SRF Kultur Sternstunden (Medienpräsenz)

58:03

Richard Sennett gehört zu den wichtigsten Intellektuellen unserer Zeit. Im Zentrum seines Denkens steht der Mensch und die Frage, was der Kapitalismus, die heutige Arbeitswelt und die zunehmende Verstädterung aus uns machen. Yves Bossart hat den weltbekannten Soziologen in Berlin getroffen.

Eigentlich wollte er Musiker werden. Doch dann missglückte eine Operation an der linken Hand. Heute gehört Richard Sennett zu den einflussreichsten Intellektuellen weltweit. In seinem Bestseller «Der flexible Mensch» zeigte der in London und New York lebende Soziologe, wie sich prekäre Arbeitsbedingungen auf den Charakter des Menschen auswirken. In seinen Büchern «Handwerk» und «Zusammenarbeit» fragte er, was gute Arbeit ist und wie wir den sozialen Zusammenhalt stärken können. Und sein aktuelles Buch «Die offene Stadt» untersucht, wie Städte aussehen müssen, damit soziale Durchmischung gelingt und ein gutes Leben möglich ist. Yves Bossart spricht mit dem 75-jährigen Meisterdenker über sein bewegtes Leben und die Grundzüge seines Werks.

Die Menschheit steht vor dem Kollaps, meint Graeme Maxton. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe fordert der Ökonom und ehemalige Generalsekretär des «Club of Rome» drastische Massnahmen, mehr Verbote und weniger Wachstum. Yves Bossart fragt, wie das gehen soll und warum uns das so schwerfällt.

Der schottische Ökonom Graeme Maxton war bis vor kurzem Generalsekretär des «Club of Rome», mit Sitz in Winterthur. Dieser Zusammenschluss von Experten beschäftigt sich seit 50 Jahren mit Fragen der Nachhaltigkeit und der Zukunft der Menschheit. Bereits 1972 wiesen Forscher auf die «Grenzen des Wachstums» hin und forderten ein Umdenken. Vergeblich, meint Graeme Maxton.

Nun bleiben uns noch zwanzig Jahre, um die Menschheit vor dem Untergang zu retten. Doch dazu müssen wir ab sofort unser Wirtschaftssystem, unseren Lebensstil und unsere Werte radikal ändern. Es braucht weniger Wirtschaftswachstum, dafür mehr Steuern und Verbote für umweltschädigendes Verhalten, meint Maxton in seinem neuen Buch «Change. Warum wir eine radikale Wende brauchen».

Muss man die Menschheit also zum Überleben zwingen? Und wie sähe eine nachhaltige menschliche Lebensform aus? Yves Bossart spricht mit dem streitbaren Ökonomen über die derzeit wohl grösste Herausforderung der Menschheit.

Armen Avanessian denkt gegen den Strom. Im Namen der Freiheit und Gleichheit setzt er auf eine radikale Beschleunigung unserer Lebensverhältnisse. Der zeitgenössischen Linken wirft er Zukunftsangst und Technologieblindheit vor. Wolfram Eilenberger spricht mit dem Berliner Avantgarde-Philosophen über Zeit, Beschleunigung, Digitalisierung und unserer Zukunft. 

Der Anthropologieprofessor und Anarchist David Graeber sagt der Bürokratie den Kampf an. Zum Tag der Arbeit verwickelt Stephan Klapproth den Vordenker der Occupy-Bewegung in ein Gespräch über überflüssige Jobs, schädlichen Amtsschimmel und die Frage, ob wir ohne Staat besser leben würden. Bringt uns die Bürokratie ins Grab?

Der Psychoanalytiker und Schriftsteller Arno Gruen publiziert auch noch mit über neunzig Jahren Buch um Buch. Ob er über Terrorismus schreibt oder wider blinden Gehorsam – stets geht es Gruen darum, dass der Mensch zu sich und zu seinen wahren Gefühlen findet. Mit Arno Gruen spricht Juri Steiner.

Mit Nachdruck und Engagement argumentiert der 1923 in Berlin geborene und in Zürich lebende Arno Gruen gegen jede Form von Knechtschaft und für das freie Fühlen und Denken.

Juri Steiner fragt ihn, was normal ist, wie man geistige Unabhängigkeit fördern und Freiheit verteidigen kann. Arno Gruen erzählt von Elternliebe, dem Mut des Alters, der Schönheit der Literatur und seiner Freundschaft zum amerikanischen Autor Henry Miller.

Alles, was lebt, kann fühlen und leiden: Was indigene Völker seit je leben, findet zunehmend Eingang in die Wissenschaft. Wir müssen uns – auch zur Rettung des Klimas – wieder darauf besinnen, sagen der Philosoph Andreas Weber, der Forstingenieur Ernst Zürcher und die Schamanin Saskia Middendorp.

00:45 - Ernst Zürcher, Professor für Holzwissenschaften
19:03 - Saskia Middendorp, Schamanin
28:05 - Andreas Weber, Philosoph und Biologe

Die Plastikberge wachsen, die Gletscher schmelzen, Bäume und Wälder sind bedroht. Was es braucht, um dieser fatalen Entwicklung entgegenzusteuern, ist ein radikal neues Verhältnis zur Natur – und ihrer Seele. Eine Gegenseitigkeit zwischen allen Wesen tue not, so Andreas Weber. Die Anerkennung des Waldes als Gesamtorganismus, bestehend aus unzähligen Lebewesen, die allesamt fühlen können und in konstanter Kommunikation miteinander stehen, sei ein Schlüssel für ein neues Weltbild, ist sich auch Ernst Zürcher sicher. Und die Schamanin Saskia Middendorp ist überzeugt, dass jeder Mensch die Trennung zwischen der sichtbaren und energetischen Welt überwinden kann.

Doch wie können wir uns wieder in die Natur eingliedern? Wie kommunizieren Bäume untereinander und mit uns Menschen? Worin gleichen sich Mensch und Pflanzen? Haben Pflanzen ein Bewusstsein? Und wenn ja, wie äussert sich das? Was können wir von den Pflanzen lernen?

Olivia Röllin sucht mit dem Forstingenieur Ernst Zürcher und der Schamanin Saskia Middendorp in der Verenaschlucht bei Solothurn und im anschliessenden Studiogespräch mit dem Philosophen und Biologen Andreas Weber nach Antworten.
 

Die Plastikberge wachsen, die Gletscher schmelzen, Bäume und Wälder sind bedroht. Was es braucht, um dieser fatalen Entwicklung entgegenzusteuern, ist ein radikal neues Verhältnis zur Natur – und ihrer Seele. Eine Gegenseitigkeit zwischen allen Wesen tue not, so Andreas Weber.

Eugen Drewermann zählt zu den umstrittensten und gleichzeitig bekanntesten Theologen im deutschen Sprachraum. Der 80-Jährige schaut als Kirchenkritiker und ehemaliger Priester auf ein bewegtes Leben zurück. Bis heute orientiert er sich am Einzelnen, die Institution hat das Nachsehen.

Dass der Mensch doch endlich frei werde von seinen Ängsten, das gehört zu Drewermanns grössten Anliegen und seinen intensivsten Bemühungen. Bis heute. Und bis heute fährt er gut damit, denn Drewermann ist ausserhalb der römisch-katholischen Kirche ein viel gefragter Redner und eifriger Autor. Für die Institution Kirche ist er zeit seines Lebens unbequem – nicht zuletzt, weil er sich und seinen Analysen trotz aller Disziplinierungsmassnahmen stets treu blieb.

Es war 1991, als ihm der Erzbischof von Paderborn die kirchliche Lehrerlaubnis entzog. Ein Jahr später wurde er gar vom Priesteramt suspendiert. Mit seinen Analysen und Glaubenssätzen stehe Drewermann in direktem Widerspruch zur offiziellen Lehre, so das damalige Votum. Trotzdem trat Drewermann erst mit 65 Jahren aus der Kirche aus. Weshalb?

Im Gespräch mit Olivia Röllin schaut er zurück in seine Kindheit, erzählt von den einschneidendsten Erlebnissen, beschreibt, weshalb Dostojewski ihm das Leben rettete und erklärt, weshalb Psychotherapie und Zuwendung besser sind als Strafe.

Sternstunde Religion vom 22.11.2020

Douglas Rushkoff zählt zu den einflussreichsten Intellektuellen der Welt und hat Begriffe wie «digital Natives» oder «virale Medien» geprägt. Im Gespräch zeigt er auf, wie das Internet von einer Vision digitaler Basisdemokratie zu einem von Tech-Milliardären dominierten Markt werden konnte.

Themen in dieser Folge:
00:00 Was ist aus der damaligen Utopie des Internets geworden?
14:13 Hat Douglas Rushkoff gemerkt, dass etwas gekippt ist?
22:30 Das Mindset der Tech-Milliardäre
42:10 Die Hoffnung, sich von der selbst verursachten Apokalypse zu retten

In den frühen 1990er-Jahren erträumten sich digitale Pioniere wie Douglas Rushkoff das Internet als machtfreien Ort, der allen Zugang zu Informationen bieten würde, wo man sich untereinander frei austauschen könnte. Doch statt globaler Vernetzung und barrierefreier Bildung machten Unternehmen wie Google, Amazon, Facebook oder Apple aus dem offenen Netzwerk immer mehr einen von wenigen Akteuren dominierten Markt. Für Douglas Rushkoff, der heute an der New York Public University Medientheorie lehrt und vom Massachusetts Institute of Technology zu den zehn einflussreichsten Intellektuellen weltweit gekürt wurde, steckt hinter diesem Umschlagen ins Gegenteil eine spezifische Ideologie: Leitfiguren des Silicon Valley wie Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Peter Thiel kennzeichneten sich durch ein spezifisches «Mindset», einer Art Doktrin des genial begabten Übermenschen, der Normalsterbliche hinter sich lässt und sich blind auf das Lösen von Problemen durch Technologie verlässt. In seinem Buch «Survival of the Richest» beschreibt Douglas Rushkoff zudem, wie Tech-Oligarchen sich luxuriöse Bunker bauen, in die sie im Falle des mitverursachten Systemkollapses fliehen können.

Wolfram Eilenberger fragt den Digital-Vordenker, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte, und er blickt mit ihm auf die aktuelle Entwicklung und nähere Zukunft, wo sich durch die Allianz von Donald Trump mit Elon Musk politische Macht und Technik noch mehr verbinden und sich eine radikale Neugestaltung der Gesellschaft ankündigt

250 Jahre nach der Geburt des deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel fragt Yves Bossart die Hegel-Expertin Dina Emundts: Wer war dieser Hegel? Was wollte er mit der Dialektik? Und wozu braucht man seine Theorien heute noch?

Die Weltgeschichte ist ein von Widersprüchen vorangetriebener Fortschrittsprozess. Das Ziel: Die Verwirklichung von Vernunft und Freiheit. So sah es der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Fragt sich nur: Ist die Gesellschaft schon da? Was bleibt von Hegel, 250 Jahre nach seiner Geburt? Wie würde er die Gegenwart in Gedanken fassen? Konkret: Wie stünde er zum Lockdown während der Corona-Pandemie? Hegel war kein Freund von Einschränkungen, sagt die Philosophin und Hegel-Expertin Dina Emundts. Es gäbe aber noch einen zweiten Punkt bei Hegel, nämlich dass diese individuellen Freiheiten letztlich nur realisiert werden können, und auch letztlich nur Bestand haben, wenn sie eingebettet sind in ein System oder in einen Staat, der das Allgemeinwohl im Blick hat.