Historisch-materialistische Kritik gängiger Erklärungen des gesellschaftlichen Naturverhältnisses im Kapitalismus fördert idealistische, kulturalistische und politizistische Verkürzungen zu Tage. Eine kritische Theorie des gesellschaftlichen Naturverhältnisses auf Basis des Marx‘schen Hauptwerks Das Kapital zeigt, dass die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Gesellschaft notwendig zu systematischer Naturzerstörung führen. Die kapitalistische Produktionsweise ist mit nachhaltiger Entwicklung unvereinbar.
Kapitalismus + Naturzerstörung - Für ein strategisches ökosozialistisches Projekt (Christian Stache)
Quelle: Quo Vadis, DIE LINKE?
auf YouTube (06.05.2021) 1:17:11
Vortrag von Christian Stache auf Einladung von Quo Vadis, DIE LINKE? am 30. April 2021
Innerhalb des einen Jahres Coronapandemie und des herrschenden Krisenmanagements in den westlichen Zentren haben sich mindestens drei Sachverhalte bestätigt, die sich bereits zuvor im Umgang mit anderen sozialökologischen Problemen wie dem anthropogenen Klimawandel, der Tierausbeutung oder der Auslaugung der Böden immer wieder gezeigt haben:
Das gestörte Verhältnis der kapitalistischen Gesellschaft zur Natur ist mittlerweile ein wesentliches, konstitutives Moment ihrer aktuellen historischen Entwicklung im Weltmaßstab. Dabei ist die internationale SARS-CoV-2-Epidemie lediglich die jüngste Facette der sozialökologischen Krise, die aufgrund ihrer spezifisch gelagerten Temporalität, Geographie und Opferverteilung derzeit vor allem den kapitalogenen Treibhauseffekt in der politischen und medialen Aufmerksamkeitsökonomie überstrahlt. In der Wirklichkeit überlagern und ergänzen sich die verschiedenen Formen kapitalistischer Naturzerstörung. Trotz und auch wegen der enormen Produktivkraftentwicklung in einem auf private Profitakkumulation ausgerichteten, politisch-ökonomischen System verdichten sie sich in einer in dieser Form noch nicht dagewesenen Beschädigung der Natur. Zu deren Opfern zählen nicht nur zahlreiche Tiere, sondern vor allem auch weite Teile der arbeitenden Klassen des kapitalistischen Weltsystems.
Ferner hat sich einmal mehr herausgestellt, dass die herrschenden Klassen weder willens noch dazu in der Lage sind, die sozialökologische Krise an ihrer Wurzel – den bürgerlichen Eigentums- und Produktionsverhältnissen – anzupacken und zu lösen. Vielmehr setzen sie auf eine Kombination aus autoritär-neomalthusianischer Politik und technologischer Entwicklung, welche die Folgen kapitalistischer Naturdestruktion nur eindämmt und mildert, zeitlich und teils auch geographisch verschiebt. Letztlich wird auch das Management der Coronakrise auf dem Rücken der lohnabhängig Beschäftigten ausgetragen. Sie erkranken und sterben vermehrt, ihnen bricht die ökonomische Lebensgrundlage weg und selbst die Gestaltung ihrer freien Zeit – in Präcoronazeiten auch nicht unbedingt ein Bollwerk des Protests und Widerstands – wird in einem Maße beschnitten, das zumindest für die imperialistischen Zentren in der Nachkriegszeit beispiellos ist.
Sowohl der qualitative Sprung im gesellschaftlichen Naturverhältnis als auch der Klassencharakter der ökologischen Krise und ihrer Bewältigung lassen keinen anderen Schluss zu, als den Klassenkampf von oben auf dem Terrain der Ökologie zu erwidern und ihn von unten zu organisieren. Die zentrale Herausforderung besteht hier darin, ein eigenständiges strategisches ökosozialistisches Projekt zu formulieren und auf die Beine zu stellen. Dieses muss sich einerseits von konservativen und grün(neo)liberalen Ökomodernismen abgrenzen, sich andererseits aber auch von Green-New-Deal-Angeboten regierungswilliger Rebellen und der Fetischisierung der Kultur- und Politikformen grüner Bewegungssozialdemokratie unterscheiden. Im Zentrum eines solchen Projekts revolutionärer Realpolitik stünde ein Konversionsprogramm der sozialökologisch gefährlichsten und zugleich profitträchtigsten industriellen Kapitale (Energie-, Automobil-, Agrar- und Fleischproduktion etc.) sowie die sofortige Auflösung des militärisch-industriellen Komplexes. Es verbände Reformen mit einer Revolutionierung der Eigentumsverhältnisse ebenso wie ernstzunehmende politische und ökonomische Perspektiven für Kolleginnen und Kollegen mit einem Rückbau der destruktiven Industrien auf Kosten ihrer Profiteure.
Im Vortrag werden die theoretischen Grundlagen der kapitalistischen Naturzerstörung mit Bezug zur marxschen Theorie und aktuellen Beispielen entfaltet. Im Anschluss werden die Grundlinien einer ökosozialistischen Klassenpolitik dargelegt und schließlich Eckpunkte eines strategischen ökosozialistischen Projekts umrissen.
Erstellt: 25.07.2025 - 06:34 | Geändert: 25.07.2025 - 06:34