Die Jünger Jesu

Die Jünger Jesu sind eine Jugendbande, die im zerstörten Würzburg im Keller einer Klosterkirche ihren geheimen Treffpunkt hat. Sie nehmen von den Reichen ein Pfund Kaffee, ein paar Schuhe und lassen das Diebesgut heimlich den Bedürftigsten in der Stadt zukommen.
In parallelen Handlungssträngen erzählt Leonhard Frank vom untergründig schwelenden Neonazismus im Nachkriegsdeutschland, von der tragischen Liebe zwischen einem deutschen Mädchen und einem amerikanischen Soldaten und vom Schicksal der jüdischen Heimkehrerin Ruth.
Leonhard Frank schreibt in seiner Autobiographie Links wo das Herz ist : Michael (das ist L. Frank) sagte sich, als Schauplatz dieses Romans, dessen Vorgänge und handelnde Personen ausnahmslos frei erdacht werden mussten, könnte er jede deutsche Stadt wählen. Er wählte das zerstörte Würzburg als Schauplatz, weil er zu seiner Heimatstadt die stärkste Gefühlsbeziehung hatte.
Homepage der Leonhard-Frank-Gesellschaft e.V.
Kritik zur Uraufführung "Die Jünger Jesu" in Würzburg
Jesu Jünger im Ungefähren. Im vergangenen Jahr stand der im Nachkriegs-Würzburg angesiedelte Roman „Die Jünger Jesu“ von Leonhard Frank im Zentrum der Aktionswochen „Würzburg liest ein Buch“. Für ihren Stück-Entwurf auf Basis des mehrschichtigen Prosawerks gewann die Würzburger Autorin Ulrike Schäfer im Juni 2014 den von einer Jury vergebenen Leonhard-Frank-Preis des Mainfranken Theaters. Von Manfred Kunz → Mainpost vom 12.06.2015
Buchbesprechung
Verhasste Liebeserklärung. Leonhard Frank: Die Mehrheit der Würzburger verabscheute seinen 1949 erschienenen Nachkriegs-Roman „Die Jünger Jesu“. Sie hatten ihn richtig verstanden. Von Wolfgang Jung → Mainpost vom 10.01.2014
Zitate aus dem Buch:
Den folgenden Morgen floß der Main, in dem sich die schönste Stadt des Landes gespiegelt hatte, langsam und gelassen durch Schutt und Asche, hinaus in die Zeit. (S. 5, S. 7)
„Wir, die Jünger Jesu, Vollstrecker der Gerechtigkeit, nehmen von den Reichen, die alles haben, und geben es den Armen, die nichts haben.“ (S.14)
"Your father will be worried. [...]"
"My father is dead"
"Oh."
"He was a member of the international brigade." [...] "And in his last letter he wrote that the Pope is supporting Franco." (S. 61)
Glauben Sie, daß die moralische Wiedergesundung des deutschen Volkes möglich ist, solange es die Opfer seiner Verbrechen kreuzigt? (S., 72, S. 74f)
Da möcht ich Sie etwas fragen, weil Sie ein Priester sind: Wenn Ruth zu Jesus gekommen wäre und vor ihm gestanden hätte, was würde Jesus getan haben? (S. 72, S. 75)
"Bereit sein ist alles. Bereit für Den Tag! Unser Block gegen Rußland ist unüberwindlich." (S. 107)
"Ein Haus zu bauen wäre besser, als eins in die Luft zu sprengen." (S. 110)
"In der letzten Zeit hab ich über vieles nachgedacht. Wenn man [...] sechs Millionen umbringt, nue weil sie Juden sind, und in Rußland 9 Millionen Zivilisten!" (S. 111)
„Was würdest du dazu sagen, wenn du wüßtest, daß es hier in Würzburg wieder Nazis gibt, und daß…“ „In Würzburg gibt es mehr Nazis als Brot.“ (S. 112, S. 115)
„Man entfesselt einen Krieg um die Weltherrschaft, zerstört ganz [halb] Europa, bringt auf möglichst schauerliche Weise zwanzig Millionen Menschen um, dann wohnt man im Keller.“ (S. 145, S. 148)
„Ein nationaler Krieg um Lebensraum und Weltgeltung ist berechtigt, solange die Güter der Welt ungleich verteilt sind. Die Vorkommnisse in Dachau und so weiter sind natürlich abzulehnen. Aber wenn Deutschland den Krieg gewonnen hätte, würden wahrscheinlich auch Sie anders sprechen“. […] „Ich war in Dachau, weil ich nicht anders gesprochen habe.“ (S. 145, S. 148)
„Mein Vater hat letzthin gesagt – wenn nicht bald etwas geschieht, müssen anstatt Nazis die Sozialisten wieder untergrund gehen.“ (S. 149, S. 152)
„Zu was haben sie denn eigentlich Krieg geführt gegen die Nazis, wenn sie jetzt selber einen Nazi zum Minister machen. Ich versteh das nicht.“ (S. 149, S. 152)
„Die Autoritäten des geschriebenen Rechtes ließen den Mörder der Freudenheims unbehelligt. Die von den Nazis geschändete Tochter vollzog an dem Mörder ihrer Eltern die Strafe, der er auf Grund des geschriebenen Rechts verfallen war. Das Opfer der Nazis tat, was die Autoritäten unterlassen hatten, zu tun. Wer ist anzuklagen?“ (S. 174 , S. 177)
„Zwischenzahl, der Mörder der Freudenheims, ist nach dem Sturz der Naziherrschaft unbehelligt geblieben, obwohl die Zeugen Frank und Faultisch sich sofort nach dem Ende des Krieges in Briefen an die Staatsanwaltschaft als Augenzeugen angeboten hatten. Sie haben sich kürzlich, als Zwischenzahl wegen Schwarzhandels in Untersuchungshaft war, noch einmal angeboten. Es geschah wieder nichts. Der Herr Untersuchungsrichter hat die Zeugen nicht vernommen. Er hat Zwischenzahl freigelassen.“ (S. 184, S. 187)
„Fräulein Freudenheim hat mit angesehen, wie ihre Eltern erschlagen wurden. Wenn dieses Mädchen, das durch die Erlebnisse im Bordell als weibliches Wesen vernichtet ist, zurückkehrt in die von der Naziherrschaft befreite Gemeinschaft, erfährt sie, daß der Nazi, der den schauerlichen Mord an ihren Eltern veranlaßt hat, nicht bestraft wurde. Sie erschießt ihn. „ ( S. 188, S. 191)
„Die Nazis haben sechs Millionen Juden ermordet. Eine [geschändete] Jüdin erschoß einen Nazi. Es darf nicht sein, daß gegen das Opfer der Nazis das formale Recht [ein Recht] angewendet wird, da es nicht angewendet wurde gegen den Nazi, der ihre Eltern ermordet hat. Es wäre die Fortsetzung der einseitigen Nazijustiz, durch die ein Teil des deutschen Volkes in moralische Verkommenheit sank.“ [Der Halbsatz ist ganz weg] (S. 190, S. 193f)
„Unser Blockwart hat meinen Neffen der Gestapo angezeigt [, weil der Bub heimlich den 'Kleinen Vorwärts' verteilt hat]. Meinen Neffen haben sie in Dachau umgebracht – der Blockwart ist jetzt im Polizeidienst. Das macht mich krank, sooft ich daran denke.“ (S. 194, S. 198)
„Die Welt ist, in anderer Verteilung, wieder in zwei Lager gespalten, mit Deutschland in der Mitte. Auch das deutsche Volk ist in zwei Lager gespalten.“ (S. 219, S. 221)
„Was wird in zehn Jahren in Deutschland sein?“
Sie gingen weiter. […] In den vier Ecken des mit Balken eingehegten Platzes loderten Leuchtfeuer. Scharfs Gruppe exerzierte, die runden Holzstäbe geschultert wie Gewehre. Es waren schon neunzig SA-Athleten.“ (S. 223, S. 225)
Erstellt: 11.01.2014 - 12:24 | Geändert: 19.10.2024 - 12:32