Was heißt sprechen?
Zur Ökonomie des sprachlichen Tausches
Sprechen ist soziales Handeln - unsere alltägliche Sprache reflektiert eine Reihe außersprachlicher, sozialer Faktoren, ist Bourdieu überzeugt. Während die theoretische Sprachwissenschaft, z. B. nach Saussure und Chomsky, die soziale Komponente der Sprache oft zu abstrakt konzipiert und Soziolinguisten sich mitunter im empirischen Detail verheddern, gelingt es Bourdieu, mit diesem inzwischen zum wissenschaftlichen Klassiker gewordenen Werk "neues Licht auf eine Reihe von Problemen im Zusammenhang mit Sprache und Sprachgebrauch zu werfen.
Er beschreibt den alltäglichen sprachlichen Austausch als situierte Begegnungen zwischen Akteuren mit bestimmten sozial strukturierten Voraussetzungen und Kompetenzen, die bewirken, dass jede sprachliche Interaktion, wie persönlich und unbedeutend sie auch scheinen mag, die Spuren der sozialen Struktur trägt, die sie zum Ausdruck bringt und zugleich reproduzieren hilft", so John B. Thompson in seiner Einführung. Ein vielfältiger Band mit breitem Themenspektrum, gruppiert um die Idee von Diskurs als Wert auf dem sozialen Markt und scharfsichtig analysiert von einem der führenden Intellektuellen unserer Zeit
Was heißt hier "Sprechen"? Lässt sich Bourdieus "Ökonomie des sprachlichen Tausches" für eine Theorie kommunikativer Verständigung nutzen? Bourdieu berichtet in seinen Texten zur Soziologie des Sprechens (...) gleich zweimal von einem Bauern, der zum Bürgermeister einer Kleinstadt im Bearn, der Heimatregion Bourdieus im Südwesten Frankreichs, gewählt wurde. Der überraschte Bauer lehnte die Wahl allerdings mit der Begründung, er könne nicht reden, ab. Bourdieu attestiert dem Bauern in seinem Kommentar nun „ein völlig realistisches, ein völlig soziologisches“ (...) Verständnis der eigenen sprachlichen Kompetenz und ihres Marktwertes. Von Norbert Schröer, in Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 27(3), 37-52 ssoar.info 2002
Autoreninfos
Erstellt: 24.12.2025 - 07:21 | Geändert: 24.12.2025 - 07:37
