Warten auf Wind. Von Oskar Kroon. Rezension von Britta Kiersch

Warten auf Wind. Von Oskar Kroon Hummelburg Verlag ISBN 978-3-7478-0035-5
Dies ist der erste Roman von Oskar Kroon, der in Deutsche übersetzt wurde, und ich hoffe sehr, dass es mehr von ihm geben wird, denn den renommierten Augustpreis – der ihm 2019 für diesen feinen Kinderroman zugesprochen wurde – hat er wirklich verdient. Wüsste ich es nicht besser, würde ich den Schweden Oskar Kroon für einen niederländischen Autoren halten, denn auch er schreibt mit einer warmherzigen und fröhlichen Leichtigkeit über die schwergewichtigen Themen eines Kinderlebens.
Vinga verbringt den Sommer bei ihrem Großvater auf der Insel und das findet sie genial, weil sie sich blind verstehen, sie und der Opa, da fühlt sich das Schweigen richtig an. Daheim auf dem Festland bei ihrer traurigen Mutter ist es genau umgekehrt: Hier fühlt sich gerade alles falsch und schrecklich an. Seit Vingas Vater sich getrennt hat und jetzt mit Angelica zusammen ist, hat sich natürlich auch der Alltag total verändert. Es ist kaum zum Aushalten und auf das Baby, das die beiden bekommen werden, kann Vinga sich nicht freuen. Sie hat den Sommer herbeigesehnt, denn dann kann sie das alles hinter sich lassen.
Beim Großvater ist die Welt in Ordnung, dort ist Vingas sicherer Hafen. Sie liebt das Leben auf der Insel, die Ruhe, das Meer, die Natur, das geregelte Leben ohne große Anforderungen oder böse Überraschungen. Auf der Insel ist alles wie immer: Der Opa (ein alter Seemann) redet nicht viel und fragt noch weniger. Er lässt Vinga machen, was sie will, was soll auf der kleinen Insel schon passieren!? Sie ist ja sowieso fast immer bei dem Boot, das er ihr geschenkt hat, und an dem gibt es noch eine ganze Menge zu schleifen, auszubessern und instand zu setzen. Damit wird Vinga den ganzen Sommer beschäftigt sein. Dann taucht Rut auf. Rut verbringt ebenfalls den Sommer auf der Insel. Ihrer Oma gehört der Dorfladen, aber im Gegensatz zu Vinga findet Rut die Insel langweilig und sehnt sich nach der Stadt, wo ihre Freunde sind und wo etwas los ist.
Das sind zwei der großen Themen dieses Buches: Trennung der Eltern (und die damit einhergehenden Probleme bzw. Konsequenzen für ein Kind) und Freundschaft. Vinga fällt es schwer,00 auf Menschen zuzugehen, sie ist schüchtern, nicht besonders selbstbewusst und schließt nicht leicht Freundschaft. Umso wichtiger wird deshalb das, was sich zwischen ihr und Rut entwickelt. Und Oskar Kroon beschreibt meisterhaft, wie fließend die Grenze zwischen Freundschaft und Liebe ist, wie unzureichend die Begrifflichkeiten manchmal sind für das, was man empfindet und wie überraschend die Intensität der Gefühle sein kann. Absolut überzeugend und in all der Diffusität trotzdem treffend schreibt der junge Autor über die Zerrissenheit des Kindes in der Trennungsphase der Eltern. Und es gelingt ihm eine sehr authentische Familiensituation zu skizzieren, in der alle Beteiligten um Worte ringen und darum, die veränderten Konstellationen zu akzeptieren und neue Organisations- und Verhaltenssysteme zu entwickeln.
Und ganz am Schluss müssen Vinga und ihre Mutter auch noch mit etwas zurechtkommen, das alle anderen Probleme ziemlich klein aussehen lässt, aber darüber decke ich jetzt den Mantel des Schweigens.
Erstellt: 25.03.2021 - 16:36 | Geändert: 27.03.2021 - 11:53