Die ethnische Säuberung Palästinas
Mit einem Grußwort von Ilan Pappe
Ilan Pappe beschreibt, wie der militärische Konflikt in den Jahren 1947 bis 1949 in eine systematische Politik Israels übergegangen ist, die bis heute einen Frieden in Palästina verhindert. Ilan Pappe dokumentiert die Vertreibung von 800.000 Menschen vor, während und nach der Gründung Israels. Zwei Monate vor dem Ende der britischen Verwaltung Palästinas im Auftrag der UN, am 10. März 1948, trifft sich im Roten Haus in Tel Aviv, dem Hauptquartier der Untergrundmiliz Hagana, eine Runde hochrangiger zionistischer Politiker.
Eingeladen hat David Ben Gurion, später Ministerpräsident Israels. Mit dabei sind Politiker und Militärführer wie unter anderem Yigal Allon (später Außenminister), Moshe Dayan (später Verteidigungs- und Außenminister), Yigael Yadin (später stellvertretender Ministerpräsident), Yitzchak Rabin (später Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger). Sie verabreden die Endfassung eines Masterplans zur Vertreibung der arabischen Bevölkerung: „Plan Dalet“ (Plan D). Das Land - nur zu elf Prozent im Besitz der jüdischen Einwanderer, die nicht einmal ein Drittel der Einwohner stellen - soll systematisch freigemacht werden für eine endgültige jüdische Besiedelung, und hierzu ist jedes Mittel recht.
Noch unter britischem Mandat beginnt eine Serie von zionistischen Angriffen auf palästinensische Dörfer und Stadtviertel, werden eine Viertelmillion Menschen im eigenen Land entwurzelt. Es kommt zu Massakern, bei denen gemordet, vergewaltigt und geplündert wird. Nach der Unabhängigkeit Israels werden 531 Dörfer und elf städtische Siedlungen mit Waffengewalt geräumt, 800.000 Palästinenser zur Flucht gezwungen, ihre Häuser samt Mobiliar dem Erdboden gleichgemacht und die Ruinen vermint, damit die Vertriebenen nicht zurückkehren können.
Anhand von Augenzeugenberichten, Tagebuchauszügen und Dokumenten aus Militärarchiven, die lange unter Verschluss gehalten wurden, zeichnet Ilan Pappe ein Bild der Ereignisse zwischen 1947 und 1948, das der offiziellen Geschichtsdarstellung und dem Gründungsmythos Israels in entscheidenden Punkten widerspricht.
Pappe tritt den Beweis an, dass der Gründung seines Heimatlandes Israel eine planvolle ethnische Säuberung vorangegangen ist. Er schildert die Chronologie der Ereignisse in Dörfern und Städten mit quälender Genauigkeit und zeigt, dass das Trauma der gewaltsamen und geplanten Vertreibung von beiden Seiten geleugnet wird: Die offizielle israelische Geschichtsschreibung stellt die Vertreibung der arabischen Bevölkerung als freiwilligen Auszug hin, die Palästinenser sprechen von der „Nakba“, der Katastrophe, als sei es ein Naturereignis, das sie ereilt hat. Aber sich der historischen Wahrheit zu stellen, ist für Pappe eine moralische Entscheidung, ein erster Schritt, der getan werden muss, wenn die Spirale der Gewalt aufhören und Versöhnung zwischen Palästina und Israel eine Chance haben soll.
→ Vorwort
Besprechung des Buches von Ilan Pappé: Die ethnische Säuberung Palästinas. Aus Anlass der Neuerscheinung. Heiko Flottau hat für die NachDenkSeiten dieses Buch besprochen. Ich kenne keine Veröffentlichung, deren Lektüre einem so grundlegend alle Illusionen über eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Israel und Palästina raubt. Es ist informativ und desillusionierend. Damit bewahrt einen die Lektüre vor Fehleinschätzungen. Albrecht Müller. → Nachdenkseiten 08.06.2019
Die ethnische Säuberung Palästinas / Die Stern-Bande: „Terrorismus“ wird im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts gewöhnlich unhinterfragt der Seite der Palästinenser zugeordnet. Ein Comic der beiden Italiener Claudio Stassi und Luca Enoch widmet sich nun einer israelischen Terroristengruppe der 1940er-Jahre: Die Stern-Bande [Leseprobe], ursprünglich „Lechi“, nachträglich nach ihrem Gründer Avraham „Yair“ Stern benannt, gibt der Comicerzählung auch den Titel. Die militante zionistische Gruppe hat sich 1940 von der Irgun, einer weiteren Untergrundorganisation, abgespaltet, die ihrerseits (1931) aus der Hagana hervorgegangen ist, jener paramilitärischen Untergrundmiliz, die später mit der Gründung Israels 1948 in die offizielle Armee des Landes überführt werden sollte. Derlei Abspaltungen lassen eine zunehmende Radikalisierung zionistischer Aktivitäten zur Zeit des Britischen Mandats in Palästina erkennen. (...) Der Schulterschluss des offiziellen Staats mit einer Terroristengruppe aus dessen Gründungszeit, die ihre Missionen mit äußerster Brutalität durchgezogen hat, ist kein Einzelfall, sondern symptomatisch. Das geht auch aus Ilan Pappes Die ethnische Säuberung Palästinas hervor, eine akribische historische Untersuchung zu den Ereignissen in den Jahren 1947/48, die nicht allein in Israel auf heftigen Widerstand gestoßen ist. So ist das Buch, das bereits 2006 auf Deutsch erschienen ist, nun neu aufgelegt worden, was längere Zeit ungewiss war, nachdem der Autor, der selbst Israel verlassen hat und heute in Exeter lehrt, sogar Morddrohungen erhalten haben soll. Von Martin Reiterer → springerin.at Heft 1/ 2015
Weitere Pressestimmen
„Dieses Buch wird in Deutschland keinen Verlag finden“, glaubte Rupert Neudeck. Es kam sogar auf die Sachbuch-Bestenliste.
»WER DEN KERNKONFLIKT IM NAHEN OSTEN BESSER VERSTEHEN WILL, SOLLTE DAS MIT VIEL HERZBLUT GESCHRIEBENE BUCH VON ILAN PAPPE LESEN. Die ethnische Säuberung Palästinas gehört zu jenen dunklen Kapiteln des 20. Jahrhunderts, die von interessierter Seite gerne verdrängt werden. ... Pappe geht es explizit darum, die Mechanismen der ethnischen Säuberung von 1948 zu untersuchen. Doch er will auch das kognitive System ergründen, das es der Welt und den Tätern ermöglichte, die von der zionistischen Bewegung 1948 begangenen Verbrechen zu vergessen oder zu leugnen.« Marcel Pott, Deutschlandfunk
»FLUCHT ODER VERTREIBUNG? ODER GAR EINE GEPLANTE ETHNISCHE SÄUBERUNG? Dies sind noch immer Kernfragen des palästinensisch-israelischen Konfliktes. ... Die Tragik der jüdisch-arabischen Beziehungen besteht auch im Leugnen jener grundlegenden historischen Fakten, die mit zur Gründung Israels geführt haben.« Heiko Flottau, Süddeutsche Zeitung
»EIN NOTWENDIGES BUCH.« Rolf Michaelis, DIE ZEIT
Erstellt: 27.04.2019 - 18:11 | Geändert: 05.04.2025 - 17:05