José Brunner: Paradoxien und Paralyse: Die Verlegenheit der Kritik angesichts der Verkehrung normativer Versprechen
Normative Paradoxien entstehen, wenn eine Leitidee im Zuge ihrer gesellschaftlichen Verwirklichung eine gegenläufige Dynamik entwickelt, die dazu führt, dass sie die Werte oder Ziele negiert, deren Förderung sie bewirken sollte. Normative Paradoxien scheinen ein besonders geeignetes Kritikmodell zu sein, weil die Auswirkungen paradoxaler Phänomene an der ursprünglichen normativen Leitidee gemessen und so einer normativen Kritik unterzogen werden können. Doch zeigt sich, dass normative Paradoxien Kritik auch lähmen. Anhand verschiedener aktueller Beispiele – vor allem aus dem Israel-Palästina Konflikt – wird gezeigt, wie und weshalb die Kritik angesichts der Verkehrung normativer Versprechen in Verlegenheit geraten kann.
»Paradoxien der Gegenwart. Interventionen der Sozialforschung« 15. Dezember 2018, Chagallsaal Schauspiel Frankfurt
Abschlusskonferenz des von der VolkswagenStiftung geförderten und am Institut für Sozialforschung durchgeführten Projektverbundes »Verhandlungsformen normativer Paradoxien«.
Podiumsdiskussion mit Lisa Yashodhara Haller und Barbara Umrath, Moderation: Christina Engelmann: War das Verhältnis zwischen feministischen und marxistischen Ansätzen der Gesellschaftskritik über lange Zeit spannungshaft, gerät aktuell wieder vermehrt das Potential der Marx’schen Analyse für feministische Diskurse in den Blick. So plädieren Autor:innen wie Nancy Fraser für eine Ausweitung des Klassenbegriffs insbesondere unter Berücksichtigung reproduktiver Arbeit, um breite Koalitionen gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung zu gewinnen. In dem Gespräch werden sowohl die analytischen Grundlagen materialistischer Feminismen als auch ihr exploratives Potential zur kritischen Erschließung unserer Gegenwart verhandelt. Diskutiert werden dabei aktuelle Entwicklungen und Desiderate innerhalb der Geschlechterforschung und die Frage, an welche am Institut für Sozialforschung entstandenen Arbeiten eine materialistisch-feministische Perspektive heute anknüpfen kann.