Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer

Am 20. August 1947 endete in Nürnberg der sogenannte Ärzteprozess. Angeklagt waren Mediziner, die in der Nazi-Zeit Menschen wie Laborratten behandelt hatten. Ernst Klee, Autor des Standardwerkes »Euthanasie« im NS-Staat, schildert Karrieren von Medizinern, die Patienten, Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge zu Menschenversuchen missbrauchten und nach 1945 unangefochten (wieder) angesehene Universitätskatheder bzw. lukrative Chefsessel von Pharma-Unternehmen übernahmen.
Klee belegt, dass die Elite der deutschen Medizin von den Verbrechen wusste oder daran beteiligt war. Das Personenregister des Buches enthält mehr als tausend Namen.
Klee beschreibt anhand neuer Quellen das System der medizinischen Forschung und der konkurrierenden Organisationen: das SS-Sanitätswesen, das SS-Ahnenerbe, die Wehrmacht und die Kaiser-Wilhelm-Institute (heute Max-Planck-Gesellschaft). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierte die meisten Medizinverbrechen der Nazizeit.
Ausführlich dokumentiert wird die Rolle der Pharmaindustrie. Ein Mitarbeiter der IG Farben Bayer Leverkusen, der als KZ-Arzt eingesetzt war, »erprobte« in drei Konzentrationslagern Präparate seines Hauses.
Breit dokumentiert wird die Rolle der Wehrmacht und ihrer medizinischen Forschungsinstitute. So wurden z.B. in Auschwitz tödliche Testreihen unternommen, um Deserteure, die mit Selbstbeschädigungen dem Krieg entkommen wollten, erkennen zu können.
Klee beschreibt die Rolle der KZ-Ärzte. Er veröffentlicht erstmals eine Namensliste von KZ-Medizinern, von denen viele nach dem Krieg als praktische Ärzte tätig wurden.
Rezensionen
NS-Medizin und ihre Opfer. Ausführliche Rezension von Karin Orth werkstattgeschichte.de 2017/1
Menschenversuche. Eine erschütternde Darstellung mit einem unpassenden Unterton. Viele der beschriebenen "Versuche" und die Leiden, die den Opfern zugefügt wurden, rauben einem wegen der unfaßbaren Grausamkeiten, denen die Opfer ausgesetzt waren, den Schlaf. Um wissenschaftliche Experimente ging es dabei ohnehin zumeist nur vordergründig, vielmehr um sinnlose Menschenquälereien. Von Udo Schumacher FAZ 27.10.1998
Autoreninfos
Erstellt: 05.10.2025 - 08:37 | Geändert: 05.10.2025 - 09:48