Wenn wir doch nur Löwen wären. Von Line Baugstø. Rezension von Britta Kiersch

REZENSION
Wenn wir doch nur Löwen wären. Von Line Baugstø   luftschacht Verlag   ISBN 978-3-903422-04-9

Nachdem die Jugendjury den Roman „Malagsh“ von Joey Comeau, ebenfalls in dem unabhängigen Verlag luftschacht erschienen, für den Jugendliteraturpreis 2022 nominiert hat, war ich sehr gespannt auf diese Neuerscheinung. Mit dem Roman liegt der Verlag auf jeden Fall im aktuellen Trend: Jeder Jugendbuch-Verlag, der auf sich hält, hat in den letzten Jahren einen Roman zum Thema Transidentität verlegt, wie zum Beispiel der Loewe Verlag mit „Birthday“ von Meredith Russo, das interessanterweise mit „Malagsh“ um den Preis der Jugendjury konkurriert. Ebenfalls aus Norwegen stammt → „Ey, hör mal“ von Gulraiz Sharif (auf Deutsch im Februar '22 bei Arctis erschienen).

Line Baugstøs Buch ist mit seinen 144 Seiten schnell gelesen und dadurch auch ideal als Klassenlektüre geeignet. Malin geht in die 7. Klasse und gehört nicht gerade zu den angesagten Mädchen. Sie freut sich sehr über Leona, die neue Mitschülerin, die zwar recht schüchtern wirkt, die sie aber gleich sympathisch findet. Malin bemüht sich um Leona und die beiden lernen sich besser kennen. Allerdings gibt es manche Ungereimtheit in Leonas Auskünften zu ihrem vorherigen Leben, über die Malin sich wundert. Einige Zeit später kommt es beim Umziehen nach dem Sport zu einem Eklat, als eines der anderen Mädchen Leona ihren Umhang wegzieht, unter dem sie sich beim Umziehen verbirgt. Jetzt wissen alle, dass Leonas Körper der eines Jungen ist. Sie läuft aus der Schule weg und kommt auch in den nächsten Tagen nicht zum Unterricht. Es kursieren die wüstesten Geschichten, bestimmte Mädchen ziehen Leona in den Dreck und versuchen, die anderen aufzuhetzen. Malin, die zu feige ist, für ihre Freundin zu sprechen, sich für sie einzusetzen, schämt sich in Grund und Boden. Wenn nur Amina da wäre, die Einzige, die couragiert den dominanten Mädchen widerspricht. Aber Amina ist krank und ohne ihre Unterstützung traut Malin sich nicht.

Dann führen der Direktor und die Schulärztin ein Gespräch mit der Klasse. Sie erklären den Kindern, dass Leona in ihrer alten Schule schrecklich gemobbt wurde und sie deshalb beschlossen hatten, ihre Situation geheim zu halten, ihr – auf ihren Wunsch – einen Neuanfang zu ermöglichen, und die Ärztin erläutert sehr genau, um was es bei einer Transidentität geht. Alle sind ziemlich überrascht, als daraufhin Leona in Begleitung ihrer Mutter das Zimmer betritt. Sie will weiter in diese Schule und in diese Klasse gehen. Die vorherige Sitzordnung wurde in der Zwischenzeit aufgelöst. Wo findet Leona einen neuen Platz?

Mich hat dieses Buch aus mehreren Gründen beeindruckt. Es wirkte auf mich kein bisschen aufgesetzt oder konstruiert, sondern überzeugend authentisch. Aus Malins Sicht erfahren wir, mit welcher Motivation sie Leonas Nähe und Freundschaft sucht und wie und weshalb sie Leona eindeutig als Mädchen wahrnimmt. Natürlich ist sie überrascht, dass ihre Freundin als Junge geboren wurde, aber sie merkt, dass ihr das eigentlich gar nichts ausmacht, weil Leona nun mal ein Mädchen ist. Es wird auch glaubhaft dargestellt, mit welchen seelischen Nöten Malin kämpft, als die anderen Mädchen über Leona herziehen und sie nichts dagegen unternimmt. Aber im entscheidenden Moment, schafft sie es doch, ihre Angst zu überwinden und über ihren Schatten zu springen. Zum Glück sind die beiden am Ende auch nicht mehr allein und schmieden gemeinsam neue Pläne. Lediglich die Übersetzung hat mich hier und da verwundert, aber das schmälert ganz und gar nicht den absolut positiven Gesamteindruck.

Wenn wir doch nur Löwen wären. Von Line Baugstø

 

Erstellt: 13.04.2022 - 20:09  |  Geändert: 02.07.2022 - 06:53