Nie wieder Krieg
Die Charta der vereinten Nationen
Dieses Buch ist zum Anlass des 80. Jahrestag des Inkrafttretens der Charta der Vereinten Nationen erstellt worden. Es besteht aus mehreren selbständigen Artikeln zum Thema der UN-Charta, von denen 3 bereits zuvor publiziert wurden.
Das Werk argumentiert vehement für eine Rückbesinnung auf die UN-Charta als Fundament einer globalen Friedensarchitektur. Schulenburg kritisiert scharf die zunehmende Militarisierung und die Abkehr vom Völkerrecht, insbesondere durch westliche NATO-Staaten, die er der Doppelmoral und der Priorisierung von Militärgewalt über diplomatische Lösungen bezichtigt. Er analysiert die Ukraine- und Israel-Konflikte als Beispiele für das Scheitern der Diplomatie und die Verletzung des UN-Friedensgebots, wobei er die Ablehnung von Verhandlungen durch Konfliktparteien als schädlich darstellt. Schlussendlich plädiert der Autor für eine neue, multipolare Weltordnung, in der die UN-Charta gestärkt wird, um der Menschheit eine friedliche Zukunft zu sichern.
Briefing-Dokument: Kernthesen aus „Nie wieder Krieg – Die Charta der Vereinten Nationen“
Executive Summary
Dieses Briefing-Dokument fasst die zentralen Argumente und Analysen aus Michael von der Schulenburgs Werk „Nie wieder Krieg – Die Charta der Vereinten Nationen“ (Oktober 2025) zusammen. Das Werk postuliert, dass die fundamentalen Prinzipien der UN-Charta – insbesondere das Gewaltverbot und das Gebot der friedlichen Konfliktlösung – angesichts der zunehmenden globalen Spannungen und der Militarisierung von existenzieller Bedeutung sind. Der Autor argumentiert, dass vor allem westliche Staaten, angeführt von der NATO, das Völkerrecht systematisch untergraben und durch eine unilaterale „regelbasierte Ordnung“ ersetzt haben. Die vorherrschende Doktrin „Si vis pacem, para bellum“ („Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor“) wird als treibende Kraft einer gefährlichen Aufrüstungsspirale kritisiert, die Sicherheit nicht schafft, sondern gefährdet.
Die Analyse der aktuellen Konflikte, insbesondere des Ukrainekriegs, kommt zu dem Schluss, dass dieser durch die konsequente Anwendung der UN-Charta hätte verhindert werden können. Der Autor führt an, dass wiederholte Verhandlungsangebote Russlands bezüglich der NATO-Osterweiterung ignoriert und eine vielversprechende Friedenslösung im März/April 2022 von den USA und Großbritannien aktiv torpediert wurde, um Russland strategisch zu schwächen. Vor dem Hintergrund eines fundamentalen geopolitischen Wandels hin zu einer multipolaren Weltordnung, die durch den Aufstieg von BRICS+ und der SCO geprägt ist, müsse der Westen seine Vormachtstellung aufgeben und zu einer kooperativen Sicherheitspolitik auf Basis der UN-Charta zurückkehren. Eine besondere Kritik richtet sich an Deutschland, dem vorgeworfen wird, seine historische Verantwortung zu missachten und sich auf einen gefährlichen Konfrontationskurs gegenüber Russland zu begeben, der an die verhängnisvolle Politik der Vergangenheit erinnere.
1. Die Erosion des Völkerrechts und der UN-Charta
Das Dokument legt dar, dass das auf der UN-Charta basierende Völkerrecht, das universelle Gültigkeit beansprucht, zunehmend an Bedeutung verloren hat. Dieser Zerfall wird hauptsächlich auf das Handeln westlicher Staaten zurückgeführt.
- Von Völkerrecht zur „regelbasierten Ordnung“: Westliche Staaten, insbesondere die USA, haben das universelle Völkerrecht durch das Konzept einer vage definierten „regelbasierten internationalen Ordnung“ ersetzt. Diese wird als unilateral und als Instrument zur Durchsetzung westlicher Interessen kritisiert, was von nicht-westlichen Ländern als Affront empfunden wird.
- Missachtung des Gewaltverbots: Das Kernprinzip der UN-Charta, das Gewaltverbot, wurde wiederholt missachtet. Insbesondere NATO-Staaten haben zahlreiche militärische Interventionen ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates durchgeführt.
- Beispiele: Jugoslawien (1999), Irak (2003), Libyen (2011), Syrien (2017/18).
- Laut US-Kongress haben die USA zwischen 1992 und 2022 in 251 Fällen militärisch in Drittstaaten interveniert.
- Außerkraftsetzung des kollektiven Sicherheitssystems: Durch die Umgehung des UN-Sicherheitsrates, der als einziges Gremium über militärische Maßnahmen entscheiden darf, wurde das kollektive Sicherheitssystem der UN de facto außer Kraft gesetzt. Dies führt zu einer Welt, in der das „Recht des Stärkeren“ gilt.
- Aufkündigung von Abrüstungsverträgen: Fast alle wichtigen Rüstungskontrollabkommen und vertrauensbildenden Maßnahmen aus der Zeit des Kalten Krieges (z.B. Helsinki-Schlussakte, Charta von Paris) wurden von den USA einseitig gekündigt, nicht verlängert oder nicht ratifiziert. Lediglich der Atomwaffensperrvertrag und der Ende 2025 auslaufende Neu-START-Vertrag sind noch in Kraft.
- Doppelmoral und Vertrauensverlust: Das Vorgehen Israels in Gaza und der Westbank wird als eklatante Verletzung der UN-Charta und der Vierten Genfer Konvention bezeichnet. Die stillschweigende Duldung durch den Westen entlarve die Doppelmoral der „regelbasierten Ordnung“. Zudem untergrabe die nachträgliche Aussage von Angela Merkel und François Hollande, das Minsk-II-Abkommen habe nur dem Zeitgewinn für die Aufrüstung der Ukraine gedient, das Vertrauen in diplomatische Vereinbarungen.
2. Kritik an westlicher Militarisierung: Die Doktrin „Si vis pacem, para bellum“
Der Autor identifiziert eine „wahre Kriegshysterie“ in den westlichen Ländern, insbesondere in den europäischen NATO-Staaten. Die Wiederbelebung des römischen Grundsatzes „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor“ wird als fundamental falscher und gefährlicher Weg kritisiert.
- Die Spirale der Aufrüstung: Diese Doktrin führe zwangsläufig zu einer Aufrüstungsspirale, da die Aufrüstung eines Staates die Aufrüstung anderer provoziert. Dies erhöhe das Risiko einer nuklearen Proliferation, da Staaten aus Angst nach Atomwaffen streben könnten (Beispiel Nordkorea).
- Asymmetrische Militärausgaben: Die NATO-Staaten, die ca. 10 % der Weltbevölkerung ausmachen, sind bereits für rund 55 % der weltweiten Militärausgaben verantwortlich. Im Vergleich dazu stehen China (13 %), Russland (6 %) und Indien (3,5 %). Mit den geplanten Erhöhungen auf bis zu 5 % des BIP könnte der Anteil der NATO bis 2035 auf über 70 % steigen.
- Fehlende Bedrohung durch konkurrierende Blöcke: Im Gegensatz zur NATO haben konkurrierende Staatensysteme wie BRICS+ oder die SCO keine vergleichbare Militärallianz aufgebaut, was die westliche Behauptung einer immanenten Kriegsgefahr in Frage stellt.
- Moderne Kriegsführung macht Sieg unmöglich: Die Entwicklung von Hyperschallraketen, intelligenten Atomwaffen, Cyberkrieg und KI-gesteuerten Waffensystemen hat ein Zerstörungspotenzial erreicht, das einen militärischen Sieg für jegliche Partei unmöglich macht. Das Prinzip der „gegenseitig gesicherten Zerstörung“ gilt heute für eine Vielzahl von Akteuren.
3. Analyse der Konflikte in der Ukraine und im Iran
Die Analyse der Kriege in der Ukraine und zwischen Israel und dem Iran dient als Fallbeispiel für das Versagen der Diplomatie und die Konsequenzen der Missachtung der UN-Charta. Beide Angriffe werden als völkerrechtswidrige Präventivkriege eingestuft.
Der Ukraine-Krieg
Der Krieg wird als ein Konflikt dargestellt, der durch die strikte Einhaltung der Verhandlungsgebote der UN-Charta hätte verhindert oder schnell beendet werden können.
Phase | Aktion/Ereignis | Ergebnis/Analyse |
Vorkriegsphase | Russlands wiederholte Warnungen seit 1997 vor einer NATO-Osterweiterung in die Ukraine. | Von der NATO und den USA ignoriert. Die Osterweiterung wurde als „rote Linie“ für Russland konsequent missachtet. |
Juni/Dez. 2021 | Treffen Putin-Biden in Genf; schriftliches Verhandlungsangebot Russlands an USA/NATO. | Beide Initiativen zur Deeskalation und zur Aushandlung von Sicherheitsgarantien wurden abgelehnt. |
März/April 2022 | Ukrainisch-russische Friedensverhandlungen in Istanbul, Einigung auf ein 10-Punkte-Communiqué. | Der Friedensplan wurde vom Westen, insbesondere von den USA und Großbritannien, aktiv torpediert. Der britische Premier Boris Johnson übermittelte Kiew die Botschaft, dass bei einem Friedensschluss die westliche Unterstützung enden würde. |
April 2022 | Aussage von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. | Das Ziel wurde klar formuliert: „Wir wollen Russland derart schwächen, dass es nie mehr in der Lage sein wird, Dinge zu tun, wie eine militärische Invasion der Ukraine.“ Dies machte deutlich, dass es nicht um eine Friedenslösung, sondern um geopolitische Ziele ging. |
Der Autor schlussfolgert, dass die NATO-Staaten durch die Verweigerung von Verhandlungen und die Verhinderung einer Friedenslösung eine schwere Schuld auf sich geladen und gegen die Kernprinzipien der UN-Charta verstoßen haben.
Der Israel-Iran-Konflikt (Sommer 2025)
Israels Angriff auf den Iran im Sommer 2025 wird als gezielte Sabotage diplomatischer Bemühungen dargestellt.
- Völkerrechtswidriger Angriff: Der Angriff auf den Iran, begründet mit der Verhinderung eines iranischen Atomprogramms, war ein illegaler Präventivkrieg.
- Gezielte Sabotage von Verhandlungen: Der Angriff erfolgte während laufender Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran in Oman und richtete sich gezielt gegen das iranische Verhandlungsteam. Dies wird als „Kriegserklärung“ an das Verhandlungsgebot der UN-Charta selbst interpretiert.
- Konsequenzen: Anstatt den Iran zu schwächen, dürfte der Angriff das Land einen und den Iran dazu motivieren, den Erwerb von Atomwaffen zu beschleunigen, um seine Sicherheit zu garantieren.
4. Geopolitischer Wandel und die multipolare Welt
Das Dokument betont, dass die Welt eine fundamentale geopolitische Transformation durchläuft, die das Ende der 250-jährigen westlichen Dominanz markiert.
- Verschiebung der Machtzentren: Der Westen verliert seine wirtschaftliche, technologische und demografische Vormachtstellung. Aufstrebende Mächte und Blöcke wie BRICS+ und die SCO gewinnen an Einfluss.
- Demografische Entwicklung: Der Anteil der NATO-Bevölkerung an der Weltbevölkerung sinkt (von 12 % auf 10 % bis 2030), während der Anteil der SCO bereits bei 40 % liegt.
- Forderung nach einer auf der UN-Charta basierenden Ordnung: Die BRICS-Staaten und die SCO betonen wiederholt die zentrale Rolle der UN-Charta für eine zukünftige multipolare Welt. Sie fordern eine Ordnung basierend auf den Prinzipien der friedlichen Koexistenz, der souveränen Gleichheit und der Nichteinmischung.
- Chance für den Westen: Anstatt diese Entwicklung militärisch aufhalten zu wollen, sollte der Westen die Chance ergreifen, mit den neuen Machtzentren auf Basis der UN-Charta eine kollektive und gleichberechtigte Sicherheitsarchitektur aufzubauen.
5. Deutschlands historische Verantwortung und aktueller Kurs
Ein eigener Artikel widmet sich der Rolle des wiedervereinigten Deutschlands und kritisiert dessen aktuelle Politik scharf.
- Besondere Verpflichtung: Aufgrund seiner Geschichte und der beiden Weltkriege trägt Deutschland eine besondere Verantwortung, dem Friedensgebot der UN-Charta und des eigenen Grundgesetzes zu folgen.
- Vorwurf des „Kriegspfads“: Der aktuellen Bundesregierung wird vorgeworfen, sich auf einem „Kriegspfad“ zu befinden. Eine „Kriegshysterie“ und ein „Hass gegen Russland“ prägten das politische Klima.
- Kritikpunkte an der deutschen Politik:
- Militarisierung: Ein enormes Aufrüstungsprogramm, das Ziel der „stärksten Armee Europas“ und die Verdreifachung der Verteidigungsausgaben bis 2029 werden als gefährliche Selbstüberschätzung kritisiert.
- Rhetorik: Aussagen, wonach Deutschland „kriegstüchtig“ sein müsse und Russland bereits einen Krieg gegen Deutschland führe, werden als Vorbereitung auf einen Präventivkrieg interpretiert.
- Bruch des Zwei-plus-Vier-Vertrags: Deutschland habe diesen völkerrechtlich bindenden Vertrag mehrfach gebrochen, u.a. durch die Teilnahme am völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien (1999) und die Duldung von US-Atomwaffen auf deutschem Boden („nukleare Teilhabe“), was dem Verzicht auf Verfügungsgewalt über Atomwaffen widerspreche.
- Warnung vor Selbstzerstörung: Die aktuelle Politik wird als gefährlicher Irrweg bezeichnet, der Deutschlands Zukunft verspiele und das Land international isolieren könnte. Eine Rückkehr zu einer Politik, die sich von der UN-Charta leiten lässt, wird als einzige reale Alternative dargestellt.
6. Das Menschenbild der UN-Charta als Leitbild
Abschließend stellt der Autor das positive Menschenbild der UN-Charta der negativen Weltsicht der Militarisierungsbefürworter gegenüber.
- Optimistisches Fundament: Die UN-Charta basiert auf der Annahme eines „vernunftbegabten, empathiefähigen und sozial verantwortlichen Menschen“, der in der Lage ist, Konflikte friedlich zu lösen. Sie wurde nach den Abgründen des Zweiten Weltkriegs auf einem ausgesprochen positiven Menschenbild aufgebaut.
- Pessimistisches Gegenbild: Die Doktrin „Si vis pacem, para bellum“ geht von einem negativen Menschenbild aus, in dem jeder dem anderen zum Feind wird („Krieg aller gegen alle“) und Beziehungen durch Gewalt bestimmt sind.
- Appell: Die Prinzipien der UN-Charta sollten der Leitfaden für eine humane Zivilisation sein, die auf Kooperation statt auf Konfrontation setzt. Die Charta beginnt daher bewusst mit den Worten: „Wir, die Völker …“.
Autoreninfos
Erstellt: 12.10.2025 - 16:17 | Geändert: 12.10.2025 - 18:07