Angabe der Person
Prosa
Ein Steuerverfahren, das selbst intimste E-Mails auswertet, wird für Elfriede Jelinek zum Anlass, auf ihre «Lebenslaufbahn» zurückzublicken. Erstmals erzählt sie literarisch die Geschichte des jüdischen Teils ihrer Familie. In die persönlichen amtlichen Angaben schieben sich Berichte über das Schicksal von Verwandten, die während der Nazizeit aus Österreich fliehen mussten, die deportiert und ermordet wurden. Zugleich führt der private Finanzfall auch zum Nachdenken über globale Kapitalströme. Wie sehr profitieren Staaten bis heute von enteignetem jüdischem Vermögen? Wie viele NS-Größen wurden umgekehrt nach 1945 anstandslos entschädigt? Und was sind aktuelle Steuersparmodelle oder handfeste Betrugsskandale, von Cum-Ex-Geschäften bis zu Wirecard?
So autobiografisch wie allgemeingültig, so sarkastisch wie wütend rechnet Jelinek in Angabe der Person nicht nur mit sich, sondern auch mit einer Gesellschaft ab, die sich eher für die Täter als für ihre Opfer interessiert – und verfolgt die weitverzweigten Wege des Geldes als eines der größten Geheimnisse in der modernen Wirtschaft.
Rezensionen
Scharfe Worte: Sprach-Geschosse. Zu Elfriede Jelineks neuem Buch „Angabe der Person“. Jelinek weiß um die grundsätzliche Vergeblichkeit und Sinnlosigkeit ihres Dichtens, aber sie ist es sich schuldig, nicht zu schweigen, wenn es um Unrecht und die Wiedergutmachung gegenüber Opfern geht. Das gibt ihr als Schriftstellerin eine Würde, die sie nicht antasten lässt, schon gar nicht von Steuerfahndern aus Bayern oder Leuten, die „Nestbeschmutzerin“ schreien. Von Herbert Fuchs literaturkritik.de 10.03.2023
... es geht ums Finanzamt, den eigenen Tod, die ungeliebten Eltern. "Schon der Titel ist ein raffinierter Coup: "Angaben zur Person" müsste es im korrekten Bürokratiedeutsch heißen ... Doch nein, es ist die Angabe der Person, die Person gibt an, sie gibt hier an mit ihrem sprachlichen Können, mit ihren Ahnen und mit ihrem historischen Wissen." Vielleicht ist es der zugänglichste, menschlichste Jelinek-Text der letzten Jahre. Von Martin Pesl nachtkritik 15.11.2022
Autoreninfos
Erstellt: 09.10.2025 - 07:36 | Geändert: 09.10.2025 - 07:59