Weichenstellungen für einen Krieg
Internationales Krisenmanagement und die OSZE im Kosovo-Konflikt

Mit der Teilnahme am Krieg gegen Jugoslawien, dem ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach 1945, wurde Krieg wieder ein »normales« Mittel deutscher Außenpolitik. Deshalb ist es wichtig - so der Autor - den Kosovo-Konflikt kritisch aufzuarbeiten. In seiner zweiten Studie zu diesem Konflikt stellt Loquai das internationale Krisenmanagement, insbesondere die Rolle der OSZE, in den Mittelpunkt seiner Analyse. Aufgrund einer Fülle von persönlichen Recherchen und bisher noch nicht verarbeiteter Dokumente zeichnet der Verfasser die Weichenstellungen zu einem Krieg nach.
Die OSZE war vom Oktober 1998 bis März 1999 für wenige Monate aus ihrem politischen Schattendasein herausgetreten. Sie erlangte eine Schlüsselrolle für eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts. Von den USA für eine auf Krieg ausgerichtete Politik missbraucht, stellte die OSZE ebenso wie die NATO Weichen zum Krieg. Der Verfasser war zur Zeit des Kosovo-Konflikts Leiter einer Militärberatergruppe bei der deutschen OSZE-Vertretung in Wien. Er kennt daher das dortige internationale Krisenmanagement aus eigener Erfahrung. Aus heutiger Sicht erscheinen die damaligen Ereignisse wie eine Generalprobe für das, was auf dem Weg in den Irak-Krieg geschah.
REZENSION: "Der Beschluss der NATO darf nicht zum Präzedenzfall werden und wir dürfen nicht auf die schiefe Bahn kommen, was das Gewaltmonopol des Sicherheitsrates anbelangt. Aber im Kosovo liegt eine humanitäre Notsituation größten Umfanges vor, die sofortiges Handeln erfordert." Als Außenminister Klaus Kinkel diese Worte dem Deutschen Bundestag vortrug, war er schon abgewählt. Eine neue Bundesregierung stand bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Und Verantwortung bedeutete für Rot-Grün in der Außenpolitik vor allem Kontinuität im Schulterschluss mit den USA und der NATO. So kam es, dass außergerechnet eine Koalition aus Parteien, die beide über pazifistische Traditionen verfügten, einem Militäreinsatz gegen Jugoslawien zustimmte. Vertreibung und Völkermord gelte es zu abzuwenden, war die Begründung, die mit ihrem humanitären Anspruch Zweifel nahezu ausschaltete. Von Brigitte Baetz Deutschlandfunk 03.11.2003
REZENSION: Eine Studie aus dem Inneren des Apparats zeigt, wie der Krieg gegen Jugoslawien vorbereitet wurde. - Vorkriegslügen: Brigadegeneral a. D. Heinz Loquai, ehemaliger militärischer Berater bei der deutschen OSZE-Vertretung in Wien, hat eine zweite Studie über die Vorgeschichte des NATO-Angriffs gegen Jugoslawien verfaßt. Der Kosovo-Konflikt stand von Oktober 1998 bis März 1999 unter umfangreicher Kontrolle und Beobachtung. Die Informationen aus dem Bereich der OSZE und der deutschen Botschaft in Belgrad waren verläßlich und präzise – beste Voraussetzungen dafür, daß Bundesregierung und Bundestag ein genaues Bild von der aktuellen Lage erhielten. Schon eine Auswertung der offiziellen Dokumente käme zu Ergebnissen, die »teilweise sehr verschieden« wären von dem, was damals im Bundestag und in der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Von Matthias Gockel, junge Welt AG Friedensforschung [Archiv]
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau: Boris Kanzleiter ist von diesem Buch über die Vorgeschichte des Kosovo-Krieges ziemlich beeindruckt. Der Autor Heinz Loquai war als Brigadegeneral der Bundeswehr und Leiter der Militärberatergruppe der deutschen Vertretung bei der OSZE in einer "privilegierten" Beobachterposition, versichert der Rezensent, und hatte somit nicht nur selbst Einblick in die Geschehnisse, sondern auch Zugang zu erhellenden Dokumenten. Nach Loquai hat die OSZE "erheblich zur Eskalation" des Konflikts beigetragen, referiert Kanzleiter und betont, dass auch wenn die Ausführungen des Autors mitunter geradezu "unglaublich" klingen, man ihm keinesfalls den Hang zu "Verschwörungstheorien" oder gar zur "Beschönigung" der Regierung Milosevics vorwerfen könne. Ganz außer Zweifel steht nach Meinung des Rezensenten nach der Lektüre, dass die "Öffentlichkeit" über die tatsächliche Lage im Kosovo "getäuscht" worden ist und im Zuge des Konflikts die OSZE in ihrer Funktion zur "nicht-militärischen Friedenssicherung schwer beschädigt" worden ist. Perlentaucher 26.04.2004
Erstellt: 08.05.2025 - 06:02 | Geändert: 04.06.2025 - 11:32