Friktionen
Eine Ethnografie globaler Verflechtungen

In Borneo, an einem Ort, der beispielhaft ist für eine globalisierte Welt, offenbart sich, dass aus vielfältigen und widersprüchlichen sozialen Interaktionen, die unsere heutigen Lebensrealitäten ausmachen, ebenso zukunftsträchtige wie monströse Kulturformen entstehen können.
In einer atemberaubenden Szenenfolge zwischen Reportage, Feldforschungsbericht und kulturtheoretischen Überlegungen begleitet Anna Lowenhaupt Tsing die Geschehnisse und entwickelt eine einzigartige Ethnografie der Friktionen.
Der Regenwald im Meratusgebirge auf Borneo verändert seit 1970 grundlegend seine Gestalt: Holz und die natürlichen Ressourcen seiner Böden werden auf dem internationalen Markt verkauft, um Schulden zu begleichen und sich zu bereichern. Nationale und globale, individuelle und universelle Interessen überlagern sich: Korrupte Provinzbehörden machen gemeinsame Sache mit japanischen Investoren, javanesische Einwanderer verdrängen autochthone Waldbewohner. Doch auch zum Schutz des Waldes formieren sich breite Allianzen, Studenten aus der Hauptstadt treffen auf engagierte Dorfbewohner, internationale Aktivisten und Naturliebhaber.
Globale Zukunft, brutal gestaltet: Die US-amerikanische Anthropologin Anna Lowenhaupt Tsing hat sich einen Namen gemacht mit ihren Forschungen über die Einwirkungen der Menschheit auf den Planeten Erde. Tsing zeigt immer wieder auf, dass der Einfluss von Menschen und Kulturen auf die Umwelt höchst unterschiedlich ist. Nun hat sie ihr Buch „Friktionen“, eine neue Sicht auf die Faktoren der Globalisierung, nach 20 Jahren überarbeitet. „Globale Verflechtungen sind allgegenwärtig. Wie also erforscht man das Globale?“, fragt Anna Lowenhaupt Tsing gleich zu Beginn ihres Werkes. Die Professorin für Anthropologie an der University of California in Santa Cruz, eine Quer-Denkerin im besten Sinne, arbeitet seit Jahrzehnten daran, globale Prozesse umfassend zu begreifen. Sie weiß aus tausend eigenen Begegnungen, Beobachtungen, Geschichten, Reflexionen und einer breiten Lektüre einen Theorieteppich zu weben, der die Widersprüche nicht verdeckt, sondern sie als ein buntes Muster präsentiert. „Friktionen: das produktive Aneinanderreiben verschiedener historischer Trajektorien oder Praktiken. Produktiv bedeutet hier, dass etwas Neues entsteht, ob positiv oder negativ. Es ist keine Form des Lobs. Friktionen sind ebenso nützlich für die Betrachtung großer Verbrechen wie unverhoffter Fluchten.“ [Podcast 7:33; Skript zur Sendung] Von Tom Schimmeck Deutschlandfunk 10.03.2025
Pressenotizen Perlentaucher
Der Übersetzer
Dirk Höfer, 1956 geboren, ist Autor und Übersetzer und lebt in Berlin. Studium der Bildenden Kunst und der Philosophie. Redakteur der Kulturzeitschrift Lettre International, später Drehbuchschreiber und Spieleentwickler für Ludic Philosophy, Berlin.
Erstellt: 07.04.2025 - 07:52 | Geändert: 07.04.2025 - 08:32