Generalverdacht
Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird
Die Debatte um die sogenannte Clankriminalität hat seit Jahren Konjunktur. Ein immer weiter wachsendes Gefüge aus polizeilichen Maßnahmenkatalogen, Medienberichten, Entertainmentformaten und (pseudo-)wissenschaftlichen Beiträgen fantasiert eine Bedrohung herbei, gegen die hart durchgegriffen werden soll. Die Konsequenz sind Razzien, rassistische Kontrollen und Kriminalisierung in migrantischen Stadtteilen, die als Problembezirke gebrandmarkt werden; der falsche Familienname genügt, um auf polizeilichen Verdachtslisten zu landen.
Politiker_innen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und anderswo profilieren sich mit Null-Toleranz-Strategien gegen »kriminelle arabische Großfamilien« - und tragen damiteine Mitverantwortung für rassistische Morde wie in Hanau. Während »Clankriminellen« vorgeworfen wird, keinen Respekt vor dem Rechtsstaat zu haben, werden im Zuge ihrer Bekämpfung gleich mehrere Grundprinzipien von Rechtsstaatlichkeit über Bord geworfen.Dieses Buch unternimmt erstmals eine kritische Bestandsaufnahme der Clan-Debatte aus kriminologischen, rechtswissenschaftlichen, soziologischen und feministischen Perspektiven: Wer ist gemeint, wenn von Clans gesprochen wird? In welcher Tradition stehen Kriminalisierungsstrategien im Umgang mit Migration in Deutschland? Welche orientalistischen Stereotype sind in der Clan-Debatte am Werk, und welche Folgen hat die Stigmatisierung für die betroffenen Menschen?
Hallo, mein Name ist Kriminell - Die Normalisierung des „Clan“-Begriffs trägt in spezifischer Weise zum Policing migrantisierter „Anderer“ bei. „Unfassbar! Steuerzahler müssen für Clan-Anwälte blechen!“ So titelte die Bild Bremen im August 2023. Solchen Unfug könnte man vielleicht beim Populismusblatt Nummer eins noch ganz gut ignorieren, stünde der Titel nicht sinnbildlich für die mittlerweile komplette Normalisierung des Begriffs „Clankriminalität“. „Clanfamilien“ stehen für mafiöse Strukturen, so mächtig und reich, dass sie ganze Scharen von Anwält*innen unterhalten können. In der Kontinuität des bundesdeutschen Rassismus stehen „Clans“ für Integrationsverweigerer, die den Staat unterwandern, ihre ganz eigenen Regeln haben und kriminell bis unters Dach sind. Als „Parallelgesellschaften“ sollen sie ganze Stadtteile in Berlin, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen fest im Griff haben und diese Gebiete für den bundesdeutschen Normalbürger zur „No-Go-Area“ machen. Schon alleine, wer einen Namen mit „Clan“-Verdacht trage und in bestimmten Stadtteilen wohne, mache sich verdächtig. Naiv, wer diese Gefahr nicht erkennen wolle! Dass sich hinter diesem Diskurs kein Spiegel der Wirklichkeit, sondern ein riesiges Spektakel verbirgt, ist leicht zu erahnen. Der Band „Generalverdacht. Wie mit dem Mythos Clankriminalität Politik gemacht wird“ schaut hinter die Kulissen und entlarvt die Strategien und Ziele dieser Debatte. Von Andrea Strübe → kritisch-lesen.de 16.01.24
Clankriminalität: Unschuldige im Visier (...) Georg Restle: "Man stelle sich nur mal vor, die Polizei würde regelmäßig Geschäftsräume von Menschen stürmen, nur weil die Schmitt, Müller oder Maier heißen. Wahrscheinlich wäre dann die halbe Republik im Aufruhr. Ich kann Sie beruhigen, das wird wohl nie vorkommen." [Video 10:48, verfügbar bis 30.12.99; Beitrag als Text - auch als PDF-Download] Von Andreas Spinrath → ARD Monitor 23.03.23
"Clankriminalität": eine rassistische Erfindung, die Menschen ausgrenzt Mohammed Chahrour engagiert sich für die Initiative "Kein Generalverdacht" aus Berlin Neukölln. Das Bündnis setzt sich ein gegen rassistische Diskriminierung durch das Konstrukt der "Clankriminalität" und Sigmatisierung durch Großrazzien in Shishabars und anderen migrantisch geprägten Geschäften. [Podcast 45:00, auch als Download] Von Lukas Ondreka → Dissenspodcast 19.01.22
Weitere Pressestimmen:
»Die Herausgeber*innen haben es geschafft, einen wichtigen Baustein der sicherheitspolitischen Debatte mitsamt seinen Anknüpfungspunkten an die derzeit geführte Migrationsdebatte einzufangen und nachvollziehbar zu zerlegen.« Timo Stukenberg, Deutschlandfunk Andruck
»Es ist die Mischung aus wissenschaftlich gut fundierten Analysen und dem Bezug zu konkreten Geschehnissen im Alltag von sog. ›Clanmitgliedern‹, die dieses Buch auszeichnet. Es sollte Pflichtlektüre für alle PolitikerInnen, JournalistInnen, PolizistInnen und StaatsanwältInnen sein, die sich berufen fühlen (oder dazu berufen werden), in diesem Bereich zu agieren.« Thomas Feltes
Die Herausgeber:
Die Herausgeber*innen beschäftigten sich seit einigen Jahren aus verschiedenen aktivistischen und menschenrechtlichen Zusammenhängen heraus mit Politik und Polizeipraxis rund um den Mythos Clankriminalität. Tragende Säulen der Zusammenarbeit sind die Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP Berlin), die Neuköllner Initiative Kein Generalverdacht und das Komitee für Grundrechte und Demokratie.
Clans – große Gefahr oder rassistisches Klischee? I 13 FRAGEN
→ ZDFheute Nachrichten Youtube 28.04.21
Erstellt: 22.01.2024 - 19:46 | Geändert: 22.01.2024 - 20:03