[Buchbesprechung] Krone-Schmalz: Russland verstehen

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Das Buch erscheint mitten im Bürgerkrieg der Ukraine. Das heutzutage stark heterogene und gespaltete Land hätte aber als eine kulturelle und politisch-ökonomische Brücke zwischen Ost und Westen agieren können - wenn der Westen die Geschichte und ebenfalls die Interessen Russlands verstanden hätte.

In knapp 176 Seiten schildert Dr. Krone-Schmalz, ehem. Moskau-Korrespondentin der ARD, diverse Ereignisse - auch in der Ukraine - aus verschiedenen Blickwinkeln, und setzt sich auseinander mit der deutschen Berichterstattung, die laut der Russlandexpertin nichts zur friedlichen Konfliktlösung bringt, sondern Feindbilder verbreitet. Mit gefährlichen Folgen.

Es sind die wesentlichen Stationen der letzten 20, 25 Jahre, die das Leben russischer Menschen total verändert haben, die in der Beurteilung Russlands durch westliche Politiker und insbesondere durch die Mainstreammedien nicht berücksichtigt werden: Das größte Land der Welt habe drei 'Revolutionen' (von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft, von der Parteidiktatur zu rechtsstaatlichen Strukturen, und von der Sowjetunion zum Nationalstaat) durchzogen, während dieses Prozesses sei der Westen (die aktuelle EU und die USA) aber nicht zur Seite gestanden und Unterstützung geleistet, sondern stattdessen habe er Russland stetig als unzuverläßig stigmatisiert, und es nie als gleichberechtigten Partner in der Weltgemeinschaft gesehen bzw. eingeschlossen.

Ebenfalls über die meheren Bemühungen Russlands um eine euro-asiatische Zusammenarbeit äußerst sich die Autorin, welche aufgrund der stärkeren transatlantischen Beziehungen nicht stattfinden konnte und kann:

Eine prosperierende Zusammenarbeit zwischen EU und Russland steht jedenfalls nicht an erster Stelle US-amerikanischer Interessen. Die aus den USA mit moralischen Kategorien geforderte harte Sanktionspolitik löst kein einziges Problem, sondern verschärft die Lage, weil sich niemand ernsthaft darüber Gedanken gemacht hat, wie man ohne Gesichtsverlust aus der Eskalationsspirale wieder herauskommt. Den Schaden haben die Länder der EU – unterschiedlich stark ausgeprägt – und Russland.

Sowohl die Hintergründe des Ukraine-Konflikts als auch seine Entwicklung schildert Krone-Schmalz mit Chronistenpräzision und liefert damit genau das, was den veröffentlichten Meldungen der Mainstream-Medien entging. Ihnen wirft sie Fahrläßige Wortwahl, keine Beiweislage und vorzeitige Schuldzuweisungen vor, was im Übrigen auch der Kritik vieler Zuschauer und Leser entspricht.

Eine komplexe Thematik wie der angebliche Bruch des Völkerrechts durch die Eingliederung der Krim an die Russische Föderation stellt die Journalistin anhang eines FAZ-Artikels vom Rechtsphilosophen Reinhard Merkel vereinfacht aber klar vor:

Hat Russland völkerrechtliche Ansprüche der Ukaine verletzt? Ja. [...] "Hat Ruslland die Krim annerktiert? Nein. Waren das Referendum auf der Krim und deren Abspaltung von der Ukraine völkerrechtswidrig? Nein. Waren sie also rechtens? Nein; sie verstießen gegen die ukrainische Verfassung (aber das ist keine Frage des Völkerrechts). Hätte aber Russland wegen dieser Verfassungswidrigkeit den Beitritt zur Krim nicht ablehnen müssen? Nein." Denn was hat Russland mit der ukrainischen Verfassung zu tun? "Jedenfalls seine militärische Präsenz auf der Krim außerhalb seiner Pachtgebiete dort war völkerrechtswidrig. Folgt daraus nicht, dass die von dieser Militärpräsenz erst möglich gemachte Abspaltung der Krim null und nichttig war und somit deren achfolgender Beitritt zu Russland doch nichts anderes als eine maskierte Annexion? Nein". (S. 29f)

Krone-Schmalz fordert ihren Kollegen und der Öffentlichkeit eine präzise Wortwahl für diese schwierige komplexen Themen. Was sich auf der Krim abspielte, war eine Sezession, eine einseitige Abspaltung, bestätigt durch ein Referendum. Erst nach der Abstimmung hat die Krim die Aufnahme in die Russische Föderation beantragt und Russland hat zugestimmt. Eine Annexion, wie im Fall Kuwaits 1991, beudet eine militärische gewaltsamen räuberischen Landnahme. Und ermächtigt die Internationale Gemeinschaft zu kriegerischem Einsatz. (S. 30)

 

 

 

 

Fazit: Ein verantwortungsvolles, faktenreiches Buch, das sich im Allgemeinen der Aufklärung eines breiten Publikums verpflichtet, im Speziellen eine klare Kritik an die Kollegen Journalisten liefert.

 

Doppelmoral

Arroganz 

fahrläßige Umgang mit Sprache

Geschichte der Ukraine

Geschichte der UdSSU

Umgang des Westens mit Russland

Berichterstattung

Lügen

Verleumdung

 

Zitate (in Klammern die Seitennummer)

Vorwort

Wie ist es um die politische Kultur eines Landes bestellt, in der ein Begriff wie "Russlandversteher" zur Stigmatisierung und Ausgrenzung taugt? Muss man nicht erst einmal etwas verstehen, bevor man es beurteilen kann? (7)

Als Willy Brandt, der zusammen mit EGon Bahr Historirsches in der deutschen Ostpolitik geleistet hat, 1989 in Moskau die Ehrendoktorwürde der Lomonossow-Universität zuteil wurde, hat er Michael Gorbatschow gefragt, was er sich in diesen schwierigen Zeiten vom Westen wünschen. Gorbatschows Antwort: Verstanädnis. (13)

1. Kapitel: Der Auftakt

Haben Sie einmal darauf geachtet, wie in Politik und Medien beim Thema Ukraine mit den Begriffen EU und Europa umgegangen wird? In gefühlten neunzig Prozent der Fälle müsste es EU und nicht Europa heißen. Aber diese Begriffe lösen Unterschiedliches aus, weil sie unterschiedlich besetzt sind. Platt formuliert: Europa stellt einen Wert dar, die EU eher ein Ärgernis und zunehmend ein Risiko. Es sind diese entlarvenden unterschwelligen Wertungen, die immer wieder zeigen, wie tief das negative Russlandbild sitzt. Denn wer wollte ernsthaft behaupten, dass Russland nicht zu Europa gehört. In Kreuzworträtseln wird Moskau als europäische Hauptstadt gesucht. Aber in der Diskussion um die künftige Orientierung der Ukraine wird aus Europa ein Gegensatz. (14)

 

Der Westen hat für die Mehrheit der russischen Bevölkerung seine Glaubwürdigkeit verloren und innenpolitisch ist zu viel passiert, das mit der ursprünglichen Ausrichtung nichts mehr zu tun hat. Vertrauensvolle Zusammenarbeit – das war einmal. Meine These lautet: Es hätte keine dritte Amtszeit Putins gegeben, wenn er während seiner ersten und zweiten bei dieser Herkulesaufgabe, das größte Land der Welt von Grund auf umzustrukturieren, von außen vertrauensvoll unterstützt worden wäre. Denn eine Gesellschaft, die sich eingebettet fühlt und nicht umzingelt, kann sich viel freier und unbeschwerter entfalten. ()

 

Die Unanstastbarkeit des Völkerrechts wird offenbar nur dann beschworen, wenn ein nicht-westlicher Staat es bricht. (107)

Eine prosperierende Zusammenarbeit zwischen EU und Russland steht jedenfalls nicht an erster Stelle US-amerikanischer Interessen. Die aus den USA mit moralischen Kategorien geforderte harte Sanktionspolitik löst kein einziges Problem, sondern verschärft die Lage, weil sich niemand ernsthaft darüber Gedanken gemacht hat, wie man ohne Gesichtsverlust aus der Eskalationsspirale wieder herauskommt. Den Schaden haben die Länder der EU – unterschiedlich stark ausgeprägt – und Russland ()