Lässt sich der koloniale Genozid in Amazonien messen? Forscherstreit über Pollen in Seen und die CO 2 -Konzentration der Atmosphäre als Maß der vorkolonialen Bevölkerung im Regenwald. Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro Neues Deutschland 09.07.2021
Kolonialismus (Thema)
Hans Paasche, der als Marineoffizier an der Niederwerfung von Aufständen in Ostafrika teilnahm und darüber zum Pazifisten wurde, lässt in neun Briefen des Afrikaners Lukanga Mukara seinem König Ruoma von einer Forschungsreise ins innerste Deutschland berichten. Sie sind gespickt mit bissigen und für uns Weiße und unsere "zivilisierte Gesellschaft" nicht gerade schmeichelhaften Beobachtungen, die uns in schallendes Gelächter ausbrechen lassen, das uns im nächsten Moment im Halse stecken bleiben kann. Ein Buch, das uns neu sehen lernen kann und in seiner farbig-konkreten Schilderung noch dazu höchst unterhaltsam ist.
Musik aus aller Welt: eine Einführung in die Musikethnologie
Wer sich mit Musikethnologie beschäftigt, braucht nicht nur Expertise zur Musikgeschichte, zu Musikrichtungen und Instrumenten. Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums Berlin, legt in seinem Buch den Schwerpunkt auf "Musik und Kultur". Er beleuchtet dieses Themenfeld anhand kurzer Kapitel zur Feldforschung, zu Musik und Identität sowie zu Musikinstrumenten als kulturelle Objekte. Genauso wichtig sind Kenntnisse zur Geschichte des akademischen Fachs, das aus der vergleichenden Musikwissenschaft entstanden ist. Lars-Christian Koch bietet mit seinem Fachbuch eine kompakte und doch umfassende Einführung in die Theorie, Methodik und Geschichte der Musikethnologie:
Die Geschichte des Kolonialismus in Afrika holt uns immer wieder ein: in Gestalt von Flucht und Migration oder im Streit um die Rückgabe von Kulturgütern. Mit dem großen Reporter Albert Londres schauen wir auf das französische West- und Nordafrika in den 1920er-Jahren.
"Afrika, in Ketten" versammelt zwei Berichte aus dem französischen Kolonialreich: In "Schwarz und Weiß" bereist Londres Französisch-West- und Äquatorialafrika, sein Weg führt ihn von Dakar über Bamako und Timbuktu im Westen nach Niger und weiter in den Sudan, bis er im Kongo den Äquator überquert. Sein Gegenstand ist das Leben der weißen "Staatsbürger Frankreichs" und der schwarzen "Untertanen" in den sogenannten Überseegebieten, die willkürliche Rechtsprechung der Kolonialverwalter und die Geschicke der zahllosen Glücksritter, die fern von Europa zu schnellem Reichtum zu gelangen versuchen. 1928, genau achtzig Jahre nach der Ächtung der Sklaverei in Frankreich 1848, zeigt Londres: Das Herrschaftsverhältnis von Herr und Knecht ist intakter denn je.
Eine Reise um die Welt: Welche Geschichte wohnt den Orten inne?
Ob in Baku, Singapur oder Cornwall, auf Haiti oder Neuseeland: Jeder Ort hat seine Geschichte, oft unerwartet, ungewöhnlich oder völlig unbekannt. Der renommierte Historiker Norman Davies hat sich auf die Suche nach diesen Geschichten gemacht. Sein Buch "Ins Unbekannte" ist ein Reisebericht der besonderen Art: eine Weltreise in die Vergangenheit, eine historische Spurensuche. Im Alter von 73 Jahren reist Davies von der südlichsten Spitze der Südseeinseln bis zum Nordkap einmal rund um den Globus. So entstand ein sehr persönliches Reisetagebuch, das gleichzeitig ein Füllhorn an historischem Wissen und überraschenden Fakten bereithält.
Es geht um das Begehren zwischen Schwarz und Weiß, auf allen Beziehungsebenen, auf denen Stereotypen zwischen den Rassen wirksam werden. Anfang der 1980er in Montreal: Zwei arbeitslose schwarze Migranten hausen zusammen in einer versifften Einzimmerwohnung in der Rue St. Denis, mitten in der Altstadt. Der eine liegt auf der Couch, hört den ganzen Tag Jazz, liest im Koran und zitiert Freud. Der andere schreibt auf dem ihm einzig wichtigen Besitz, seiner Remington 22 - das nächtliche Klappern der Tastatur weckt natürlich die Neugier der weißen Studentinnen einer angesehenen Universität.
Mit dem Weltbestseller "Das Kapital im 21. Jahrhundert" hat Thomas Piketty eines der wichtigsten Bücher unserer Zeit geschrieben. Jetzt legt er mit einem gewaltigen Werk nach: Kapital und Ideologie ist eine so noch niemals geschriebene Globalgeschichte der sozialen Ungleichheit und ihrer Ursachen, eine unnachsichtige Kritik der zeitgenössischen Politik und zugleich der kühne Entwurf eines neuen und gerechteren ökonomischen Systems.
Nichts steht geschrieben: Der Kapitalismus ist kein Naturgesetz. Märkte, Profite und Kapital sind von Menschen gemacht. Wie sie funktionieren, hängt von unseren Entscheidungen ab. Das ist der zentrale Gedanke des neuen Buches von Thomas Piketty. Der berühmte Ökonom erforscht darin die Entwicklungen des letzten Jahrtausends, die zu Sklaverei, Leibeigenschaft, Kolonialismus, Kommunismus, Sozialdemokratie und Hyperkapitalismus geführt und das Leben von Milliarden Menschen geformt haben.
Deutsch-Südwestafrika, 1904. Beginn eines erbarmungslosen Kolonialkrieges, den das Deutsche Kaiserreich gegen die aufständischen Herero und Hottentotten führt. An der Spitze der für ihre Freiheit kämpfenden Schwarzen steht Jakob Morenga, ein früherer Minenarbeiter. Was damals mehr als drei Jahre lang in dem heute unabhängigen Namibia geschah, hat Uwe Timm in einer Montage von historischen Dokumenten und fiktiven Aufzeichnungen des Oberveterinärs Gottschalk aus Hamburg zu einem grandiosen historischen Roman verdichtet.
Was macht ein berühmter Krieger in Friedenszeiten? Samurai Seki Keijiro hat sich aufs Land zurückgezogen und langweilt sich kolossal im Kreise seiner Familie. Doch als er hört, dass vor Nagasaki ein Schiff der Niederländischen Ostindien-Kompanie erwartet wird, erwacht er zu neuem Leben. Denn da war noch etwas: eine ungeklärte Episode seines Kriegerlebens. Seki heuert als Inspektor der Handelsniederlassung an und bekommt es mit dem jungen Niederländer Abel van Rheenen zu tun, der auf dem Schiff als "Dolmetsch" reist, zu viel redet und darüber hinaus die japanische Seele erkunden will ...
Arnold Höllriegels Bericht vom Mahdi-Aufstand und der Errichtung eines islamischen Staates im Sudan in den 1880er Jahren erinnert uns in vielem an unsere Gegenwart. Arnold Höllriegels originelles Mahdi-Epos ist eine literarische Auseinandersetzung mit dem alten Konflikt zwischen dem europäischem Selbstverständnis und dem orientalisch-afrikanischen Fremden.
Die Derwischtrommel geht auf Höllriegels Sudan-Aufenthalt im Jahr 1929 zurück und ist Romanbiografie über eine historische Figur in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, die mit Eindrücken aus dem Khartum der 1920er Jahre untermischt ist. Der charismatische Mahdi - ein von Gott Geleiteter in Mohammeds Nachfolge, Muhammad Achmad aus dem Sudan - versetzte mit seiner religiös-endzeitlichen Massenbewegung und den militärischen Erfolgen über die ägyptischen Provinzgouverneure und die britischen Kolonialgeneräle das imperiale Europa in Angst und Schrecken.
Ein an historische Ereignisse angelehnter epischer Roman über die Indianerkriege und die amerikanische Expansion nach Westen, voller Gewalt und Grausamkeit; ein mythisches Weltuntergangsepos, das das Bild vom Wilden Westen in höllische Dunkelheit taucht. Hauptfigur ist ein vierzehnjähriger Junge, der 1850 nach Texas kommt und sich einer Bande marodierender Exsoldaten, Desperados und Abenteurer anschließt, die Komantschen, Apachen und friedliche Siedler unterschiedslos abschlachten. Einer der gewaltigsten amerikanischen Romane der letzten Jahrzehnte in wunderbarer neuer Ausstattung.