Schernikau und die Poetik der Affirmation

Die Arbeit ist der Versuch einer zusammenhängenden historisierenden Lektüre der wichtigsten Essays und fiktionalen Prosatexte des Schriftstellers Ronald M. Schernikau (1960-1991). Der schwule Kommunist erklärte das Lob zur künstlerischen Strategie, formulierte gleichzeitig eine avancierte Gesellschaftskritik und verteidigte den realen Sozialismus auch gegen die Realität.

ISBN 978-3-11-143690-6 22.07.2024 109,95 € Portofrei Bestellen (Buch)

Im Verlauf mehrerer Einzelstudien werden Themen, Schreibweisen und schließlich auch die Widersprüche, in die sich ein solches Projekt verstricken muss, analysiert. Vor dem Hintergrund zentraler politischer und ästhetischer Debatten der 1970er und -80er Jahre werden so die Umrisse einer politischen Poetik nachgezeichnet, die der Schönheit verpflichtet ist. Ein weiteres Augenmerk liegt dabei auf theorie- und bewegungsgeschichtlichen Aspekten. 

Gibt es ein schwules Schreiben jenseits einer auktorialen Selbstpositionierung? Was würde eine kommunistische Literatur auszeichnen? Schernikau verhandelt poetologische Fragen um die Konzepte Autorschaft, Realismus und Werk, die nicht nur an gegenwärtige Diskurse anschlussfähig sind, sondern auf die Kernprobleme der politischen Literatur des Zwanzigsten Jahrhunderts verweisen.

Mehr Infos

Inhaltsverzeichnis

Leseprobe

Ronald M. Schernikau auf Wikipedia

Der Unsterbliche: Sich zu überleben ist ein Kunststück. Ronald M. Schernikau hat es bewiesen. Vor allem in den letzten Jahren erfreut sich sein Werk einer wachsenden Leserschaft, die durch die Fleißarbeit einzelner Personen um Nachlass und Neuauflagen weiter genährt wird. 20 Jahre nach der Erstauflage erschien 2019 Schernikaus Opus Magnum „Legende“ im Verbrecher Verlag in einer umfangreichen und mit lehrreichem Anhang bestückten Ausgabe. Einer der damaligen Herausgeber: Lucas Mielke. Seine 2023 fertiggestellte Dissertation ist in diesem Spätsommer bei De Gruyter erschienen und bietet der akademischen Welt eine erstmalige Auseinandersetzung mit Schernikaus Schaffen in diesem Umfang. Von Misa Harz unsere zeit 22.11.2024

Die Künstler werden alleine sein: Vom 1. bis 3. März 1990 tagte der letzte Schriftstellerkongress der DDR. Ronald M. Schernikau hielt dort eine Rede, deren Weitsicht ihre Zuhörer beeindruckt haben muss – und die sich auch heute noch zu kennen lohnt: „(...) Die Dummheit der Kommunisten halte ich für kein Argument gegen den Kommunismus. Honeckers Versuch, ein guter König zu sein, so klein und mickrig er auch ausfiel, er war der Versuch zu Konsens. Das Faszinierende an dem Terror der Geistlosigkeit unter Honecker war für mich immer das deutliche Gefühl: Wenn die dürften, wie die wollten, wäre das die Versammlung der Klügsten. Nein, mehr: Es ist, durch den Terror hindurch, schon jetzt diese Versammlung. Weshalb wollte die DDR nicht, dass man sie lobt? Das werde ich niemals verstehen. In den Westbüchern der Dissidenten las ich immer nur das ungeheure Lied auf die Zukunft. Ich verneige mich vor ihnen allen, und es gibt gegen ihre Erfahrung kein Aber. Aber da war dieser Konsens. Ich vermute, Sie alle haben diesen Konsens unterschätzt. Er war es, von dem Sie lebten. Er hat Ihre Reden so kunstvoll gemacht, Ihre Kinderbücher so lustig, Ihren Blankvers so spannend. Die BRD hat in ihren vierzig Jahren keinen einzigen Blankvers hervorgebracht, keinen einzigen. – Verteidigt werden müssen nicht mehr Sätze, verteidigt werden muss die Fähigkeit zu Blankvers. Es gibt keinen Blankvers ohne Konsens. Warum haben alle mitgemacht? Weil Sozialismus war." Von Ronald M. Schernikau unsere zeit 22.11.2024

Der Autor

Lucas Mielke arbeitet in der inklusiven Hochschulbildung sowie wissenschaftlich zu politischer Literatur und ihrer Theorie. Ausgehend von seinen aktivistischen Erfahrungen interessiert ihn insbesondere die Beziehungsebene politischer Praxis.

"Die Dummheit der Kommunisten - ist kein Argument gegen den Kommunismus" (R. Schernikau 1990)
leftvision YouTube (30.09.2020)

Autoren

Erstellt: 25.11.2024 - 07:41  |  Geändert: 25.11.2024 - 08:06