Philosophisches Taschenwörterbuch

Voltaire, der »geistreiche Spötter« - kaum ein Klischee über große Literaten ist so verbreitet. Doch das lässt den französischen Denker weit zu harmlos erscheinen. Geistreich und ironiebegabt war Voltaire gewiss, doch mild lächelnder Spott war seine Sache nicht. Er konnte scharf und ätzend sein, wo er sich engagierte. »Écrasez l'infâme« war sein Schlachtruf - »Zerschmettert alles Niederträchtige«.
Das »Dictionnaire philosophique portatif«, das 1764 erstmals erschien, ist alles andere als ein Nachschlagewerk. Es ist eine klare Abrechnung mit Dummheit, Fanatismus, Borniertheit und Intoleranz. In 73 Stichworten kann man lernen, was eine kritische, undogmatische Geisteshaltung ausmacht. Man kann von ihm lernen, was das Engagement eines Schriftstellers vermag. Und dass Engagement und literarische Qualität einander nicht ausschließen - eine kluge Kampfschrift, von der noch heute Impulse ausgehen können.
Der Literaturkritiker Denis Scheck bezeichnete es zu Recht als Skandal, dass das »Philosophische Taschenwörterbuch« nur in einer Auswahlausgabe auf Deutsch erhältlich sei. Diese Ausgabe macht die deutschsprachige Literaturwelt nun um einen Skandal ärmer.
Nachwort von Louis Moland.
Auszüge:
»Wie jämmerlich, wie armselig ist doch die Behauptung, dass die Tiere Maschinen seien, des Erkenntnisvermögens und der Gefühle beraubt, die ihre Handlungen immer auf die gleiche Weise ausführen, die nichts dazulernen, nichts besser machen können usw.!«
(BÊTES / Tiere)
»Wir holen Erde aus China, als hätten wir keine, dazu Stoffe, als fehlten uns welche; ein winziges Kräutlein, um es dann mit Wasser aufzugießen, so als ob wir in unseren Breitengraden keine Heilkräuter hätten. Zum Lohn dafür wollen wir die Chinesen bekehren, was zwar ein sehr löblicher Eifer ist, aber man sollte ihnen nicht ihr Altertum wegnehmen wollen und ihnen sagen, dass sie Götzendiener sind.« (DE LA CHINE / Über China)
»Was schuldet ein Hund einem Hund und ein Pferd einem Pferd? Nichts, kein Tier hängt von seinesgleichen ab. Doch der Mensch wurde von einem Strahl göttlicher Weisheit erleuchtet, den man Vernunft nennt, und was hat ihm das eingebracht? Dass er fast auf der ganzen Welt versklavt ist.« (ÉGALITÉ / Gleichheit)
»Fanatismus verhält sich zum Aberglauben wie der Fieberwahn zum Fieber, wie der Wutanfall zum Zorn. Wer Ekstasen hat, Wahnvorstellungen, wer Traumbilder für Realität nimmt und seine Einbildungen für Prophezeiungen, ist ein Enthusiast, wer seinen Irrsinn mit Mord verstärkt, ein Fanatiker.« (FANATISME / Fanatismus)
»Das Vorurteil ist eine Meinung ohne Urteil. So flößt man den Kindern auf der ganzen Welt alle Meinungen ein, die man will, bevor sie in der Lage sind, zu urteilen.« (PRÉJUGÉS / Vorurteile)
»Toleranz ist ein Pfand der Humanität. Wir alle sind voller Schwächen und Irrtümer: Vergeben wir uns gegenseitig unsere Dummheiten! – Dies sei das erste Gesetz der Natur.« (TOLÉRANCE / Toleranz)
„Gegen Fanatismus hilft nur die Aufklärung.“ Voltaires „Dictionnaire philosophique portatif“, 1764 erschienen, ist eine Abrechnung mit Dummheit, Fanatismus, Borniertheit und Intoleranz. In 73 Stichwörtern lehrt das „Philosophische Taschenwörterbuch“, was eine kritische, undogmatische Geisteshaltung ausmacht. Zu seiner Zeit wurde es verboten und verbrannt. → Nachdenkseiten 01.11.2020
Voltaire, ein Leben für die Aufklärung. Wer kennt die wichtigsten Gedanken Voltaires, wer sein Leben und seine bedeutendsten Werke? → Correspondance Voltaire
Voltaire: Philosophisches Taschenwörterbuch, nach der Erstausgabe von 1764 erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt von Angelika Oppenheimer → Correspondance Voltaire
Das philosophische Wörterbuch ist Voltaires Kampfansage an die christliche Religion und ihre Kirche, es ist die Schrift, in der man Voltaires lebendige Art zu denken am direktesten erleben kann. → Correspondance Voltaire
Voltaire - Das Bessere ist der Feind des Guten
→ Philosophie Youtube 04.05.2014
Erstellt: 03.11.2020 - 07:03 | Geändert: 02.12.2020 - 17:54