Wohlfahrtspolitik in Zeiten der Säkularisierung
Analysen und Reflexionen

Wohlfahrtspolitik gehört seit dem 19. Jahrhundert zum Kerngeschäft des modernen Staates, bewegte sich von Beginn an aber auch im Kontext der christlichen Kirchen. Protestantismus und Katholizismus standen an der Wiege des Bismarckschen Sozialversicherungsstaats. Der brüchige Wohlfahrtsstaat der Weimarer Republik und der deutlich robustere Wohlfahrtsstaat der frühen Bundesrepublik wären ohne die Kirchen und ihre Soziallehren nicht denkbar gewesen.
Wie aber eine angemessene und kluge Politik der Wohlfahrt genauer bestimmt werden könnte, bleibt Gegenstand von Kontroversen. So setzen sich die Beiträge dieses Bandes mit den normativen Grundlagen des Sozialstaats im Kontext religiöser Traditionen in Zeiten zunehmender Säkularisierung auseinander.
Mit Beiträgen von Bernhard Emunds Christel Gärtner Hermann-Josef Große Kracht Jonas Hagedorn Philip Manow Matthias Möhring-Hesse Frank Nullmeier Ilona Ostner Aloys Prinz Hans-Richard Reuter Christian Spieß Berthold Vogel Katja Winkler
REZENSION: In Zeiten hoher Kirchenbindung setzten sich in der Hochzeit der Industrialisierung viele führende Kirchenvertreter nachhaltig und vehement für die Belange der Arbeitenden und ihrer Familien ein. Katholische Soziallehre und evangelische Sozialethik standen in Deutschland neben sozialistischen Impulsen zu Ende des 19. Jahrhunderts an der Wiege von Bismarcks Sozialversicherungspolitik. In der Weimarer Zeit kämpften christliche Sozialdenker für Wirtschaftsdemokratie, korporatistischen Schutz, familienstützende Maßnahmen und Selbsthilfe der arbeitenden Bevölkerung. Und in der Aufschwungzeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der Bundesrepublik Partizipation und Vermögensbildung der Arbeitenden gerade auch über Unternehmens-Mitbestimmung und investive Lohnanteile nachdrücklich ins Gespräch gebracht. Nun, da der Anteil der kirchlich gebundenen deutschen Bevölkerung mit knapp der Hälfte der Gesamtpopulation in etwa gleich so hoch ist, wie die den christlichen Kirchen Fernstehenden, darf gefragt werden, wie sich die Stoßrichtung der christlichen Kirchen in Richtung auf Sozialreformen ausnimmt. Dazu ist von Campus in Frankfurt aus Anlaß des 80. Geburtstags des Münsteraner katholischen Kirchensoziologen Karl Gabriel der Aufsatzband „Wohlfahrtspolitik in Zeiten der Säkularisierung“ vorgelegt worden. Von Kurt Witterstätter socialnet. 11.06.2024
Die Herausgeber
Hermann-Josef Große Kracht, Dr. phil., ist Akademischer Oberrat am Institut für Theologie und Sozialethik der TU Darmstadt.
Christian Spieß, Dr. theol., ist Professor für Christliche Sozialwissenschaften und Leiter des Johannes Schasching SJ Instituts der Katholischen Universität Linz.
Erstellt: 14.01.2025 - 07:29 | Geändert: 14.01.2025 - 07:49