Die Theoriebildung wendet sich wieder einer Sphäre zu, die mangels eines anderen Begriffs weiterhin Natur genannt wird. Solche Erneuerungen einer alten philosophischen Tradition kommen jedoch aus ideengeschichtlichen Zusammenhängen, die das anthropozentrische Erbe der klassischen Naturphilosophie dezidiert nicht antreten wollen, weil es weltanschaulich Kolonialismus und Ressourcenausbeutung den Boden bereitete. Zugleich meldet sich die Natur in Gestalt von Fluten, Dürren, Stürmen auf immer drängendere Weise zurück, und die Menschen lernen sich verstärkt als Erdlinge zu begreifen. Unter diesen Vorzeichen entstanden radikale Gesten der Dezentrierung in terrestrische Konstellationen als neue Formen über Natur nachzudenken.
Philosophie (Thema)
Das Digitale ist ein integraler Teil der Lebenswirklichkeit geworden. Es ist überall und allumfassend. Als Metaverse soll es zukünftig den Übergang zwischen Realität und Virtualität nahtlos gestalten. Doch trotz seiner umfassenden Präsenz ist das Digitale kein einfaches Thema für die Philosophie, zu disperat sind die digitalen Effekte und Phänomene. Diese Einführung in die Philosophie des Digitalen von Gabriele Gramelsberger gibt einen systematischen Zugang zur Struktur und Signatur des Digitalen.
Lateinamerika verortet sich heute politisch als eigenständig, wurde philosophisch jedoch von westlichen Denktraditionen geprägt. Der seit rund dreißig Jahren in Mexiko lebende und arbeitende Philosoph Stefan Gandler zeigt in »Kritischer Marxismus in Mexiko«, wie fruchtbar die Impulse lateinamerikanischer Perspektiven für die Weiterentwicklung internationaler kritischer Gesellschaftstheorie sein können. Die Sozialphilosophen Adolfo Sánchez Vázquez und Bolívar Echeverría, die beide in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts Professoren an der Universidad Nacional Autónoma de México waren, nehmen dabei eine Scharnierstellung ein. Sie begründeten in ihren Hauptwerken eine andere Tradition der Moderne.
Noch - und noch lange - flackerten im Hintergrund die Scheiterhaufen, waren die Juden ihres Lebens nicht sicher und stöhnten die Opfer in den Folterkellern, als das totalitäre System des Mittelalters erste Risse bekam und der Geist nach fast tausendjähriger Pause kraftvoll nach Europa zurückkehrte.
Seit sich der Kapitalismus zum Monopolismus wandelte, also seit etwa 40 Jahren, wird die Geschichte in allen wesentlichen Bereichen radikal umgeschrieben.
In der Zurückweisung eines ideologischen Bescheidwissens und der Verabsolutierung des Rechthabens entwickelte sich die Zerrissenheit bei Albert Camus zur eigenen Zustandsbeschreibung. Die Notwendigkeit des Zweifelns und die Handhabe, politische Bewertungen, wenn sie sich als nicht sicher herausstellen sollten, wieder korrigieren zu können, stellt sich als wesentlich antiautoritär dar und steht gegen eine starre, vereinheitlichende, totalitäre Haltung.Könnte es gerade an seinem Verständnis der Zerrissenheit gelegen haben, dass Camus in der Auseinandersetzung mit seinen politischen Gegenparts aus dem Lager Sartres so weitsichtig argumentiert und gehandelt hat, dass seine Haltungen heute noch Bestand haben?
Der Öffentlichkeit ist Karlheinz Deschner (1924-2014) als Kritiker - der neueren deutschsprachigen Literatur und vor allem der christlichen Kirchen - im Gedächtnis geblieben. Der fünfte Band der Deschner-Edition enthält Texte, welche die philosophischen und weltanschaulichen Grundlagen seines Denkens und seines kritischen Blicks auf die Welt ausführlich darlegen.Sie zeigen einen "unheilbar" skeptischen Autor, für den die sogenannten letzten Fragen offen bleiben; einen Humanisten, der die Perspektive der Unterdrückten und Geschundenen einnimmt; einen Intellektuellen, der an jeder Formulierung so lange feilt, bis sein Argument eine scharfe Waffe ist.
Marx erkannte: Memselektion auf Herrschaftsbasis erklärt die uns chronisch umgebende Lüge und Gewalt. Genau für diese Erkenntnis, ausgedrückt im Vokabular seiner Zeit - und für seine ungeliebte, weil Ordnung in der Wirtschaftswissenschaft herstellende Erweiterung der Smith-Ricardo'schen "Wertlehre" auf die käufliche Arbeitskraft - wurde und wird Marx gehaßt und entstellt, werden andererseits seine störenden "philosophischen Eierschalen", aus denen er und Engels schlüpfen mußten, gönnerhaft verhimmelt und breitgetreten. Aber stimmt seine Selektionstheorie der Meme überhaupt - und wie weit?
Nach der Vernichtung des »Ostblocks« durch atomare Umzingelung und eigene Mängel wurde Marx öffentlich nur angepöbelt; mit der seither eingetretenen ungefähren Halbierung des Lebensstandards im klassischen Westblock will man seinen Namen wieder eher hören. Aber ist seine Lehre im Kern nun stichhaltig oder nicht, »veraltet« oder mit den seriösen Teilen der modernen Wissenschaft vorzüglich vereinbar, wenn auch stellenweise präzisierungsbedürftig? Ohne das Schielen auf Staatsposten und vorgegebene Mehrheiten läßt sich diese Frage durchaus sachlich beantworten, in Hoevels' neuem Werk besonders unerschrocken.
Sind es Ahnen, die die Luft schwer machen, sich um die Insel drangen? In Gestalt von Menschen, Wolken, Winden, Fischen, Vogeln der Berge, Vogeln der Küste, Zugvogeln und Hochseevogeln, die zum Flirten, Eierlegen und Rasten nach Hawaii kommen und sich wieder zurückziehen aufs offene Meer?
Die Anleitungen der Vorfahren beschäftigt sich mit der eigenen geistigen und materiellen Vorgeschichte: also Kolonisationsverbrechen. In Hawaii und zuhause - also wo? In den Büchern?
Die vorherrschende europäische Sicht auf die Moderne gilt Enrique Dussel als provinzielle Illusion, als Träumerei der deutschen Romantik. Europa erklärte sich zum Mittelpunkt und Ziel einer vernünftigen Fortschrittsgeschichte, die Moderne zu einem intra-kontinentalen Phänomen und die eigene Philosophie zur Philosophie überhaupt. Aber seit der Eroberung Lateinamerikas 1492 ist dem modernen Weltsystem der Kolonialismus eingeschrieben. Die Kolonialität ist der blinde Fleck der europäischen Philosophie. In drei Texten zu Descartes, zur Kritischen Theorie und zum Verständnis der Moderne als Transmoderne und Interkulturalität exemplifiziert Dussel die Ansatzpunkte der lateinamerikanischen Philosophie der Befreiung.