Die innere Kolonie
Vor hundert Jahren wurde Frantz Fanon geboren, der die ideologischen Mechanismen des Kolonialsystems zu sehen lehrte. Der Psychiater Frantz Fanon (1925–1961) konnte die algerische Revolution denken, weil er kein Algerier war. Er galt, wie Jean-Paul Sartre schrieb, als der »Schwarze unter weißen Moslems«. Gerade dass er fast überall ein Fremder war, ließ ihn Widersprüche erkennen, die andere gern übersahen.
Wie die Crème der antikolonialen Denker – Aimé Césaire, Édouard Glissant, Stuart Hall – stammte auch Fanon von den Antillen, nämlich von Martinique. Das Leben auf den Antillen wurde nicht von Apartheid, sondern von Kreolisierung bestimmt. Manche, die schwarze Vorfahren hatten, traten in den Dienst der Plantagenbesitzer oder des imperialen Staates, das galt für die Väter von Césaire, Fanon, Glissant und Hall gleichermaßen. Fanons Vater war ein kleiner Beamter in Fort-de-France, der Hauptstadt von Martinique, die Mutter, eine »métisse«, hielt nach dem frühen Tod ihres Mannes die Familie mit einem Krämerladen über Wasser. Sie gaben dem Jungen, den elsässischen Vorfahren der Mutter zu Ehren, einen deutschen Vornamen, Frantz.
Von Stefan Ripplinger Junge Welt 19.07.2025
Verdammte dieser Erde und angebliche Normalität
Wie entsteht Gewalt? Die fast vergessenen Theorien Frantz Fanons könnten Antworten geben. Von Sabine Kebir nd 23.11.2002