Lässt sich der koloniale Genozid in Amazonien messen? Forscherstreit über Pollen in Seen und die CO 2 -Konzentration der Atmosphäre als Maß der vorkolonialen Bevölkerung im Regenwald. Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro Neues Deutschland 09.07.2021
Kolonialismus (Thema)
Imperialismus definieren die Autoren als eine 'offene oder latente Gewaltpolitik zur externen Absicherung eines internen Regimes' und als zentralen Bestandteil der territorialen Reproduktion des Kapitalismus. Verabschieden sie damit die Sichtweise, Imperialismus sei ein Stadium der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, so zeigen sie jedoch, dass sich aus der polit-ökonomisch begründeten Analyse schlüssige Einsichten auch in gegenwärtige weltwirtschaftliche und -politische Abläufe ergeben. Klassische Imperialismustheorien (J. A. Hobson, Rudolf Hilferding, Joseph Schumpeter, Karl Kautsky sowie W. I. Lenin und Rosa Luxemburg) werden ebenso berücksichtigt wie Beiträge aus der aktuellen Debatte (Leo Panitch, Sam Gindin oder David Harvey).
Europa hat sich gegenüber der Gemeinschaft der Menschen für den höchsten Leichenberg in der Geschichte zu verantworten", schrieb Aimé Césaire in seinem 1955 erschienenen Diskurs über den Kolonialismus. Er brachte damit 500 Jahre europäischer Geschichte auf einen Punkt: Massenmord. Das Buch zeigt, dass von Deutschland zu verantwortende Völkermorde nicht erst Mitte des 20. Jahrhunderts auftreten, sondern mit 500 Jahren europäischer Expansion und Ausbeutung verbunden sind. Dabei nimmt es als Ausgangspunkt den deutschen Genozid an den Herero und Nama im heutigen Namibia.
Ihre Kriegseinsätze kommen in den Geschichtsbüchern nicht vor, und ihre Gefallenen sind nirgends aufgelistet. An ihre Opfer erinnert kaum ein Monument und an den Bombenterror in ihren Städten keine Fernsehserie. Die meisten ihrer Zwangsarbeiter erhalten keine Entschädigung und die meisten ihrer Veteranen keine Kriegsrente. So hoch der Preis auch war, den die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg zahlte, so konsequent wurde er seitdem vergessen und verleugnet. Millionen Soldaten aus Afrika, Asien, Südamerika und Ozeanien kämpften und starben in diesem Krieg, den der deutsche und der italienische Faschismus sowie der japanische Großmachtwahn verursacht haben.
Eine politikwissenschaftliche Einführung
Das Lehrbuch versteht sich als eine Einführung in die Politikwissenschaft, die sich dem Gegenstand aus einer globalen und kritischen Perspektive nähert und den eurozentrischen Blickwinkel zurückweist. Ziel ist dabei, eine solide Basis für das Verständnis aktueller politischer Phänomene in den Ländern des Südens sowie deren Einbettung in globale Dynamiken zu geben.
Ausführliche Kapitel widmen sich grundlegenden Aspekten politikwissenschaftlicher Beschäftigung mit den Ländern der Peripherie, Charakteristika peripherer Staatlichkeit und Politik im nationalstaatlichen Rahmen, Fragen der Global Governance und Internationalisierung sowie ausgewählten Politikfeldern. Daneben behandeln eine Reihe von Exkursen spezifische Themen, die die genannten Kapitel ergänzen.
Waiyaki wächst in der traditionellen Dorfgemeinschaft des Gikuyu-Stammes auf und wird von seinem Vater als spiritueller Führer und Erneuerer seines Volkes eingeweiht. Er besucht eine christliche Missionsschule, aber als er sich in ein Mädchen aus dem christianisierten Nachbardorf verliebt, kommt es zum tragischen, ausweglosen Konflikt mit dem Stamm. Waiyaki, der sich nicht bekehren lässt, andererseits das Wissen der Weißen in einer unabhängigen Gikuyu-Schule vermittelt, steht dazwischen: ein Opfer der Zerrissenheit, die bis heute das moderne Afrika zeichnet. Ngugi wa Thiong o erzählt poetisch und einfühlsam vom Leben im kenianischen Hochland zu jener Zeit, als die weiße Eroberung erst ein bedrohlicher Schatten war.
Kamerun, Ende der 50er Jahre. Nach langer Kolonialherrschaft regt sich der Geist des Widerstands, doch die friedliche Unabhängigkeitsbewegung UPC wird von der Kolonialverwaltung gewaltsam unterdrückt und in den Untergrund gezwungen.
Spannend und mit Präzision erzählt die Autorin vom Kampf ihrer Protagonisten, und wie in einer griechischen Tragödie stellt sie sie vor Entscheidungen mit irreversiblen Konsequenzen. Im Gedächtnis bleiben besonders die tief ausgeloteten weiblichen Figuren des Romans, die neben ihrem politischen Engagement mit beeindruckender Stärke um ein freies Leben als Frau in einer gerechten Gesellschaft kämpfen.
In seinem historischen Portrait "Zumbi" zeichnet Joel Rufino dos Santos die einzigartige Geschichte des Anführers von Quilombo Palmares nach, einer Siedlung, die um das Jahr 1600 von geflohenen afrikanischen Sklaven gegründet wurde, sich für fast 100 Jahre im Widerstand gegen die brasilianische Sklavenhaltergesellschaft befand und ihr einen radikal anderen Gesellschaftsentwurf entgegensetzte.
"Lässt sich eine andere Gesellschaft denken, in der Hautfarbe, Geschlecht und soziale Stellung keine Privilegien erzeugen? Vielleicht steht 'Palmares' dafür: ein 100 Jahre lang geträumter Traum, mit grünen Palmen, in einem majestätischen, blauen Gebirgszug. Der Embryo eines Landes, das allen gehört. Das, was hätte sein können, aber noch nicht gewesen ist."
Kaffee, Baumwolle, Kautschuk: kaum eine Ware, die nicht quer über die Weltmeere verschifft wird. Treibende Kraft dabei sind nicht die Abnehmer, sondern Zwischenhändler. Lea Haller legt nun erstmals eine detaillierte Geschichte des Transithandels vor, der einen gewaltigen Teil der globalen Wirtschaft ausmacht. Am Beispiel der Schweiz, über die heute ein Fünftel des weltweiten Rohstoffhandels abgewickelt wird, zeigt Haller, wie sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts zentrale Techniken und Institutionen der Globalisierung herausbildeten: von Terminbörsen über internationale Schiedsgerichte bis hin zu Steuerprivilegien für multinationale Konzerne. Das Ergebnis ist nichts Geringeres als eine Geschichte der Entstehung des Weltmarktes.
Dieses Buch möchte dazu beitragen, die Legende über eine nur scheinbar bekannte historische Periode richtigzustellen und letztere in ihrer Vielfalt zu schildern. Den Ereignissen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Nordamerika gingen vierhundert Jahre Emigration, Genozid, Konflikte voraus, die wenig mit der Legende übereinstimmen, jedoch sehr viel zu einer Zukunft beigetragen haben, die unser aller Leben ausmachen wird. Entstehung einer Nation, industrielle Revolution, territorialer Expansionismus, Widerstand, Umwandlung der Volkswirtschaft, Aufstand, soziale und ethnische Kontrolle sind der Rahmen, in dem die letzten fünfzig Jahre der amerikanischen Geschichte des 19. Jahrhunderts ablaufen.
Diese Erinnerungen an das Mosambik der Kolonialzeit konnten erst 2009 erscheinen, nach dem Tod des Vaters der Autorin. Das Buch war sofort ein Skandal und ein Bestseller dazu, bislang erlebte es neun Auflagen. Und stellte einen Tabubruch dar: Es räumte radikal mit der Legende von der "sanften" portugiesischen Herrschaft in Übersee auf und vermittelte einen ungeschönten Blick auf den blutigen Kolonialkrieg in Mosambik.
Im Zentrum steht der Vater der Autorin, ein Elektriker, der seit den 1950er Jahren in Mosambik lebt und arbeitet. Er ist den ärmlichen Verhältnissen der portugiesischen Provinz entflohen und entfaltet nun seine Macht als Weißer, der mit seinen schwarzen Untergebenen scheinbar auf vertrautem Fuß steht, seine Position jedoch wie selbstverständlich mißbraucht, besonders Frauen gegenüber. Die Tochter erlebt das hautnah mit. 1974 bricht die Kolonialmacht zusammen, der Vater schickt die Zwölfjährige allein nach Portugal zu seiner Mutter. Sie soll dort berichten, welches Unrecht ihm und den anderen Siedlern geschieht. Das tut sie nicht.