Der zweite kalte Krieg
Zur Geopolitik und strategischen Dimension der USA

Die Geopolitik und strategische Dimension der US-amerikanischen Außenpolitik unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama steht im Zentrum dieser Argumentation des brasilianischen Politikwissenschaftlers und Historikers Luiz Alberto Moniz Bandeira. Der Autor eröffnet in seiner Monografie ein politisch-historisches Panorama und analysiert den Einfluss der USA auf historische und politische Prozesse in der Welt seit den 2000er Jahren.

ISBN 978-3-658-09413-3 29.07.2016 54,99 € Portofrei Bestellen (Buch | Softcover)

USA, Geopolitik, Rebellionen im Überblick.- Das geopolitische Great Game von Eurasien bis Nordafrika.- Der zweite Kalte Krieg - ein Anfangspanorama.- Der zweite Kalte Krieg im Zeichen von Öl und Gas.- Von Bushs freedom agenda zu den bunten Revolutionen.- Die NATO-Osterweiterung bis an die Grenzen Russlands.- Die Xinjang-Frage und Washingtons China-Politik.- Die Irak-Invasion - erklärte und latente Absichten.- Militärische Besetzung des Mittleren Ostens, Wirtschaftskrise.- USA, Afghanistan, Irak: Wirtschaftszwang und Tragödie.- Technologische (Drohnen-)Kriegsführung als Ausweg.- Der Drohnenterror in Pakistan.- Aufstand in Tunesien, sunnitische Rebellen, Geldgeber.- Aufstand in Libyen - Nation aus Volksstämmen.- Auf Gaddafis Entgegenkommen folgt die Intervention.- USA und NATO geeint im Kampf um globale Führungsrolle.- Humanitäre Intervention und die Frage der Glaubwürdigkeit.- Von Tunesien bis Saudi-Arabien: innerislamische Gefechte.- Der antiwestliche Terrorkrieg in Nordafrika.- Syriens Aufstand: Vom kalten zum heißen Revolutionskrieg.- Real- und Psychokrieg im Schlüsselland Syrien.- Großsyrien - das Endzeit-Szenario der Dschihadisten.- Globale Machtverschiebung und militärisches Outsourcing.- Großisrael, Israel und Palästina.- Israels Verwundbarkeit und das iranische Atomprogramm.- Israel am Vorabend der Apokalypse?.- Arabischer Frühling: Chaos- und Terrordemokratie.

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Inhaltsverzeichnis

Der zweite Kalte Krieg: Eine geopolitische Analyse der globalen Konflikte

Zusammenfassung

Dieses Briefing-Dokument fasst die Kernthesen des Werks „Der zweite Kalte Krieg“ zusammen, das argumentiert, dass die globalen Konflikte des frühen 21. Jahrhunderts die Manifestation eines neuen Kalten Krieges sind, der von den Vereinigten Staaten initiiert wurde. Das primäre Ziel der USA ist die Aufrechterhaltung ihrer globalen Hegemonie gegenüber aufsteigenden Mächten, insbesondere dem postsowjetischen Russland und der Volksrepublik China. Die treibenden Kräfte hinter dieser Konfrontation sind sowohl geopolitischer als auch geoökonomischer Natur, wobei die Kontrolle über die riesigen Erdöl- und Erdgasreserven Eurasiens und des Nahen Ostens sowie deren Transportrouten von zentraler Bedeutung ist.

Die US-Strategie zur Sicherung ihrer Vormachtstellung stützt sich auf eine Vielzahl von Methoden:

  • Militärische Interventionen: Direkte Invasionen (Afghanistan, Irak) und NATO-geführte Operationen unter dem Deckmantel „humanitärer Interventionen“ oder der „Schutzverantwortung“ (Jugoslawien, Libyen), die in der Praxis auf einen Regimewechsel abzielen.
  • Subversion und Regimewechsel: Die systematische Förderung von „bunten Revolutionen“ (z. B. in Serbien, Georgien, Ukraine) durch den Einsatz von NGOs wie NED, USAID und George Soros' Open Society Foundation, wobei die Strategien des gewaltfreien Widerstands von Gene Sharp als Blaupause dienen.
  • Proxy-Kriege: Die Finanzierung, Ausbildung und Bewaffnung von Stellvertreterkräften, um geopolitische Gegner zu bekämpfen. Beispiele hierfür sind die Unterstützung der Mudschaheddin gegen die Sowjetunion in Afghanistan, was zur Institutionalisierung des internationalen Terrorismus beitrug, sowie die Unterstützung separatistischer Gruppen in China (Xinjiang) und bewaffneter Rebellen in Syrien.
  • NATO-Osterweiterung: Die systematische Ausdehnung der NATO bis an die Grenzen Russlands, entgegen früherer Zusicherungen, um Russland strategisch einzukreisen.
  • Technologische Kriegsführung: Unter der Regierung Obama eine verstärkte Verlagerung hin zu verdeckten Operationen, die von Spezialeinheiten (JSOC) und mittels Drohnentechnologie (kill/capture-Programme) geführt werden, um einen permanenten, kostengünstigeren Kriegszustand aufrechtzuerhalten.

Die Konsequenzen dieser Politik sind tiefgreifend und oft kontraproduktiv. Anstatt Stabilität zu schaffen, führen die Interventionen zur Destabilisierung ganzer Regionen, zur Entstehung „gescheiterter Staaten“ (Irak, Libyen), zum Aufstieg radikalislamistischer Kräfte und zu unermesslichen menschlichen und wirtschaftlichen Kosten. Das Werk stellt fest, dass der sogenannte „Arabische Frühling“ weniger eine spontane demokratische Bewegung als vielmehr eine von externen Akteuren beeinflusste Serie von Aufständen war, die oft in Chaos oder die Machtübernahme durch fundamentalistische Gruppen mündeten. Das Streben der USA nach globaler Vormachtstellung untergräbt das Völkerrecht, führt zur Privatisierung der Kriegsführung durch Söldnerfirmen und hat die US-Wirtschaft durch immense Kriegskosten erheblich geschwächt, was zur globalen Finanzkrise von 2008 beitrug.

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1. Die Geopolitische Grundlage: Hegemonie und Energieressourcen

Die amerikanische Außenpolitik basiert auf klassischen geopolitischen Theorien, die darauf abzielen, die Entstehung einer konkurrierenden Hegemonialmacht in Eurasien zu verhindern.

  • Theoretischer Rahmen: Die Strategien sind von den Theorien Halford Mackinders (Kontrolle des eurasischen „Heartland“) und Nicholas Spykmans (Eindämmung durch Kontrolle des „Rimland“) geprägt. Zbigniew Brzezinski adaptierte diese Ansätze, um die USA als dominante Macht auf dem „geopolitisch bedeutsamen“ eurasischen Kontinent zu positionieren.
  • Strategisches Ziel: Ein Schlüsseldokument, die „Defense Planning Guidance“ von 1992, formuliert das Ziel, die USA als „permanente unilaterale Supermacht“ zu etablieren, die das Aufkommen jeglicher Rivalen in Europa, Asien oder auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion verhindert.
  • Geoökonomie der Energie: Die Kontrolle über Erdöl- und Erdgasressourcen sowie deren Pipelinerouten wird als Frage der nationalen Sicherheit für die USA definiert. Dies motivierte Interventionen in Zentralasien (Kaspisches Meer), Afghanistan (Transitrouten), dem Irak und Libyen. Chinas wachsender Energiebedarf verschärft diesen Wettbewerb zusätzlich.

2. Die US-Strategie des Regimewechsels und der Subversion

Die USA setzen eine Reihe von offenen und verdeckten Methoden ein, um ihnen feindlich gesinnte Regierungen zu destabilisieren und zu stürzen.

2.1 „Bunte Revolutionen“ und die Rolle von NGOs

Unter der Doktrin der „Freedom Agenda“ von Präsident George W. Bush wurde eine Politik des Regimewechsels durch die Anstiftung von Volksaufständen perfektioniert.

  • Akteure der Subversion: Organisationen wie das National Endowment for Democracy (NED), USAID, das Open Society Institute (OSI) von George Soros und Freedom House spielen eine zentrale Rolle bei der Finanzierung, Ausbildung und Koordination von Oppositionsgruppen.
  • Die Blaupause von Gene Sharp: Die Schriften von Professor Gene Sharp über gewaltfreien Widerstand (political defiance) dienen als strategisches Handbuch. Ziel ist es, durch Proteste, Streiks und Boykotte die Machtgrundlagen eines Regimes zu unterminieren und durch das Provozieren staatlicher Gegenreaktionen die Regierung zu diskreditieren.
  • Beispiele:
    • Serbien (2000): Unterstützung der Gruppe OTPOR! gegen Slobodan Milošević.
    • Georgien (2003, „Rosenrevolution“): Finanzierung der Oppositionsgruppe KMARA und Sturz von Eduard Schewardnadse.
    • Ukraine (2004, „Orangene Revolution“): Unterstützung der Organisation PORA und des Kandidaten Wiktor Juschtschenko.
    • Kirgistan (2005, „Tulpenrevolution“): Beratung der Opposition durch georgische Aktivisten und Finanzierung durch NGOs.

2.2 Proxy-Kriege und die Instrumentalisierung des Islamismus

Die USA und ihre Verbündeten nutzen radikalislamische Gruppen wiederholt als Stellvertreter, um geopolitische Gegner zu bekämpfen.

  • Afghanistan (1979–1989): Im Rahmen der „Operation Cyclone“ bewaffneten und finanzierten die CIA, der pakistanische Geheimdienst (ISI) und Saudi-Arabien die Mudschaheddin gegen die Sowjetunion. Dies wird als die Institutionalisierung des Terrorismus im Großmaßstab beschrieben. Brzezinskis Konzept eines „grünen Gürtels“ (green belt) zielte darauf ab, den Islamismus gegen den Kommunismus auszuspielen.
  • China (seit den 1990ern): Die CIA förderte die uigurische Separatistenbewegung (ETIM) in der strategisch wichtigen und rohstoffreichen Region Xinjiang, um China zu destabilisieren. Uigurische Militante wurden in Lagern in Afghanistan ausgebildet.
  • Libyen und Syrien: Während des „Arabischen Frühlings“ wurden radikalislamische Gruppen, darunter die Libysche Islamische Kampfgruppe (mit Al-Qaida-Verbindungen) und die Jabhat al-Nusra in Syrien, von den USA, der NATO und den Golfmonarchien (Katar, Saudi-Arabien) mit Waffen, Geld und Logistik unterstützt, um die Regime von Gaddafi und Assad zu stürzen.

3. Militärische Interventionen und die Aushöhlung des Völkerrechts

Die USA und ihre NATO-Verbündeten setzen militärische Gewalt oft unter Umgehung oder durch manipulative Auslegung des Völkerrechts ein, um ihre strategischen Ziele zu erreichen.

  • NATO-Osterweiterung: Die schrittweise Aufnahme ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten in die NATO wird als Bruch der Zusagen an Michail Gorbatschow und als gezielte Einkreisung Russlands dargestellt, was Putins konfrontative Reaktion provozierte.
  • Der Irak-Krieg (ab 2003): Die Invasion basierte auf dem nachweislich falschen Vorwand, Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen. Die eigentlichen Ziele waren die Kontrolle der irakischen Ölreserven und die Etablierung einer pro-westlichen Regierung im Herzen des Nahen Ostens. Das Ergebnis war ein gescheiterter Staat, ein Aufflammen des sektiererischen Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten und eine Stärkung des regionalen Einflusses des Iran.
  • Afghanistan (ab 2001): Der Krieg wurde bereits vor den Anschlägen vom 11. September geplant, mit dem Ziel, die Energierouten in Zentralasien zu kontrollieren. Die Intervention endete in einem militärischen und politischen Debakel, das an die sowjetische Niederlage erinnert und durch den massiven Anbau von Opium weiter kompliziert wird.
  • Libyen (2011): Die UN-Resolution 1973, die eine Flugverbotszone zum Schutz von Zivilisten vorsah, wurde als Mandat für einen umfassenden Luftkrieg zum Sturz von Muammar al-Gaddafi missbraucht. Die NATO agierte offen als Luftwaffe der Rebellen, zu denen auch bekannte Dschihadisten zählten. Bodentruppen aus Katar, Großbritannien, Frankreich und den USA waren verdeckt im Einsatz. Das Ergebnis war der Kollaps des Staates, ein andauernder Bürgerkrieg zwischen Stammesmilizen und die unkontrollierte Verbreitung von Waffen in der gesamten Sahelzone.

4. Die Akteure im „Great Game“

Der zweite Kalte Krieg ist ein komplexes Geflecht aus Allianzen und Rivalitäten, in dem verschiedene Akteure ihre Interessen verfolgen.

  • USA: Trotz ihrer Position als einzige Supermacht sind die USA durch immense Kriegskosten wirtschaftlich geschwächt und innenpolitisch gespalten. Die Regierung Obama setzte die grundlegende Politik von Bush fort, verlagerte den Fokus aber stärker auf Drohnenkriege, Spezialeinheiten und „Schattenkriege“ (shadow wars).
  • Russland und China: Als aufsteigende Mächte widersetzen sie sich aktiv der US-Hegemonie. Sie nutzen ihr Veto im UN-Sicherheitsrat (Syrien), bauen ihre militärischen Kapazitäten aus und stärken ihren Einfluss in ihren jeweiligen Regionen.
  • Saudi-Arabien und Katar: Diese sunnitischen Golfmonarchien sind einerseits wichtige US-Verbündete, andererseits die Hauptfinanziers des globalen Wahhabismus und Salafismus. Sie unterstützen radikale sunnitische Gruppen (inklusive Al-Qaida-naher Fraktionen in Syrien), um den Einfluss des schiitischen Iran zurückzudrängen.
  • Iran: Als führende schiitische Macht in der Region ist der Iran der Hauptgegner für Saudi-Arabien, Israel und die USA. Sein Atomprogramm steht im Zentrum der Konfrontation, wobei das Land wiederholt betont, keine Atomwaffen anzustreben.
  • Israel: Verfolgt eine aggressive Politik zur Sicherung seiner regionalen Überlegenheit. Der ungelöste Konflikt mit den Palästinensern, die fortgesetzte Siedlungspolitik und die wiederkehrenden Militäroperationen im Gazastreifen tragen maßgeblich zur Instabilität der Region bei. Die Regierung Netanyahus wird als treibende Kraft für eine militärische Konfrontation mit dem Iran dargestellt.
  • Türkei: Unter Erdogan verfolgt das Land neo-osmanische Ambitionen und spielte eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung der syrischen Opposition, indem es seine Grenze als logistische Basis und Rückzugsraum für Rebellen öffnete.

5. Konsequenzen und Ausblick: Ein Zeitalter der Instabilität

Die im Werk beschriebene US-Politik hat eine Welt des permanenten, asymmetrischen Konflikts geschaffen, deren Folgen tiefgreifend und langfristig sind.

  • Der Aufstieg des radikalen Islamismus: US-Interventionen schaffen Machtvakuen, die von radikalen Gruppen wie Al-Qaida und ihren Ablegern gefüllt werden. Paradoxerweise kämpfen die USA oft an der Seite von Kräften, die sie an anderer Stelle als Terroristen bekämpfen.
  • Die Privatisierung des Krieges: Die massive Auslagerung militärischer und logistischer Aufgaben an private Militärunternehmen (PMCs) wie Halliburton (KBR) und Blackwater (Academi) hat die Kriegsführung zu einem äußerst lukrativen Geschäft gemacht, das von Korruption und mangelnder Rechenschaftspflicht geprägt ist.
  • Wirtschaftliche und soziale Kosten: Die Kriege in Afghanistan und im Irak haben die USA Schätzungen zufolge bis zu 4 Billionen US-Dollar gekostet. Diese immense Staatsverschuldung trug maßgeblich zur Finanzkrise 2008 bei und verschärfte die soziale Ungleichheit innerhalb der USA.
  • Glaubwürdigkeitsverlust: Durch die Anwendung von Doppelmoral, die Verletzung des Völkerrechts und Kriege auf Basis von Lügen (Irak) haben die USA ihre internationale Glaubwürdigkeit und ihren Einfluss erheblich geschwächt.
  • Fazit: Das Buch schließt mit der Feststellung, dass das Streben der USA nach „Überlegenheit auf allen Ebenen“ (full-spectrum dominance) nicht zu einer stabileren Weltordnung, sondern zu einem Zustand des globalen Chaos und eines neuen, gefährlichen Kalten Krieges geführt hat. Die Rebellionen des „Arabischen Frühlings“ haben keine funktionierenden Demokratien hervorgebracht, sondern entweder Chaos, Bürgerkriege oder die Machtübernahme durch islamistische Kräfte, was die Region weiter destabilisiert hat.

Erstellt: 13.10.2016 - 22:28  |  Geändert: 05.10.2025 - 04:02

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