Girl Power! Jetzt reden wir! Von Carrie Firestone. Rezension von Johanna

REZENSION
Girl Power! Jetzt reden wir! Von Carrie Firestone   WoowBooks   ISBN 978-3-96177-081-6

„Kleidergeordnet“ zu werden ist der Albtraum jeder Schülerin an der Fisher-Mittelschule. Die „Fingerspitze“ und der Schulleiter sind besessen von der Kleiderordnung der Schule und bestehen darauf, dass jedes sichtbare Hautfitzelchen andere Schüler und vor allem die Jungs vom Lernen ablenken würde. Diese beiden Lehrkräfte patrouillieren regelrecht durch die Schulflure, und bei Verstoß gegen die Kleiderordnung droht ein Gespräch mit dem Schulleiter, sofortiges Heimschicken, um sich umzuziehen oder sogar eine Suspendierung vom Unterricht. Molly findet diese Behandlung extremst ungerecht, da sie hauptsächlich auf Mädchen abziehlt. Außerdem hat ein Mittelstufenleben eh schon genug Herausforderungen. Mollys Mutter verzweifelt im Umgang mit Mollys Bruder Danny und dessen Nikotinsucht. Auch finanziell ist ihre Familie recht knapp bei Kasse. Mollys bester Freund Will ist zum ersten Mal verliebt. Und Molly hat mit neuen und alten Freundschaften zu kämpfen.

Als ihre Freundin Olivia von zwei männlichen Lehrern auf dem Pausenhof zum Weinen gebracht wird, da sie sich weigert, das Sweatshirt, welches den Menstruationsblutfleck auf ihrer Hose verdeckt, wieder anzuziehen, reicht es Molly. Mit einem Körper umzugehen, der erwachsen wird und sich dementsprechend drastisch verändert, ist schwer genug. Da will man nicht täglich schikaniert werden, weil die Klamotten, in denen man sich wohl fühlt, nicht den erwünschten Standards entsprechen. Molly möchte gehört werden. Sie möchte nicht mehr, dass Mädchen als Folge von Demütigungen die Schule verlassen. Sie möchte nicht, dass Mädchen wegen einer Zurechtweisung Klausuren verpassen. Sie möchte keine Bloßstellungen vor Mitschülern mehr miterleben müssen. Molly gründet einen Podcast, indem sie eine Plattform für genau solche Geschichten bietet. Sie lädt betroffene Mitschülerinnen ein und lässt sie erzählen, warum sie kleidergeregelt wurden und wie sie sich dabei gefühlt haben und startet damit eine Protestwelle gegen eine ungerechte Kleiderordnung und damit verbundenes tägliches Body Shaming.

Carrie Firestone erschafft eine liebenswerte Protagonistin, die ein Problem an ihrer Schule erkennt und diesem mutig entgegentritt. Das Buch zeigt eine realistische Mittelschulsituation, die sowohl familiäre Probleme als auch das erste Drama um Liebe und Freundschaft gefühlsnah, aber absolut nicht kitschig porträtiert. Dabei ist das Buch unglaublich vielschichtig, und durch die vielen Flashbacks bekommt der Leser einen tiefen Einblick in Mollys Leben und ihre einzelnen Freundschaften, die sich über die Zeit entwickelt und verwickelt haben.

Weiterhin spricht Carrie Firestone die Probleme von Sucht an und die Schwierigkeiten und Zerrissenheit, die entstehen, wenn man merkt, dass man seinen Bruder an das Nikotin verliert.

Das Buch quillt über an ernsten und schwierigen Themen, aber schafft es, alle einzelnen Handlungsstränge logisch und schlüssig zu präsentieren, sodass die Geschichte rund und hoffnungsgebend wird. Man verliert sich nicht in den vielen Problemen, mit denen Molly zu kämpfen hat, sondern fühlt mit ihr mit und kann ihre Entscheidungen, Beweggründe und Offenheit für neue Freundschaften dadurch besser nachvollziehen. Molly ist ein toller Mensch, den man gerne selbst als beste Freundin haben würde, wird aber realistisch und lebensnah dargestellt.

Die Autorin setzt Mollys Podcast raffiniert ein, um alle verschiedenen Zeitebenen und Handlungsstränge zu bündeln und gibt der Geschichte damit ein festes Rückgrat, um das sich die Handlung schlängelt. Mollys Podcast erweckt Empathie, Mitleid und Wut für die Situation der Mädchen an der Fisher-Mittelschule und ist eine interessante Abwechslung zu Mollys Erzählerperspektive.

Das Buch vermittelt Hoffnung und Stärke. Es ist eine Hymne an die Selbstliebe und die Unterstützung durch Gleichgesinnte. Es ruft dazu auf, zu protestieren, wenn man etwas als ungerecht erachtet und vor allem auch, für das Recht von anderen einzustehen. Denn Body Shaming ist nicht okay. Es ist ein Grund, einen Podcast zu starten. Es ist ein Grund, neue Freunde zu finden. Es ist ein Grund, aufzustehen und zu protestieren und nicht damit aufzuhören, bis man etwas erreicht hat.

Denn „Genug ist genug.“

Girl Power! Jetzt reden wir! Von Carrie Firestone

 

Erstellt: 11.04.2021 - 18:25  |  Geändert: 11.04.2021 - 18:27