Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit - eine Abrechnung. Von Daniela Dahn

In sieben Büchern hat Daniela Dahn sich mit der Einheit und den Folgen befasst, ein achtes war nicht geplant. Nun hat sie es dennoch geschrieben, denn die Zeiten sind danach: Nach dreißig Jahren Vereinigung ist die innere Spaltung zwischen Ost und West so tief wie eh und je; und es haben sich sogar neue Klüfte aufgetan, die unser Gemeinwesen erschüttern. Sie haben damit zu tun, dass die vermeintlichen Sieger der Geschichte das Erbe der beitrittsgeprüften "Brüder und Schwestern" komplett ausgeschlagen haben.
Was hat die "friedliche Revolution" den Menschen in Ost und West also gebracht? Viele Annehmlichkeiten, sicher, so Daniela Dahn, aber revolutioniert wurde nichts. Die Geschichte des Anschlusses der DDR ist eine Geschichte von Demütigungen, einer tätigen Verachtung ihrer Kultur, Literatur, Wirtschaft und sozialen Infrastruktur, die immer weiter fortwirkt. Dagegen steht eine geschichtsvergessene Ignoranz, die das Denken in Alternativen entsorgt hat.

ISBN 978-3-499-00104-8     14,00 €  Portofrei     Bestellen

Erstmals beschäftigt sich die Autorin auch mit der Frage, wie das Ende des sozialistischen Systems die Welt verändert hat. Die "siegreiche" Demokratie hat überall an Vertrauen verloren, weil sie von den Eliten, die sie tragen sollen, permanent entwertet wird. Und vor den großen Fluchtbewegungen der letzten Jahre stand die konsequente Weigerung, auch nur ein wenig von dem zurückzugeben, was der "Raubmensch-Kapitalismus" sich zur Beute gemacht hat. Für das vereinigte Deutschland zeigt Daniela Dahn: Bevor der Rechtsextremismus die Mitte der Gesellschaft erreicht hat, kam er aus der Mitte des Staates. Aus Teilen des Sicherheitsapparates, der Bundeswehr, der Verwaltung.
Eine gemeinsame Erinnerungskultur, die sich beschönigender oder dämonisierender Legenden verweigert, gibt es in Deutschland noch nicht. Was müsste sie berücksichtigen? Daniela Dahn gibt hier, streitbar und kompromisslos wie immer, mehr als nur Anregungen dazu.

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Inhaltsverzeichnis

30 Jahre Währungsunion: „Es war organisierte Verantwortungslosigkeit“. Am 1. Juli 1990 wurde in der DDR die D-Mark eingeführt. Die Schriftstellerin Daniela Dahn sagt: Es war eine überstürzte Entscheidung mit schweren Folgen. Warnungen und Proteste wurden ignoriert. Von Daniela Dahn → Berliner Zeitung 28.06.2020

Die feindliche Übernahme. Daniela Dahn erklärt in ihrem Buch, warum die Wiedervereinigung alles andere als ein Befreiungsschlag war. Der DDR-Liedermacher Gerhard Gundermann sagte einst, er habe auf das richtige Pferd gesetzt. Leider habe es verloren. Beim Lesen von Daniela Dahns neuem Buch, das sie im Untertitel „eine Abrechnung“ mit der Einheit nennt, musste der Autor immer wieder an Gundermann denken. Daniela Dahn ist bekannt — unter anderem als Mitherausgeberin der Wochenzeitung Freitag und als stellvertretende Vorsitzende des Willy-Brandt-Kreises. In der Schlussphase der DDR war sie Mitbegründerin des „Demokratischen Aufbruchs“. Ihre Kritik an den Verhältnissen ist scharfsinnig und mutig gegen den Mainstream gerichtet. Sie stuft die Annexion der DDR im Klappentext ihres Buches als „eine feindliche Übernahme auf Wunsch der Übernommenen“ ein. Von Bernhard Trautvetter → Rubikon 23.05.2020

Ein Wegbereiter des Holocaust als Chef des Kanzleramtes. "Warum ausgerechnet der DDR-Antifaschismus das größte Hassobjekt der westdeutschen Elite war und ist, habe ich lange nicht verstanden. Gut, die DDR-Historiker und Juristen hatten bei der Aufarbeitung von Schuld und Mitverantwortung an den Verbrechen der Nazis einen gewaltigen Vorsprung. Das galt nicht nur für die KZ-Forschung, sondern auch für persönliche Verstrickungen Einzelner, die Rückschlüsse auf die Strukturen des Systems zuließen. Die DDR-Führung hatte dabei den Vorteil, über die nötigen Archive zu verfügen und auch zusätzliche politische Motive zu haben. Denn viele der Belasteten waren inzwischen im Westen hohe Funktionsträger. Daraus aber ausschließlich auf den Willen zu Propaganda gegen die Bundesrepublik zu schließen, greift zu kurz. Kein Zeithistoriker vermag zu sagen, wie denn in dieser ungeheuerlichen Causa Globke eine Aufklärung hätte aussehen sollen, die nicht unweigerlich dem Ansehen der Bundesrepublik erheblichen Abbruch getan hätte. Die Herabwürdigung wuchs aus der Sache selbst." Daniela Dahn → Nachdenkseiten 01.03.2020

Die Holocaust-Manipulation. Das in Westdeutschland gepflegte Klischee, in der DDR sei der Mord an den Juden verschwiegen worden, ist falsch. Exklusivabdruck aus „Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute“. Im christlich geprägten Westen Deutschlands wurde und wird gern beweihräuchert. Vor allem hebt man gern die eigenen Grandiosität und moralische Überlegenheit hervor. Der Ex-DDR kommt in diesem holzschnittartigen Weltbild die Rolle des Bösen und Unkorrekten zu. Selbst vor dem sensiblen Thema Holocaust macht das Ossi-Bashing nicht halt. In der BRD sei der Massenmord an den Juden auf höchst noble Weise kulturell und politisch aufgearbeitet worden. In der DDR dagegen sei die Shoa verschwiegen worden. Als Kommunisten hätten sich die Ost-Bürger dafür nicht zuständig gefühlt, hätten sich vielmehr selbst zu Nazi-Opfern stilisiert. Solche Behauptungen kursieren bis heute in historischen Rückblicken. Sie sind aber schlicht nicht wahr. Es ist nachweisbar, wie viele höchst ehrenhafte Filme und Bücher der DDR sich mit diesem dunklen Kapitel der gemeinsamen deutschen Vergangenheit befasst haben. Man denke nur an das großartige Buch „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers. Eine längst fällige Richtigstellung. Rubikon 16.11.2019

Der Tag, der die Welt veränderte. Die Anschläge vom 11. September 2001 sollten kritisch hinterfragt werden. Exklusivabdruck aus „Der Schnee von gestern ist die Sinnflut von heute“. von Daniela Dahn → Rubikon 21.09.2019

Die Autorin:

Daniela Dahn, geboren in Berlin, studierte Journalistik in Leipzig und war Fernsehjournalistin. 1981 kündigte sie und arbeitet seitdem als freie Schriftstellerin und Publizistin. Sie war Gründungsmitglied des «Demokratischen Aufbruchs» und hatte mehrere Gastdozenturen in den USA und Großbritannien. Sie ist Trägerin unter anderem des des Fontane-Preises, des Kurt-Tucholsky-Preises für literarische Publizistik, der Luise-Schroeder-Medaille der Stadt Berlin und des Ludwig-Börne-Preises. Bei Rowohlt sind bislang elf Essay- und Sachbücher erschienen, zuletzt «Wir sind der Staat!» (2013).

 

Im Gespräch: Daniela Dahn 
apolut, ehemals KenFM Youtube 02.03.2020

 

Erstellt: 13.09.2019 - 09:01  |  Geändert: 02.05.2022 - 07:28

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