Klassen Nationen Literaturen. Eine theoretische Betrachtung. Von Aijaz Ahmad

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Nationalismus zum Hauptausdruck des Widerstands gegen den westlichen Imperialismus in einer Vielzahl von Regionen, vom indischen Subkontinent über Afrika bis hin zu Teilen Lateinamerikas und dem pazifischen Raum. Mit der Bandung-Konferenz und der Bewegung der blockfreien Staaten schlossen sich viele ehemalige Kolonien Europas zu einem gemeinsamen Block zusammen, der weder mit der fortgeschrittenen kapitalistischen "ersten Welt" noch mit der sozialistischen "zweiten Welt" in Einklang stand. In diesem historischen Kontext entstand die Kategorie "Literatur der dritten Welt", die innerhalb kürzester Zeit eine ganz eigene Disziplin wissenschaftlicher und kritischer Studien hervorgebracht hat, insbesondere in westlichen Wissenschaftskreisen, aber auch zunehmend in den Heimatländern dieser Literatur in der "dritten Welt".

ISBN 978-3-946946-21-2     26,00 €  Portofrei     Bestellen

In "Klassen, Nationen und Literaturen" stellt sich Aijaz Ahmad gegen die wachsende Tendenz zur Homogenisierung der Literaturen und Kulturen der "dritten Welt" und äußert statt dessen eine lebhafte Kritik an den wichtigsten theoretischen Aussagen zum "Kolonialdiskurs" und zum "Postkolonialismus", wie sie durch Fredric Jameson, Edward Said und der Subaltern Studies Group bekannt geworden sind. Darüber hinaus widmet sich Ahmad aber auch brillanten Analysen des Konzepts der "indischen Literatur", der Genealogie des Begriffs "dritte Welt" und den Bedingungen, unter denen die sogenannte "koloniale Diskurstheorie" in den intellektuellen Kreisen der westlichen Metropolen entstand. Zusammen genommen unternimmt Ahmad also eine Neuvermessung der Terrains dieser Kulturtheorien, die den momentanen Diskussionen über Postkolonialismus eine wichtige neue (Gegen-) Stimme hinzufügt.

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Inhaltsverzeichnis

Aus einer anderen Perspektive (...) Für interessierte Leser ist diese Darstellung aus der Perspektive der Nicht-Ersten-Welt so entscheidend wie auch die des Kenianers Ngũgĩ wa Thiong’o (Dekolonisierung des Denkens – Essays über afrikanische Sprachen in der Literatur 1986/deutsch 2017). Diese Rezension kann nur andeuten, was Leser an Einsicht, marxistischer Analyse, Denkanstößen und Wissen über die Vielfalt der Literaturen der Nicht-Ersten-Welt vor allem des Ostens erwartet und bereichert. Die gegenwärtige Lage bezüglich der Ukraine verdeutlicht erneut den erschreckenden und zutiefst rassistischen Euro-/Erste-Welt-Zentrismus, der den Blick auf die ganze Welt verhüllt. Gegen solchen exklusiven, von den kolonialen Mutterländern definierten Blick hat Ahmad auf seinem Gebiet gekämpft. Von Jenny Farrell → UZ 08.04.22

"Während einige radikale Kritiker den Marxismus anscheinend vergessen haben, hat der Marxismus selbst, in der Form von Ahmads verheerenden, mutig unmodernen kritischen Abhandlungen, diese Kritiker nicht vergessen." Terry Eagleton

"In der alten europäischen Welt und der englischsprachigen neuen gibt es das zähliche Vorurteil, dass marxistisches Denken und progressive Literatur von Rang nur in diesen Weltteilen zu finden ist, nicht aber in anderen Weltgegenden und Sprachen. Der hier vorliegende Band argumentiert leidenschaftlich und sachlich scharf gegen dieses Vorurteil, wendet sich zudem kritisch gegen bestimmte Tendenzen der neueren, heute modischen, sich marxistisch nennenden Theorien, die den Anspruch stellen, diese vorhandenen Lücken zu füllen, diese aber verfehlen oder neue Lücken aufreißen. Nicht zuletzt aber besteht Ahmads Verdienst darin, über die Kritik hinaus theoretische Wege zu weisen, die aus den konstatierten Dilemmata herausführen. Da dies konsequent auf der Grundlage der theoretischen Lehren der marxistischen Klassiker erfolgt, lässt sich bei Ahmads Buch von einem gelungenem Beispiel eines ‘pluralen’ Marximus sprechen." Thomas Metscher

Der Autor:

Aijaz Ahmad, Jahrgang 1932, ist ein marxistischer Philosoph, Literaturtheoretiker und politischer Kommentator. Er hat an verschiedenen Universitäten in den USA, Canada und Indien gelehrt. Unter anderem war er Professor am Nehru Memorial Museum und der Bibliothek in Neu Delhi und war Inhaber des Rajiv Gandhi Lehrstuhles an der Jawaharlal Nehru Universität, sowie des Khan Abdul Gaffar Khan Lehrstuhles an der Jamia Millia Islamia, beide in Neu Delhi. Seine Veröffentlichungen umfassen unter anderem: “Communalism and Globalization: Offensives of the Far Right (2004)”, “Afghanistan, Iraq, and the Imperialism of Out Time (2004)” und “Lineages of the Present – Ideology and Politics in Contemporary South Asia (2000)”. Er war renommierter Professor für kritische Theorie im Fachbereich vergleichende Literatur an der Universität Irvine, Kalifornien. Er starb am 09.03.2022.

 

Erstellt: 12.07.2022 - 06:36  |  Geändert: 23.02.2024 - 11:01

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