Krieg und Geschlecht
Sexuelle Gewalt im Krieg und Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern
In Kriegs- und Krisengebieten kommt es regelmäßig zu sexueller Gewalt. Die Täter stammen aus unterschiedlichen sozialen Gruppen. Die Opfer können weiblich oder männlich, jung oder alt, arm oder reich sein. In den letzten 20 Jahren haben Menschenrechtsorganisationen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Fälle sexueller Gewalt dokumentiert und die Bedeutung und Funktion dieser Gewaltform untersucht. Der vorliegende Band resümiert den aktuellen Forschungsstand.
Thema ist auch die Geschichte der Bordelle, die die SS während des Zweiten Weltkriegs in zehn Konzentrationslagern einrichtete, um die Leistungsbereitschaft männlicher Häftlinge bei der Zwangsarbeit zu steigern. Die SS rekrutierte die Frauen für diesen „Arbeitseinsatz im Bordell“ im KZ Ravensbrück. Der Band fragt nach der besonderen Funktion und Bedeutung dieser Form sexueller Gewalt.
Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern - Geschichte, Deutungen und Repräsentationen: Am 23. März 1942 schrieb der Reichsführer SS Heinrich Himmler einen Brief an den Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, Oswald Pohl. Darin skizzierte er seine Pläne zur Einrichtung von Bordellen in Konzentrationslagern: Den „fleißig arbeitenden Gefangenen“ sollen als Leistungsanreiz „Weiber in Bordellen zugeführt“ werden. 1 Dieser Plan beruhte auf der Vorstellung, dass sich mit Hilfe eines Prämiensystems, das neben Hafterleichterungen wie Tabakwarenbezug und das Tragen eines militärischen Haarschnittes auch den Bordellbesuch einschloss, der Leistungswille männlicher Häftlinge im Rahmen der Zwangsarbeit noch steigern ließe. Weil sie ja schließlich durch ihre Arbeitsleistung dazu beitragen sollen, „dass das deutsche Volk einen großen Sieg erringt, ... müssen wir uns das Wohlergehen der Häftlinge angelegen sein lassen“, schrieb Pohl im Oktober 1943. Erschienen in: L' hommeSex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern : Geschichte, Deutungen und Repräsentationen: Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft, Jg. 21 (2010) [PDF] Von Insa Eschebach genderopen.de (FU Berlin) 2010
Rezension
Seit spätestens Mitte der 1990er-Jahre ist in der – immer schon interdisziplinär geprägten – Frauen- und Geschlechterforschung zum Nationalsozialismus der Streit um Frauen als Opfer oder Täterinnen differenzierteren Analyseschwerpunkten gewichen. Weniger die politisch aufgeladenen Streitigkeiten als vielmehr die Arbeiten zu konkreten Politikfeldern haben gezeigt, wie ertragreich ein analytischer Blick auf das Geschlechterverhältnis in Nationalsozialismus und Krieg ist, der die Auswirkung von Geschlechtszugehörigkeit und nationaler bzw. ethnischer Zugehörigkeit ebenso wie die Zugehörigkeit zu sozialen Schichten zu erfassen vermag. Der von Insa Eschebach und Regina Mühlhäuser herausgegebene Sammelband dokumentiert Beiträge der Sommeruniversität der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück im Jahr 2007 zum Thema „Zwangsprostitution in Kriegs- und Krisengebieten im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert“ und stellt damit eine spezifische Form von Opferschaft in den Mittelpunkt. Von Silke Schneider H/Soz/Kult 17.11.2009
Autoreninfos
Erstellt: 12.12.2025 - 11:26 | Geändert: 12.12.2025 - 13:34
