Sowas wie Sommer, sowas wie Glück. Von Lise Villadsen. Rezension von Britta Kiersch

REZENSION 
Sowas wie Sommer, sowas wie Glück. Von Lise Villadsen   Oetinger Verlag   ISBN 978-3-7512-0189-6

Astrids ältere Schwester Cecilie leidet seit einigen Jahren an einer Angststörung, die jetzt, kurz vor ihrem Schulabschluss, so heftig wird, dass die ganze Familie vor einer regelrechten Zerreißprobe steht. Cecilie schafft es nicht, an den Abschlussprüfungen teilzunehmen, sie will den Nachprüfungstermin wahrnehmen, weshalb der Familienurlaub verschoben werden muss und Astrids lang geplante Interrailreise mit ihrem besten Freund nicht stattfinden kann.

Astrid, die ein sehr inniges Verhältnis mit ihrer Schwester verbindet, hat immer öfter das Bedürfnis Schönes zu erleben, ein eigenes Leben außerhalb der Familie zu haben und dem Druck und der Schwere dieser Krankheit und der Verantwortung für Cecilie zu entfliehen. Sie liebt ihre Schwester, doch sie merkt zunehmend, dass die Krankheit nicht nur Cecilies Leben, sondern ganz extrem auch das ihrer Eltern und ihr eigenes zu stark beeinflusst. Ihre Psyche schaltet auf Selbsterhaltungsmodus (ohne dass es ihr selbst gleich bewusst wäre) und deshalb zieht sich Astrid jetzt öfter mal raus, trifft sich mit Kristoffer, der früher ein Kinderfreund der Schwestern war und vor kurzem, nachdem er längere Zeit in Grönland gelebt hat, wieder zurückgekehrt ist. Zwischen Astrid und Kristoffer entwickelt sich eine nicht ganz einfache, aber schöne Liebesgeschichte, und zunehmend erkennt Astrid, dass sich in ihrer Familie Grundlegendes ändern muss.

Dieses Buch hat mich durch die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema „Co-Abhängigkeit“ und den recht pragmatischen Umgang damit beeindruckt. Absolut nicht gefühlsarm, aber eben zum Glück nicht emotional überbordend, sondern völlig angemessen wird dargestellt, wie Astrid ihren Weg findet und wie sie versucht, für sie alle sinnvolle und vor allem zukunftsweisende Methoden zu entwickeln.

Die Autorin geht rücksichtsvoll und aufrichtig mit ihren Figuren um und beschreibt nachvollziehbar deren Gratwanderung zwischen Liebe und Selbstachtung, Verantwortungsbewusstsein und Selbstfürsorge. Sie erwirkt Verständnis für jede Person dieser Familie, und das erscheint mir besonders bemerkenswert, denn eigentlich kann man ja nur so die Beweggründe, die Gefühlslagen und Verhaltensweisen nachvollziehen. Mir gefällt auch, dass das Buch zwar kein gänzlich offenes Ende hat, aber doch nicht alles geklärt wird. Man bleibt nach der Lektüre hoffnungsvoll und optimistisch zurück. Mehr geht nicht.

Sowas wie Sommer, sowas wie Glück. Von Lise Villadsen

 

Erstellt: 26.03.2022 - 05:59  |  Geändert: 26.03.2022 - 06:00