kann man sie mittlerweile in einem Atemzug mit Astrid Lindgren nennen, die es ähnlich in „Mio, mein Mio“ oder „Die Brüder Löwenherz“ getan hat. So erzählt auch Frida Nilsson aus Sems Perspektive von den Abenteuern zweier Brüder und selbst als sie in größter Gefahr schweben und alles aussichtslos scheint, ist man sicher, dass am Ende alles gut werden wird.

Das macht Mut. Was mich aber am meisten beeindruckt hat und was sich im Laufe des Buches verstärkt, ist die Auseinandersetzung mit diesen Fragen: Was ist gut und was böse, was wahr oder unwahr, was ist gerecht und was ungerecht? Frida Nilsson macht dem Leser ganz deutlich, dass es darauf oft keine klaren Antworten gibt. Entscheidend ist, wer die Frage beantwortet, in welcher Position dieser jemand sich befindet, ist er ein Mensch oder ein Tier, welche Perspektive nimmt er ein? Hier bekommen die kindlichen Leser richtigen Denk- und Diskussionsstoff, davon können auch die Eltern profitieren.

→  Sem und Mo im Land der Lindwürmer. Von Frida Nilsson

 

Erstellt: 09.09.2022 - 06:16  |  Geändert: 09.09.2022 - 06:17

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