Der konservative Impuls. Wandel als Verlusterfahrung. Von Peter Waldmann

Radikaler Wandel löst häufig Angst aus und wird abgelehnt. Aber der Rückgriff auf Vertrautes und Bewährtes kann eine Entwicklungsdynamik auch fördern und zu einer ihrer wesentlichen Voraussetzungen werden. Wie gehen Menschen mit einschneidenden Veränderungen um? Wie werden z. B. Tod und Trauer, Exil und der Verlust der Heimat, aber auch Hyperinflationen, Revolutionen oder sozioökonomische Entwicklungssprünge sowohl individuell als auch gesellschaftspolitisch wahrgenommen und bewältigt? Peter Waldmann geht davon aus, dass Situationen radikalen Wandels, die überkommene Strukturen prinzipiell infrage stellen, häufig Verlustängste auslösen und ein Festhalten an Altem und Vertrautem zur Folge haben - viele Menschen geben sich, in solche Ereignisse involviert, dem "konservativen Impuls" hin, sie sehen sich als künftige Modernisierungsverlierer.

ISBN 978-3-86854-307-0     32,00 €  Portofrei     Bestellen

In anderen Bevölkerungskreisen stoßen die Veränderungen jedoch auf Beifall und wecken Hoffnungen auf eine verheißungsvolle Zukunft. Die Gesellschaft spaltet sich in gegensätzliche Lager. Die Untersuchung des bekannten Soziologen bezieht sich auf die jüngste Neuzeit und handelt von Fällen individuellen und rapiden sozioökonomischen Wandels sowie politischer Umbrüche an der europäischen Peripherie als auch in Lateinamerika, im Mittleren Osten und in Ostasien. An neun idealtypischen Beispielen vermisster die Stärke des konservativen Impulses. Denn je nach Zeitpunkt, Kontext und Kräfteverhältnis können Äußerungen und Triebkräfte des konservativen Impulses nicht nur die Entwicklungsdynamikbremsen, sondern dieser auch förderlich sein oder sogar zu einer ihrer wesentlichen Voraussetzungen werden. Disruptiver Wandel löst folglich regelmäßig gegensätzliche Reaktionen aus: einerseits das verzweifelte, letztlich vergebliche Festhalten an der Vergangenheit, andererseits, angesichts der Notwendigkeit, sich auf die neue Situation einzustellen, das Bemühen, dieser gerecht zu werden. Das Abarbeiten der Spannung zwischen diesen beiden Polen ist eine Voraussetzung dafür, dass die Betroffenen in ihrer Entwicklung nicht stehen bleiben. Der konservative Impuls ist, so Waldmanns Fazit, eine hochambivalente Größe.

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Verlust und Neuanfang -Jedem Ende wohnt ein Anfang inne? Gutenbergs Welt stellt die Binsenweisheit auf den Prüfstand. mit Insa Wilke |→ hier nachhören Leben im Umbruch – das ist Ulrike Edschmids großes Thema. Für ihren neuen Roman gilt das in doppelter Hinsicht: Ein Mann stürzt, verletzt sich, bleibt querschnittsgelähmt; dann fällt die Mauer. Wie ihre Figuren bei allem Verlust alter Gewissheiten widerstehen, davon erzählt Ulrike Edschmid in Gutenbergs Welt. Wie Menschen mit radikalen Veränderungen umgehen, beschäftigt auch die finnische Autorin Selja Ahava in ihrem märchenhaften Roman "Dinge, die vom Himmel fallen". Und den Soziologen Peter Waldmann. Sein Buch "Der konservative Impuls" gibt Antworten und analysiert die Lage der Gesellschaft im Superwahljahr. → WDR3 07.05.2017

 

 

Erstellt: 01.09.2017 - 19:12  |  Geändert: 02.12.2020 - 17:58