Das Ende der jüdischen Moderne. Geschichte einer konservativen Wende. Von Enzo Traverso

Die jüdische Moderne hat sich während der Epoche der Aufklärung und des Zweiten Weltkriegs entwickelt, zwischen den Debatten, die der jüdischen Emanzipation vorausgingen, und dem Genozid der Nazis. Während dieser zwei Jahrhunderte befand sich die jüdische Moderne im Herzen Europas: Ihre intellektuelle, literarische, wissenschaftliche und künstlerische Reichhaltigkeit erwies sich als außergewöhnlich. Aber der Werdegang der jüdischen Moderne ist erschöpft. Nachdem sie die Funktion einer Heimstätte des kritischen Denkens der westlichen Welt errungen hatten, fanden sich die Juden und Jüdinnen durch eine Art paradoxe Umkehrung auf der Seite der Herrschaft wieder. Die Intellektuellen wurden zur Ordnung gerufen und die Subversiven haben sich selbst gezähmt und sind oft zu Konservativen geworden. Der Antisemitismus steht nicht mehr im Mittelpunkt der westlichen Kulturen und hat seinen Platz der Islamfeindlichkeit überlassen, der vorherrschenden Form des Rassismus am Beginn des 21. Jahrhunderts.

ISBN 978-3-944233-59-8     23,00 €  Portofrei     Bestellen

Die Erinnerung an den Holocaust ist zur "zivilen Religion" unserer liberalen Demokratien geworden und hat aus dem ehemaligen "Paria-Volk" eine respektable, wahrgenommene Minorität gemacht, die Erbin einer Geschichte, nach deren Maßstab der demokratische Westen nunmehr seine moralischen Tugenden beurteilt. In diesem richtungsweisenden Essay analysiert Enzo Traverso diese historische Metamorphose. Seine Bilanz zielt nicht darauf ab, zu verurteilen oder freizusprechen, sondern zum Nachdenken über eine zu Ende gegangene Erfahrung anzuregen, mit dem Ziel, ihr Vermächtnis zu retten, das ebenso durch ihre sterile Kanonisierung wie durch ihre konservative Konfiszierung bedroht ist.

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Inhaltsverzeichnis

Der Autor:

Enzo Traverso, geb. 1957 in Gavi, Piemont/Italien, lebte und arbeitete seit den 1980er-Jahren in Paris. Er unterrichtete an der Universität der Picardie Jules Verne in Amiens und an der École des Hautes Études en Sciences Sociales (Hochschule für Sozialwissenschaft en) in Paris. Heute ist er Professor für Sozialwissenschaften an der Cornell University, New York. Er ist Autor maßgeblicher Werke über Auschwitz und Moderne, Exil, den Holocaust und die Intellektuellen sowie über Paul Celan, Theodor W. Adorno, Walter Benjamin und Siegfried Kracauer. Seine Werke sind in mehr als zwölf Sprachen übersetzt worden. Auf Deutsch erschien u. a. Auschwitz denken. Die Intellektuellen und die Shoah (2000).

 

Erstellt: 05.08.2019 - 06:56  |  Geändert: 31.07.2022 - 12:29

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