Politische Justiz gegen Kommunisten von 1945-1968
- "Politische Justiz" (PJ): wenn gerichtsförmige Verfahren politischen Zwecken dienstbar gemacht werden. Ein polit. Prozess wird dadurch unmittelbar zu einem Faktor im Kampf um politische Macht.
- PJ → politisch-instrumenteller Charakter; beruht auf einem Geflecht subjektiver und intersubjektiver Meinungen, Vorurteile, Einschätzungen und Prognosen, auf politischem Wunschdenken hier mit politischem Angstdenken dort
- PJ → ist Stück Außenpolitik mit undiplomatischen Mitteln
Ausführlich zum Inhalt:
2. Die Politik der KPD von 1945 bis 1968
- Aufgrund bestimmter KPD-Politik → Kommunistenverfolgung
KPD konnte in den Jahren der ersten Nachkriegsnot bis zu 300.000 Mitglieder mobilisieren, bis zum KPD-Verbot (1956) 70.000, in der Illegalität 6-7.000
2.1. Die Politik der antifaschistischen Demokratie (1945-1948)
- Nach Kriegsende wendete sich die KPD mit einem Programm (am 11.06.45) an die Öffentlichkeit, in dessen Rahmen sie die Demokratisierung Deutschlands, die 1848 begann, zu Ende zu führen verlangte. Der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, sei falsch.
- Zu diesem Zweck forderte die KPD die "vollständige Liquidierung der Überreste des Hitler-Regimes", die Wiederherstellung der demokratischen Rechte und Institutionen und die Sozialisierung der Vermögen der Nazi-Bonzen und Kriegsverbrecher sowie die öffentlichen Versorgungsbetriebe - außerdem garantierte die KPD die völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiativen auf der Grundlage des Privateigentums. Verwirklicht sollte dieses Programm durch die Schaffung eines Blocks der antifaschistischen demokratischen Parteien ( Kommunistischen Parteien, SPD, Zentrumspartei, u.a.)
- KPD beteiligt am demokratischen Wiederaufbau Westdeutschlands: war repräsentiert in ALLEN Landesregierungen (außer Schleswig-Holstein und Württemberg-Hohenzollern) bis 1947, teilweise bis Anfang 1948; außerdem in vielen Kommunal- und Landesparlamenten, im Parlamentarischen Rat sowie im ersten Bundestag
- 1945 hatte sie erheblichen Einfluss in Betrieben und Gewerkschaften, vor allem im Ruhrgebiet mit Demos und Streiks für einen antifaschistische demokratische Neuordnung
- 1946 Vereinigung KPD mit SPD zur SED in der SBZ, im Westen geling es nicht wegen Widerstands der SPD
- 1947/48 -> Konzept der KPD, eine antifaschistische Demokratie mit Hilfe einer Einheitsfront, gescheitert, weil die KPD keine Massenbasis besaß. Außerdem waren die Betätigungsmöglichkeiten der Kommunisten in Gewerkschaften durch den Druck der Besatzungsmächte begrenzt.
2.2 Die Politik des nationalen Widerstandes (1948-1956)
- Auf der Herner Konferenz (28.04.48) Änderung der Strategie festgelegt: Trennung von der SED (aber weiterhin praktische Abhängigkeit), da keine Zusammenarbeit mit anderen polit. Gruppen innerhalb und außerhalb der Institutionen möglich, Appell an das Volk, sich gegen die Institutionen zu erheben, um von außen die Politik der KPD aufzuzwingen. Organisierung großer sozialen Bewegungen für den revolutionären Kampf, um eine demokratische Neuordnung schaffen zu können.
- 1948: Bedingungslose Identifizierung mit der KPdSU. These des "besonderen deutschen Wegs zum Sozialismus", wonach der "friedliche Übergang zur sozialistischen Umgestaltung" möglich sei, wurde widerrufen.
→ Formulierung (Herner Konferenz) "es gibt keinen friedlichen Weg zum Sozialismus" wurde der KPD später immer wieder zum Beweis ihrer Verfassungswidrigkeit vorgehalten
- Politik der KPD nach 1948. Reflex der Ohnmacht der KPD und außenpolitischen Interessen der Sowjetunion. Da Politik der antifaschistischen Demokratie erfolglos, Mobilisierung der Massen außerhalb der Institutionen als einzige Alternative. Für die Sowejtunion war dies die letzte Chance, das Entstehen eines gegen sie gerichteten westdeutschen Teilstaates innerhalb des US-amerikanischen Bündnisses zu verhindern.
- Wirtschafts- und Sozialpolitik trat zurück zugunsten der Fragen der Wiedervereinigung und der Wiederaufrüstung (bestätigt auf "Münchner Parteitag" von 1951)
- 1949 KPD gegen Spaltung Deutschlands
- Nationale Front (NF) → propagandistische Tätigkeit, u.a. Volksbefragungsbewegung wegen Remilitarisierung Deutschlands. Bundesregierung (Adenauer) verbot Volksbefragungsausschüsse
- 22. Nov. 1951 stellte Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht den Antrag, die KPD zu verbieten.
- 2.11.1952: Programm zur nationalen Wiedervereinigung Deutschlands: KPD stritt Regierung nationale und demokratische Legitimation ab, weil unter Besatzung, Durchsetzung der Interessen der Besatzungsmächte
- Kein Bundestagsmandat mehr ab 1953
- Eintritt in die NATO, KPD bekannte sich zum Widerstandsrecht
- Aufgrund zunehmend aggressiver Sprache schließt sich die KPD selber aus
- Organisation der KPD: unterstützt (logistisch, finanziell, etc.) von der DDR
- Gründe für das Scheitern der KPD:
1. Orientierung an der Sowjetunion, die ein negatives Bild bei der Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung hatte (wegen Stalin, Berlin-Blockade, 17.Juni 53 etc.);
2. Eintreten für die DDR, die wegen ihres geringes Lebensstandards und wegen ihres überwiegend auf offenem Zwang und politischen Fiktionen aufgebauten politischen Herrschaftssystems negativ besetzt war. Bündnisse mit westdeutschen Arbeitern unmöglich, da diese die Verringerung ihres relativen Wohlstandes befürchteten.
3. Fortschreitende ökonomische Aufwärtsentwicklung de BRD - "Wirtschaftswunder"
Dazu noch: Selbstüberschätzung + hybrid-aggressive Sprache. Für einen 'Sturz des Adenauer-Regines' war angesichts der in Bedingungen der Restauration in Westdeutschland keine Basis vorhanden. Weitere Disqualifizierung.
- 1952 Maßnahmen der PJ wurden in größerem Umfang eingesetzt, wodurch die politische Arbeit der KPD erheblich erschwert wurde. Vor Verbot ware die Arbeit der KPD durch Verhaftungen, Verurteilungen, Verbote und Beschlagnahmen starkt behindert.
--> Die Schwäche der KPD ergab sich freilich nicht nur aus diesen Verfolgungen, vielmehr war die Schwäche der KPD auch eine der Bedingungen dafür, dass die KPD verfolgt werden konnte.
- ab 1956 Politik der "friedlichen Existenz", ruhige Sprache, Akzeptanz der "freiheitlichen Rechtsordnung", Sturzaufruf gegen Adenanuer-Regime sei falsch. Widerruf der KPD-Strategie seit 48.
- 17.08.1956 Verbot der KPD. Gründe: KPD würde die freiheitlich-demokr. Grundordnung beeinträchtigen, d.h. "Program der Wiedervereinigung". Allerdings war dieses Programm zu diesem Zeitpunkt förmlich widerrufen, von dessen polit. Strategie hatte sich die KPD abgewendet.
2.3 Politik der KPD in der Illegalität
- In der Illegalität Unterstützung von der DDR. Bereiche: 1. Gewerkschaft, 2. Propaganda, 3. Bündnispartner (SPD). Inhaltliche Arbeit: 1. Antimilitarismus, 2. Propagierung der UdSSR- und DDR-Politik, 3. Versuch, Anerkennung der DDR insb. in der Arbeiterschaft zu wecken, 4. Arbeiterorientierte politische Forderungen, 5. Einsatz für Aufhebung der KPD-Illegalisierung
- Abkehr vom revolutionären Weg, jetzt "friedlicher Weg der sozialistischen Umwälzung". "Achtung des Grundgesetzes", etc. → führte zur Duldung der Nachfolgepartei DKP.
→ Die Arbeit der KPD an sich praktisch unwirksam.
3. Kommunistenverfolgungen von 1945 bis 1951
- Einzige 'Schutzbestimmung': "Hochverrat" (Art. 143 i.d.F. von 1949) wurde kaum angewandt, eher extensive Anwendung der allg. Rechtsvorschriften, insb. des Polizeirechts.
3.1 Maßnahmen der Besatzungsrechte
- "die Allierte Hohe Kommission betonte in einer Erklärung von 1950, sie sei 'nicht gewillt, von kommunistischer Seite angestiftete Aufwiegelung zum Ungehorsam und zum Widerstand gegen ihre Autorität zu dulden'."
- Freiheitsstrafen wegen Aktionen gegen Militarismus, Ausbau der militärischen Besatzung, kommunistischen Zeitungen etc.
3.2 Entfernung der Kommunisten aus dem öffentlichen Dienst
- Bundesregierung mit Beschluss vom 19.09.1950 (u.a. VVN, FDJ, KPD)
3.3 Entziehung öffentlicher Aufträge bei Unterstützung von Kommunisten
- Beschluss der Bundesregierung 27.02.1951 -> zum ersten Mal erwähnt, dass die KPD u.a. "verfassungsfeindlich" sei
3.4 Polizeimaßnahmen gegen kommunistische Demos und Versammlungen
- polizeiliche Demonstrationsverbote, bestätigt durch Gerichte weil FDJ etc. "verfassungsfeindliche Zielsetzung"
3.5 Polizeimaßnahmen gegen kommunistische Propaganda und gegen DDR-Kontakte
- Bayern: Verbot von Plakaten u. Flugblättern mit "verfassungsfeindlichen" Inhalten
- Schikanierung, um Treffen von DDRler und BRDler (FDJ-Treffen, Jugendfestspielen, etc.) zu verhindern
3.6 Verbotserklärungen der Volksbefragungsausschüsse, der FDJ und der VVN durch die Bundesregierung
- Die Bundesregierung fasste 3 weitere Beschlüsse, in denen sie diese 3 wichtigen kommunistischen Organisationen als verfassungswidrig bezeichnete und die Länder aufforderte, gegen sie einzuschreiten
- Begründung: Die Volksbefragung sei von der SED gesteuert und finanziert und ein Mittel darstelle, "um die Bevölkerung des Bundesgebietes für einen kommunistischen Umsturzversuch reif zu machen"
3.7 Besonderheiten der PJ gegen Kommunisten von 1949 bis 1951
- es gab verhältnismäßig viele einander widersprechende Urteile
- "kommunistische Gefahr"
- KPD konnte erheblichen Widerstand entgegensetzen (z.B. indem sie Demos- und Vereinigungsverbote und das Verbot der Volksbefragung ignorierte)
4. Die gesetzlichen Grundlagen von 1951 / 5. Die Struktur der Politischen Justoz (PJ) gegen Kommunisten
- Gesetzgebungsverfahren → Antikommunistische Stoßrichtung des neuen politischen Strafrechts
- Bundesregierung brachte die antikommunistische Tendenz in ihren Stellungnahmen zum Ausdruck
- auch "friedlichen" Weg bekämpfen, d.h. alle möglichen politischen Betätigungen von Kommunisten, egal, ob "Gefahr" real war. "Intention" war Grund genug, d.h. keine freie Meinungsäußerung möglich!
→ Die Möglichkeit eines Missbrauchs des politischen Strafrechts bestand vor allem deshalb, weil fast das gesamte Justizpersonal noch aus der Nazi-Zeit stammte
- Weite Ausdehnung des Bereichs des strafbaren politischen Handeln von Kommunisten. Wurde auch von Juristen erkannt als pervertiert uind Bedrohung der Freiheit (S. 80)
- Hauptzielrichtungen der Politischen Justiz:
1. Systematische Zerschlagung der kommunistischen Organisationen
2. Unterdrückung der propagandistischen und publizistische Tätigkeit der KPD (, um die KPD aus dem politischen Beuwsstsein der westdeutschen Bevölkerung auszuschließen)
3. Vorgehen gegen die Unterstützung der KPD durch die DDR, um politischen Einflüsse aus der DDR abzuschirmen (Verhaftungen, etc.)
→ Die kommunistische Gesinnung wurde nicht als solche bestraft ("Gesinnungsstrafrecht"), sondern 'die Tat, die sich aus dieser Gesinnung wächst'. "Alles, was der Kommunist politisch anpackt, wird verfassungsfeindlich und dadurch wird seine gesamte politisch-soziale Daseinsweise zu einer verfassungswidrigen Existenz schlechthin".
6. Hochverrat und 7. Landesverrat
- auch 'Vorbereitung' zum Hochverrat waren zentrale Tatbestände zur Verfolgung der Sozialdemokraten im Kaiserreich und der Kommunisten in der Weimarer Republik, im Faschismus behandelten die Gerichte die gesamte politische Betätigung von Kommunisten und Sozialdemrokraten als hochverräterisch
- vereinzelte Verurteilungen wegen Hochverrats, zu einer Anklage oder einer Verurteilung wegen der Ausführung eines hochverräterischen Unternehmens kam es überhaupt nicht. Der BGH nahm in insg. 4 Prozessen jedoch Vorbereitung zum Hochverrat und in einigen Fällen die fahrlässige Verbreitung hochverräterischer Schriften an (S. 93).
- bis 1954 neigten die Untergerichte zur These von vor 1945, dass die Kommunisten durch ihre gesamte politische Arbeit den Hochverrat vorbereiteten! These vom permanenten Hochverrat
- Propagierung des Programms der nationalen Wiedervereinigung → Hochverrat
- Streik als Gewalt im Sinner der Hochverratstatbestände
- Landesverrat → fast wörtlich von der Definition von 1934 übernommen!
- Vom 1.9.1951 bis 1963: 16.500 Prozesse wegen "Spionage für den Ostblock"
8. Verbot der kommunistischen Massen- und Bündnisorganisationen
- PJ versuchte vor allem bei der Kommunistenverfolgung einzelne Personen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, um diese politisch zu neutralisieren
- Organisationsverbote, um diese Vereinigungen als "kommunistisch" zu "entlarven" und zu diskreditieren
- Verbot der FDJ am 16.07.1954
- Versuche, die VVN zu verbieten
- VVN: Schwerpunkt der politischen Tätigkeit: Kampf gegen die Remilitarisierung und gegen das Wiederaufleben nazistischer Tendenzen in der BRD
- 1959 kritisierte die VVN den aus der Nazizeit belasteten Bundesminister Oberländer. Möglicher Grund für den Antrag der Bundesregierung am 20.10.1959 beim BverfG, die VVN zu verbieten. Vorsitzender des erkennenden Senats, den Präs. des BVerwG, Prof. Fritz Werner, ehem. Mitglied der SA und der NSDAP, präsidierte im Prozess über die Verfassungsmäßigkeit einer Organisation von Widerstandskämpfern!
- einige Organisationen verboten je nach Bundesland
9. Das KPD-Verbot (am 17.08.1956)
- KPD-Verbot erst fast 5 Jahre nach der Antragstellung
- 'Beweise' für die Verfassungswidrigkeit waren v.a. Auszüge aus der Programmatik, theoretische Erklärungen. Die KPD dagegen versuchte, die Beweisaufnahme auf die politische Wirklichkeit zu heben
- Die KPD-Programmatik sei verfassungsunverreinbar, wegen "Marxismus-Leninismus", "Diktatur des Proletariats"
- Durch das KPD-Verbotsurteil wurde alle politische Betätigung von Kommunisten kriminalisiert: vom Diskussionszirkel bis zur Bundestagskandidatur.
10. Kriminalisierung der kommunistischen Organisationsarbeit
- Sowohl Gruppen als auch Einzelne wurden kriminalisiert
- Strafrechtliche Figur: "kriminelle Vereinigung in verfassungsfeindlicher Absicht"
- Verbot von Ersatzorganisationen
11. Verfolgung der kommunistischen Meinungsäußerungen
- gegen die kommunistische Presse und sonstige Publizistik, vereinzelt gegen Filme und mündliche Äußerungen
- auch gegen aggressive Sprache ("Politik des Schimpfes") → "Verunglimpfungen und Beleidigungen" von Staatsorganen. Die verfassungsfeindliche Absicht wurde grundsätzlich unterstellt
→ Die Form der kommunistischen Äußerungen war Ausdruck ihrer politischen Isolierung
- da Kommunisten von der DDR unterstützt: Auch die Zusendung von politischen Inhalten aus der DDR, z.B. die reguläre DDR-Presse, galt in die BRD als Verstoß gegen das KPD-Verbot!
- Verfolgung mündlicher Äußerungen, z.B. politische Reden, Stammtischgespräche und Trauerreden am Grab eines alten Kommunisten! Ebenfalls wurde jemand bestraft, der am 1. Mai 59 eine rote Nelke oder eine rote Plakette angesteckt hatte (S. 179)!!
- Berufsverbote gegen kommunistische Herausgeber, Redakteure und Journalisten (§42 l StGB)
- Einziehung von kommunistischer Literatur (§§98 Abs. 2, 86 StGB), darunter die gesamte aus der DDR stammende, unter §93 StGB subsumierte Publizistik, v.a. die dortigen Tageszeitungen!
- Kontrolle von Postsendungen aus der DDR, inkl. private Post, Briefe an Abgeordnete etc.
- Kontrolle der Einfuhr von Filmen aus der DDR und den osteuropäischen Ländern
12. Kriminalisierung politischer Kontakte in der DDR
- Vorschriften über "verfassungsverräterische Beziehungen", verfassungsverräterischen Nachrichtendienst und Zuwiderhandlungen gegen das KPD-Verbot
- (eingeladene) DDR-Vertreter wurde immer wieder abgeschoben
- da der DDR die Beeinträchtigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung grundsätzlich unterstellt wurde, bedeutete, dass jeder, der in der DDR Kontakte (Behörden oder Repräsentanten, oder DDR-Bürger, die selber Kontakte zu DDR-Behördern oder -Repräsentanten hatte), 'objektiv' den Tatbestand der "Verfassungsverräterische Beziehungen" erfüllte
- darunter auch: Delegationen z.B. von Gewerkschaftlern in die DDR, Teilnehmer an Fahrten, Besichtigungen, Kongressen, Tagungen mussten mit Ermittlungs- und Strafverfahren rechnen
- auch konnten Sportbeziehungen zur DDR als Verstoß gegen das KPD-Verbot aufgefasst werden, denn auch der "Deutsche Turn- und Sportbund" der DDR galt als Ersatzorganisation für die verbotene KPD!
13. Die Institutionen der Politischen Justiz
13.1 Die Bundesregierung
- Hauptakteur
13.2 der Verfassungsschutz und die Politische Polizei
13.3 die Staatsanwaltschaften
13.4 die Strafgerichte
13.5 sonstige Gerichte
13.6 das Personal der Politischen Justiz
→ zum Zeitpunkt der Publikation wenig veröffentlichtes Material, ansonstens auffällig, dass viele aus der Nazi-Zeit schwer belastet waren, einige mussten aufgrund öffentlicher Kritik ihre Positionen räumen
- größere Anzahl ehem. Nazis war unter den Angehörigen des Verfassungsschutzes und der Polit. Polizei, u.a. frühere Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes, der Gestapo, des SD und der SS. Ihre Mitarbeit wurde damit rechtfertigt, dass man auf ihren Sachverstand nicht verzichten könne! [wirklich keine linken oder 'bürgerlichen' Fachleute?]
- auch Richter der PJ, z.B. waren Mitglieder der NSDAP, Angehörige der nationalsozialistischen Kriegsgerichtsbarkeit und für Todesurteile verantwortlich
- da viele Kommunisten schon in der Nazi-Zeit verfolgt → Parallelen zw. der PJ der BRD und den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen
14. Das Verfahren der politischen Justiz (S. 236ff)
- Zahl der Ermittlungsverfahren
- Von den 10.222 staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen politischer Delinkte im Jahr 1963 richteten sich nur 177, d.h. weniger als 2 %, gegen Rechtsradikale (S. 237)
- Tabelle S. 237
15. Die Sanktionen der PJ
- Grundsatz "nulla poena sine lege" (keine Strafe ohne Gesetz, art. 103, Abs. 22 GG) wurde umgegangen
- der politische Zweck der Sanktionen bestand darin, den Kommunisten die weitere politische Tätigkeit unmöglich zu machen. Dies enthielt auch die Gefährdung der materiellen Existenzgrundlage. Die Folge war, dass die Betroffenen nicht nur politisch gebrochen, sondern auch psychisch zermürbt wurden.
- die unterschiedliche Bedeutung einzelner Tatbestände und die Schwankungen in der Gesamtzahl der Verurteilungen spiegeln verschiedene Phasen der kommunistischen Politik und der Reaktion der staatlichen Behörden darauf wider (S. 277)
- Strafvollzug: Kommunisten gleich wie andere Gefangenen behandelt. Diese Gleichsetzung mit normalen Kriminellen trug dazu bei, die Kommunisten in den Augen der Bevölkerung herabzusetzen und damit ihre Verfolgung zu legitimieren!
- Kommunistischen Gefangenen erschwerte man den Zugang zu Zeitungen und Lektüre. In der Strafanstalt Vechta wurden Bücher von Nazi-Autoren verteilt!
- Kommunisten wurde insb. mit "Nebenstrafen" schikaniert (S. 288f)
- Verlust staatsbürgerlicher Rechte
- kommunistische Studenten wurden nicht zu Examen zugelassen (Jura-Studenten, aber auch Lehrlinge durften die Meisterprüfung nicht ablegen)
- Ehepaare durften keine Pflegekinder annehmen, Kommunisten wurden die Pässe verweigert, öffentliche Ehrungen wurden abgesagt
15.8 Verlust von Wiedergutmachungsleistungen
- Aberkennung und Rückforderung von Wiedergutmachungsleistungen (S. 296ff)
- Nach 56 sogar Entzug von Renten VOR dem KPD-Verbot
- Abkennung der Verfolgtenrenten, ABER Personen mit NS-Vergangenheit erhielten weiterhin Staatspensionen, die i.d.R. erheblich höher als die Verfolgtenrenten waren!
15. 9 Verlust des Arbeitsplatzes
- d.h. Ausdehnung des PJ in das Arbeitsrecht
- 1950 Arbeitsverbot im Öffentlichen Dienst, nun auch in privaten Betrieben
- "Störung des Betriebsfriedens"
- Arbeitsverlust wg. politischer Betätigung in Betrieben, wg. Strafverfahren
- Betrieben führen "Schwarze Listen" von Kommunisten, dadurch wurde verhindert, dass Kommunisten Arbeit finden.
- wurden Kommunisten trotz Schwarzer Listen eingestellt, wiesen V-Männer den neuen Arbeigeber auf die politische Vergangenheit des Betroffenen hin. Folge waren materielle Not und demütigende Lebenssituation. Gegen diese Praktiken gab es keinen Schutz.
16. Der Kampf gegen die Politische Justiz
- Seitens der KPD seit 1951 mit Aufklärungskampagnen
- Zusammenarbeit mit Juristengruppen
- Verteidigung gegen die PJ -> überwiegend von über das ganze Bundesgebiet verstreuter Anwälten wahrgenommen, z.B. Walter Ammann, Friedrich Karl Kaul, Diether Posser
- kein Interesse der Rechtswissenschaft an der PJ, ähnlich publizistische Kritik
- erster kritischer Artikel zur PJ im Spiegel von 1961
- 1966 -> Große Koalition. Gustav Heinemann, konsequenter Gegner der bisherigen PJ, übernahm das Justizministerium
- Strafrechtsänderungsgesetz und Amnestie (beide 1968) gegen Kommunistenverfolgung
- Zulassung einer neuen kommunistischen Partei erst, nachdem die BRD-Politik zum Kommunismus fest war
17. Die Bedeutung der Politischen Justiz gegen Kommunisten für die Geschichte der BRD
17.1 Die Abwehr der kommunistische Gefahr als Legitimation der PJ gegen Kommunisten
- Das BVerfG erkannte die Rechtmäßigkeit antikapitalistischer Forderungen 1954 implizit an, als es im Investitionshilfe-Urteil ausführte, dass die soziale Marktwirtschaft nicht die einzige nach dem Grundgesetz mögliche Wirtschaftsordnung sei (außerdem vgl. Ahlener Programm 47 der CDU) → daher taucht die antikapitalistische Komponente der KPD-Politik in den Dokumenten der PJ nicht als Begründung für die Kommunistenverfolgung auf.
- Auch kein Grund für die KPD-Verfolgung war die Gefahr für die Verwirklichung der Wiederbewaffnung (wie von komm. Seite immer wieder behauptet), denn die KPD war zu schwach, um Aufrüstungsmaßnahmen hemmen zu können, außerdem bekämpfen auch andere politischen Kräfte die Wiederaufrüstung
- Gefährlich schien die KPD, weil sie insb. bis 56 die spezifische Form der demokratischen und der nationalen Legitimität der BRD bestritt: Sie stellte die demokratische Legitimität der BRD dadurch in Frage, dass sie die Massen gegen die Institutionen zu mobilisieren suchte, indem sie z.B. dazu rief, die Beschlüsse ihrer Organe zu missachten und den "Sturz des Adenauer-Regimes" durch "revolutionäre[n] Kampf" vorzubereiten. Die KPD griff außerdem die nationale Legitimität der BRD an, indem sie den neuen Staat als ein "Kolonialregime" von Gnaden der Alliierten bezeichnete, das die Einheit der Nation zerstöre. (S. 337)
- Gefährlichkeit der KPD vor allem mit dem Argument begründet, die KPD wolle (langfristig) ein Herrschaftssystem sowjetischer Prägung einführen und nehme daher die außenpolitischen Interessen des Gegners wahr. [d.h. also, dass damals die DDR und die Sowjetunion als Gegner deklariert waren!!?? Gegner von wem!?!]. "Beweis" war die seit 1948 geltende Festlegung der tagespolitischen und langfristigen Zielsetzung auf eine bedingungslose Identifikation mit der sowjetischen Politik. Da 1956 die KPD die Legitimation der BRD nicht mehr in Frage stellte, wurde diese Argumentation die alleinige Legitimation der Kommunistenverfolgung. (S. 338)
- Tatsächlich aber ging KEINE Gefahr von der KPD aus, denn es gab keine politischen Morde, keine Attentate, keine Aufstandsversuche, keine Gewalttaten, keine geheimen Waffenlager, keine Liquidationslisten.
- Objektiv hatte die KPD keinen Einfluss mehr, was in den Wahlergebnissen für den Bundestag oder die Landtage vorkam. KPD war eine ständig kleiner werdende und politisch isolierte Minderheit. Trotzdem "kommunistische Gefahr", weil die BRD als "jünger Staat" keine feste Zukunftsrichtung hatte, d.h. alle Optionen waren offen. Außerdem hat der Vorwurf der mangelnden nationalen Legitimität alle politischen Kräfte im Kern getroffen (S. 341)
17. 2 Ideologische Wirkungen der PJ gegen Kommunisten
- PJ spielt natürlich eine Funktion bei der Entstehung und Verfestigung von politischen Ideologien, bei der Bildung von politischem Bewusstsein
- Politische Diskriminierung der Kommunisten (weil die PJ die Kommunisten kriminalisierte) und der DDR (wg Kriminalisierung der Kontakte in der DDR)
- Begünstigte die Entstehung von Vorurteilen über die tatsächlichen Verhältnisse in der DDR und erschwerte eine realitätsgerechte Einschätzung der DDR
- die PJ trug dazu bei, die auf Nichtanerkennung der DDR gerichtete Deutschlandpolitik der Bundesregierung im politischen Alltagsbewusstsein (und Alltagsverhalten) der Bevölkerung zu verankern
- Stabilisierung und Verstärkung des Antikommunismus in der BRD [hier antikommunistisch verstanden als Positionen, die die kommunistische Bewegung unter Ausblendung oder Diffamierung ihres prinzipiellen Anspruchs und ihres historischen Kontextes zu dem Zwecke kritisieren, dem eigenen Gesellschaftssystem zusätzlichen Legitimation zu verschaffen, S. 345]
→ dadurch wurde Kommunismus auf Stereotypen niederschlagen, als Aggressor stilisiert und seine Entstehungsbedingungen ("kommunistische Machtergreifung") als unfrei, diktatorisch und totalitär mit dem NS auf eine Stufe gestellt. Folgen mit politischer Bedeutung:
→ 1. diese neurotische Angst (=Antikommunismus) trug dazu bei, eine "neutrale" Entwicklung der BRD zu verhindern, damit diese sich in den westlichen Block der USA einordnet
→ 2. Zustimmung für ein rechtsstaatlich-parlamentarisches System als Gegenteil von einem "stalinistischen" System
→ 3. Veränderung des gesamten politischen Klimas. Linke Forderungen wie Umwandlung der Eigentumsverhältnisse und der Wirtschaftssystems konnten dann leicht als kommunistisch diskreditiert werden. Politische Diffamierung.
- Interesse an den ideologischen Wirkungen der PJ als strukturierendes Element für die Kommunistenverfolgung:
→ Einschäztung der "kommunistischen Gefahr" verschieden je nach Partei
→ Der Antikommunismus begünstigte die durchgesetzte Westorientierung UND strikte Abgrenzung zum sozialistischen Osten [vgl. aktuelle Diffamierung von Russland als pseudodemokratisch v/s demokratischer Westen (USA, Deutschland)]
- Schwächung des "innenpolitischen Gegners" (SPD, Gewerkschaften). SPD wenig Interesse an Kommunistenverfolgung, sonst würde sie selber diffamiert, daher Abgrenzung
- "sozialer Kapitalismus" der CDU Rekonstruktionsprozess 1959-1963 (S. 350)
- CDU musste mit sozialer Innenpolitik kompensieren
17. 3 Die Beendigung der PJ gegen Kommunisten im Jahre 1968
- Veränderung der politischen Sitation, die zur Einstellung der bisherigen PJ gg Kommunisten, beschrieben auf 3 Ebenen:
→ 1. die KPD hatte seit MItte der 50er ihre politische Programmatik zunehmend den polit. Verhältnissen der BRD angepasst (v.a. Bekenntnis zum GG)
→ 2. Konsolidierung der BRD
→ 3. veränderte außenpolitische Lage der BRD (Supermächte suchten Verhandlungen)
18. Die Rechtsförmigkeit der politischen Justiz gegen Kommunisten
- die Normativen Sicherungen der Rechtsstaatlichkeit im GG waren eigentlich für Bekämpfung eines neuen NS gerichtet, sie waren jedoch so formuliert, dass sie auch für die Bekämpfung des Kommunismus taugten! Ihre Instrumentalisierung wurde mit dem Ausbruch des Korea-Krieges im Sommer 1950 zu ihrem Hauptzweck (für Erklärungen siehe S. 359ff)
- die gesamte spätere Praxis der PJ charakterisierte der damalige Bundesjustizminuster Dehler in den Beratungen des 1. Strafrechtsänderungsgesetztes "Wir müssen ein Freiheitsopfer bringen, um die Freiheit zu bewahren".
Erstellt: 14.01.2014 - 15:19 | Geändert: 18.10.2024 - 18:09