Mut zum Gaiazän. Das Anthropozän hat versagt. Von Peter Finke

Die Erdwirklichkeit macht Angst, denn sie ist vielfaltsfeindlich, zukunftsunfähig und fortschrittstrunken. Wir haben uns in eine
Ideologie verrannt: das Anthropozän. Statt an Götter glauben wir heute an uns selbst, an unser überschätztes Bruchstückwissen. Viele Fortschritte, auf die wir so stolz sind, tragen Kennzeichen von Wirklichkeitsverlusten. Sie zeigen sich in eingebildeter Exaktheit, übersehenen Zusammenhängen, dem Digitalisierungshype, Technologiegläubigkeit und vielen anderen Irrtümern.

ISBN 978-3-96238-366-4     20,00 €  Portofrei     Bestellen

Unsere verantwortungslose Wissenskultur hat das Anthropozän erst ermöglicht. Im Gaiazän kann Wissenschaft wieder zur Hoffnungsträgerin werden, indem sie einen neuen Sinn für Vielfalt entwickelt, die Kraft der Frauen nutzt, die kritische Kreativität der Zivilgesellschaft begrüßt und die Würde und die Rationalität der indigenen Kulturen anerkennt.

Ein bescheideneres, ausgleichendes Gaiazän ist das erstrebenswertere Menschenzeitalter.

Mit einem Vorwort von Ernst Ulrich von Weizsäcker.

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Inhaltsverzeichnis

Leseprobe des Verlags

Fehler sind Irrtümer, die man korrigieren kann und nicht Endgültiges. Von Hannes Nagel → das Flugblatt 20.02.2022

Rezension von Bobby Langer (20.5.2022):

Anthropozän ist zum Begriff geworden, der zunehmend die Verfehlungen der Menschheit gegenüber der Biosphäre subsumiert – Zielrichtung Untergang der westlichen, scheinrationalen Zivilisation. Eine wichtige Lücke in dieser Generalkritik füllt der Kulturwissenschaftler Peter. L. W. Finke. In seinem schmalen, aber gewichtigen Buch „Mut zum Gaiazän“ beschäftigt er sich mit der Rolle der Wissenschaft im zivilisatorischen Verelendungsprozess der Menschheit. Wer nun meint oder gar hofft, Finke würde die Wissenschaften in Bausch und Bogen verteufeln und esoterischen Ansätzen das Wort reden, wird allerdings enttäuscht. Im Gegenteil besinnt er sich auf die ursprüngliche Rolle der Wissenschaft, „um sie zu retten, weil wir sie noch in jener Hauptrolle brauchen, die sie einmal spielte, aber inzwischen verloren hat: als Hoffnungsträgerin“. Ins Visier nimmt er unter anderem die fortschrittsideologischen Wissenschaftsdisziplinen der Chlorchemie, der Atomphysik, der Genbiologie und der Wachstumsökonomie.

Das Hauptproblem solch bedenklicher bis gefährlicher Wissenschaften benennt er als „Wirklichkeitsverlust“. Notwendig im Sinn des Wortes sei eine „Neue Aufklärung“. Die Zeit der Mythen sei keineswegs überwunden. Vielmehr habe man den Götterglauben durch den Glauben an sich selbst ersetzt. Statt der Götter haben Mythen wie Geld, Fortschritt oder Wachstum die Wissenschaften übernommen. „Wo angeblich nur das Argument zählt und die Suche nach der Wahrheit ausschlaggebend sein soll, gibt es jede Menge Vorgesetzte, Abteilungsleiter, Dekane und Rektoren. Entsprechend den dazugehörigen Mittel- und Unterbau.“

Zum Wirklichkeitsverlust gehört auch der durch viel Kleinklein verloren gegangene Blick auf ein zusammengehöriges Ganzes. „Wir parzellieren den Gesamtzusammenhang in Stücke und vergessen ihn darüber.“ Künstliche Grenzen, gezogen etwa durch das Bürgerliche Gesetzbuch, werden mit natürlichen Grenzen verwechselt, die in Wirklichkeit keine Linien, sondern Übergangsräume bilden. Ein anderer, gewichtiger Aspekt des Realitätsverlusts der Wissenschaft ist ihre übersehene bzw. vergessene Abhängigkeit von Sprache; und zwar nicht von einer Sprache – etwa dem Englischen –, sondern von der jeweils innigen Bedingtheit von Erkenntnis im Kontext einer jeden, noch existierenden Sprache. „English only heißt die sich immer mehr durchsetzende jetzige Bequemlösung. Sie ist eine als Belohnung verkleidete Strafe für unsere Dummheit, die Erkenntnischancen der Sprachverschiedenheit nicht zu nutzen.“

Relevant ist für Finke Wissen nur dann, wenn es zur Grundlage von Handeln werden kann. Andernfalls führe Wissen zu einer ethikfernen Verantwortungslosigkeit: „Reflexionsverweigerung ist das Gegenteil von Aufklärung.“ Zugleich werde Wissenschaft nur da ihrer ursprünglichen Rolle gerecht, wo sie kein „Hort der Gewissheit“, sondern vielmehr ein „Ort kontrollierter Ungewissheit“ sei. Eine Wissenschaft, für die nur exakte Ergebnisse zählen, vereinfache die „Wirklichkeit zu einem handlichen Modell von ihr“.

Erst ein Verantwortungszusammenhang, der Wissen und Handeln, Ethik und Wissenschaftstheorie nicht voneinander trennt, sondern verbindet, schafft für Finke die Voraussetzung, den Schritt vom Anthropozän hin zum Gaiazän zu tun.

189 lesenswerte, Horizont weitende Seiten mit einem Vorwort von Ernst Ulrich von Weizsäcker.

Der Autor:

Peter L.W. Finke war 25 Jahre lang Professor für Wissenschaftstheorie an der Uni Bielefeld. Wissenschaft hat er zeitlebens als Beruf, aber auch als Ehrenamt betrieben. Er ist einer der deutlichsten Kritiker der gegenwärtigen Wissenschaftstheorie, -praxis und -politik; mit seinem skeptischen Ansatz hat er sich auf den Gebieten der Wissenschaftsphilosophie, der theoretischen Linguistik, der Kulturtheorie und des Naturschutzes einen Namen gemacht.

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Erstellt: 23.03.2022 - 06:06  |  Geändert: 20.05.2022 - 11:25

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