Rosa-Luxemburg-Stiftung (Medienpräsenz)

1:00:14

Walter Benjamin war einer der großen kritischen Intellektuellen im Deutschland der 1920er und 1930er Jahre und eng verbunden mit der Kritischen Theorie. Heute ist sein Werk von globaler Bedeutung. Nach der Emigration 1933 aus Nazi-Deutschland, der Ausbürgerung 1939, der Internierung in Frankreich und der Flucht vor der Nazi-Armee nahm er sich im September 1940 in Port Bou das Leben. Das Passagenprojekt, das in dieser Folge vorgestellt wird, wäre sein größtes Buch geworden; es wurde niemals geschrieben. Von 1927 bis zu seinem Tod hat er daran mit Unterbrechung gearbeitet und eine riesige Materialsammlung angelegt. Es wäre ein beeindruckender Beitrag zur materialistischen Kulturanalyse geworden. Benjamin wollte zeigen, wie die bürgerliche Kultur um den Warenfetisch herum gravitiert, ihre Trugbilder, Gespenster, Traumwelten entlarven. Durch geschickte Montage seines umfangreichen Materials wollte Benjamin dazu beitragen, dass die Menschen aus jenen Träumen erwachen und mit einem Tigersprung in die konkrete Geschichte den Augenblick erfahren, der es ihnen ermöglicht, durch eine kleine Pforte hinaus in die Freiheit zu treten. Alex Demirović diskutiert mit der Benjamin-Kennerin Ruth Sonderegger. Sie ist Professorin für Kunst- und Kulturwissenschaften an der Akademie der bildenden Künste Wien.

56:22

Trotz zunehmendem Druck von Innen und Außen gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Israelische Regierung ihre genozidale Kriegsführung im Gazastreifen beenden möchte. Ganz im Gegenteil: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wird für die Zwangsvertreibung der palästinensischen Bevölkerung international scharf kritisiert. Vorschläge für Waffenstillstandsverhandlungen mit der Hamas wurden bisher von israelischer Seite  abgelehnt.

In der dritten Folge unseres Podcasts “Weltunordnung” spricht Pauline Jäckels mit der Nahostexpertin Muriel Asseburg, über Netanjahus Pläne nach dem  Hamas-Massaker vom 7. Oktober? Was treibt ihn an, den Krieg weiterzuführen und wer könnte ihm und seiner Regierung Einhalt gebieten? Welche Rolle können Deutschland und die EU dabei spielen, Israel zu einem Ende seiner Besatzungspolitik und Vertreibungspläne zu bringen? Und aus welchen Gründen hat Deutschland das israelische Vorgehen bislang unterstützt?

00:00:00 Intro 
00:02:07 Interview Beginn: Was ist die Stiftung Wissenschaft und Politik? 
00:04:43 Findet in Gaza ein Genozid statt? 
00:11:51 Der Kontex des 07.10. und Leben unter der Hamas 
00:23:02 "Den Rasen mähen": Israels Sicherheitspolitik 
00:34:14 Was ist Netanjahus Plan für Gaza und die Westbank? 
00:42:13 Deutsche Politiken, deutsche Diskurse
 

1:20:49

Was bedeutet Internationalismus heute?

Veranstaltung am 17.2.2018 mit Karl Dietrich Wolff (Ehemaliger SDS-Vorsitzender, Eröffnungsredner des internationalen Vietnamkongress 1968), Boris Kanzleiter  und Hana Pfennig (beide: Zentrum internationaler Dialog, Rosa-Luxemburg-Stiftung) zum Vietnamkongress 1968 an der TU Berlin.

2:14

Am 30. Mai 1968 wurden trotz großer Proteste die Notstandsgesetze im Bundestag von einer Mehrheit aus CDU und SPD verabschiedet. Seitdem gibt es eine Notstandsverfassung, die im Falle von Naturkatastrophen, Krieg oder inneren Unruhen in Kraft tritt. Bei Ausrufung des Notstands tritt ein reduziertes Notparlament zusammen, das weitgehende Vollmachten erhält und die Grundrechte einschränken kann. Außerdem dürfen Bundeswehr und Bundesgrenzschutz im Innern eingesetzt werden, auch gegen die eigene Bevölkerung. Der damalige Außenminister Willy Brandt forderte im Parlament, der Notstand dürfe nicht die «Stunde der Exekutive» einläuten, sondern die «Stunde der Bewährung des Parlaments und des mündigen Bürgers». Die deutsche Geschichte aber auch jüngste Ereignisse in Ägypten oder der Türkei hingegen zeigen: der Weg in die Diktatur führt über die Ausrufung des Notstands. Karl Dietrich Wolff war SDS-Vorsitzender von 1967-1968.

1:31:19

Bernie Sanders‘ neues Buch Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein ist ein eindrucksvolles Zeugnis seines politischen Lebenswerks und ein kämpferischer Appell an die nächste Generation, das hyperkapitalistische System grundsätzlich in Frage zu stellen. Dabei geht Sanders’ Vision weit über die Forderungen aus der Zeit seiner Wahlkampagnen hinaus. Er zeigt, dass wirtschaftliche Rechte als Menschenrechte anerkannt werden müssen, um die wachsende Ungleichheit zu bekämpfen, und er ermutigt seine Leser*innen, eine Gesellschaft zu schaffen, die einen angemessenen Lebensstandard für alle bietet.
 

1:34:07

In seinem Buch «Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus» analysiert der japanische Philosoph Kohei Saito die Verflechtung von Kapital, Natur und Gesellschaft im Anthropozän. Entgegen der herkömmlichen Lesart entdeckt er die Gedanken von Karl Marx neu und entwickelt mir ihrer Hilfe das Modell eines degrowth-Kommunismus. Er kritisiert den inneren Wachstumszwang des Kapitalismus als eine Grundproblematik der heutigen menschengemachten und kapitalgetriebenen Klimakrise.

Saito entdeckt alternative Pfade der Diskussion bei Marx und plädiert für eine Dekarbonisierung unter anderem durch kürzere Arbeitszeiten und Priorisierung auf lebenswichtige Produktion. Er benennt die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen als neues «Opium des Volkes» und fordert die Vergesellschaftung der großen Ölkonzerne, Großbanken und der digitalen Infrastruktur.

Das Buch machte in Japan mit über 500.000 verkauften Exemplaren Furore und wurde nun von Gregor Wakounig für den dtv Verlag übersetzt.

00:00 Begrüßung: Steffen Kühne, Rosa-Luxemburg-Stiftung
02:05 Kohei Saito im Gespräch mit Malene Gürgen (taz)
54:26 Publikumsfragen an Kohei Saito

Video in englischer Sprache mit automatisierten dt. Untertiteln.

In his book "Capital in the Anthropocene: Towards the Idea of Degrowth Communism" (2023), Japanese philosopher Kohei Saito analyzes the linkage of capital, ecology, and society in the Anthropocene. Contrary to conventional reading, Saito rediscovers the thinking of Karl Marx and develops a model of degrowth communism. He critiques that the inherent growth imperative of capitalism has created the root problems of today’s man-made, capital-driven climate crisis.

Saito discovers alternative leads to discuss Marx, recommending shorter working hours and the prioritization of essential production as part of decarbonization. He calls the United Nations’ Sustainable Development Goals  a new »opium for the masses« and demands the communization of big oil, major banks, and digital infrastructure.

The book with the original title: 人新世の「資本論 Capital in the Anthropocene (2020) sold more than 500,000 copies in Japan alone.

02:05  Discussion with Kohei Saito

Moderation by Malene Gürgen (taz)

1:57:05

Für manche Klima-Aktivist*innen ist Marx ein «toter Hund» und der Marxismus ein überholtes Modell: fortschrittsgläubig, produktivistisch, anti-ökologisch. Aber in Wirklichkeit hat Marx nicht nur gegen jede Entgegensetzung von Mensch und Natur die Einheit von  «Naturalismus» und «Humanismus» betont, sondern auch mit erstaunlicher Klarheit die kapitalistische Naturzerstörung als einen «unheilbaren Riss» im Stoffwechsel kritisiert. Selbst ganze Gesellschaften seien nicht die «Eigentümer der Erde», sondern haben sie als Nutznießer «den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen».

Worin liegt die Bedeutung des Marxismus für die heutigen Kämpfe um eine sozial-ökologische Transformation? Wir besichtigen die Aspekte des marxschen Werks, die für die aktuelle Ökologiebewegung relevant sind, und machen uns vertraut mit den verschiedenen ökomarxistischen Weiterentwicklungen und Kontroversen.

Das Berliner Institut für kritische Theorie (InkriT) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat alle Interessierten zu einer Werkstattdiskussion eingeladen, in der Jan Rehmann seinen Entwurf für das Stichwort «Ökomarxismus» vorstellte, das im Band 10/I des Historisch-kritischen Wörterbuch des Marxismus (HKWM) erscheinen soll. Der Gesellschaftswissenschaftler Markus Wissen und die Philosophin Julia Egenhoff gaben dazu Kommentare ab. 

1:43:10

Frantz Fanon wäre am 20. Juli 100 Jahre alt geworden. Er gilt als einer der einflussreichsten Denker der antikolonialen Bewegung. Sein Werk «Die Verdammten der Erde» (1961) wurde kontrovers diskutiert, kann Gewalt eine befreiende Wirkung im Kampf gegen Rassismus und Kolonialisierung haben? Der «Denker der Barrikaden» (Peter Hudis) war mit seinem ersten Buch «Schwarze Haut, weiße Masken» (1952) auch ein Vordenker für postkoloniale Theorie.

Fanon erlebte als Schwarzer Soldat aus Martinique aufseiten Frankreichs den brutalen Rassismus des Kolonialstaats und engagierte sich später für die algerische Befreiungsbewegung FLN, deren Sprecher er zeitweise war. Die subkutan wirkende Macht des Rassismus zu ergründen und die Wesensverwandtschaft von Antisemitismus und Rassismus zu begreifen war Fanon wichtig. Philipp Dorestal analysiert den «gedehnten Marxismus» von Fanon und charakterisiert ihn als originellen politischen Denker, der auch für heute wichtige Impulse für emanzipatorische Politik anbietet.

1:41:04

In kaum einem anderen westlichen Land ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland – Tendenz steigend. Entgegen der Behauptung, jede/r könne es mit genug Anstrengung zu viel bringen, entscheidet vor allem die Geburt in die richtige Familie darüber, ob man als kleine, superreiche Elite aufwachsen und leben kann. Diese Erbengesellschaft, in der sich vor allem die reichsten 10 Prozent ihre Anteile an Betriebsvermögen untereinander weiterreichen, wird begünstigt durch eine extrem ungerechte Steuerpolitik. Gerade sehr hohe Erbschaften von zwei- oder dreistelligen Millionensummen können fast steuerfrei weitervererbt werden.

In ihrem Buch seziert Martyna Linartas anschaulich und präzise die Gründe und Ausmaße der immer weiter anwachsenden sozialen Ungleichheit und verdeutlicht, wie diese Entwicklung unsere Demokratie und die Bekämpfung des Klimawandels gefährdet. Durch ihre Interviews mit Menschen aus der wirtschaftliche Elite dieses Landes gibt sie prägnante Einblicke, wie diese Vermögenden Ungleichheit einschätzen und rechtfertigen. Und sie macht klar, dass die Entwicklung, die wir erleben, nicht alternativlos ist. In einem historischen Rückblick auf die 1919 eingeführte Erbschaftsteuer zeigt sie, wie diese einst eines der wichtigsten und anerkannten Werkzeuge war, um Ungleichheit zu senken. So wird auch klar: Wir können und müssen politisch einen anderen Weg einschlagen. Wie der aussehen kann, darüber sprechen wir unter anderem mit der Autorin.

Die Rede von »Freiheit« im Kapitalismus ist eine Nebelkerze, die die Reichen und Mächtigen schützt und Bürger entmündigt. Autobauer, die Rekordsummen an Aktionäre ausschütten, dann aber nach staatlichen Hilfen rufen und mit Streichung von Arbeitsplätzen drohen. Luftfahrtunternehmen, die Flugzeuge bauen, die nicht fliegen können und Menschenleben kosten. Ein globaler Überbietungswettbewerb in Staats-Subventionen und Kürzungen von Sozialleistungen. Während demokratische Parteien diese Entwicklungen als alternativlos bezeichnen, nutzen die Rechtsextremen die Lage schamlos aus und lenken die Wut auf die Schwächsten. Das alles ist keine Ausnahme, sondern das Wesen des Kapitalismus. Oxford-Ökonomin, politische Analystin und Erfolgsautorin Grace Blakeley legt die Mechanismen von Broligarchie und Neoliberalismus 2.0 schonungslos offen. Sie zeigt unmissverständlich: Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger zusammenhalten, haben sie eine Chance, die Allianz aus Superreichen und rechten Politkern zu brechen und ein freies Leben für alle zu bewahren.

Grace Blakeley, geb. 1993, ist Autorin, Journalistin und Kommentatorin. Sie ist Absolventin der Oxford Universität, wo sie Philosophie, Wirtschaft und Politik studierte und mit Auszeichnung abschloss. Sie zählt zu den prominentesten Kapitalismuskritikerinnen ihrer Generation und ist Herausgeberin von Futures of Socialism. Auf Deutsch erschien 2023 "Stolen: So retten wir die Welt vor dem Finanzkapitalismus".