Tier aus Stein, Tier aus Gold. Einer muss zu Stein werden, der andere zu Gold, der Dritte aber wird sehend blind sein. Von Lilli Thal. Rezension von Britta Kiersch

REZENSION
Tier aus Stein, Tier aus Gold.   Gerstenberg Verlag   ISBN 978-3-8369-5919-3

Es ist schon sehr lange her, dass ich „Mimus“ von Lilli Thal las. Das war ein toller Roman, der im Mittelalter spielte und in dem ein König von einem Gegenspieler überlistet, mit seinem Gefolge gefangen genommen und eingekerkert wird. Damals hat mich nachhaltig beeindruckt, dass die Autorin die Geschichte nicht mit der glücklichen Heimkehr enden lässt bzw. mit dem Satz „sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“, sondern deutlich macht, dass langes Eingesperrtsein und die damit einhergehende Ungewissheit schreckliche Spuren hinterlässt oder Menschen sogar ganz zerstört. Dadurch verstärkte sich mein Eindruck, dass diese Autorin ihren Lesern nichts vormachen will und Kindern die Wahrheit sagt, auch wenn sie hart ist.

Lilli Thals neues Buch gefällt mir ebenfalls ausnehmend gut. Es beginnt zur Orientierung mit diesen Sätzen: „Zu einer Zeit, als die Götter noch auf der Erde wandelten. Zu einer Zeit, als man bald Mensch, bald Tier sein konnte. Zu einer Zeit, als die Träume von den Göttern kamen. Oder von Dämonen.“ Jetzt weiß man zwar nicht, wann diese Geschichte spielt, aber man weiß, dass sie nicht in der Realität angesiedelt ist.

Drei Jungen, Kedros, Ion und Smirkos begegnen sich in Helladien am Haus der Göttin, einem Tempel, in dem viele Pilger an diesem Tag eingetroffen sind, um der Göttin zu huldigen. Die drei kennen sich vorher nicht und erleben zufällig ein kleines Abenteuer miteinander, bei dem sie - ohne es zu wissen – von der Göttin verflucht werden, als sie deren heiligen Hain entweihen. Fünf Jahre später tauchen – dem Fluch entsprechend – drei Fluchgeister auf, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Einer der Jungs soll ein Tier aus Stein werden, einer ein Tier aus Gold und der Dritte sehend blind. Die Göttin bedauert mittlerweile ihren Fluch und will die Fluchgeister zurück in den Hades schicken, aber es gelingt nicht. Um die Jungen vor ihrem schrecklichen Schicksal zu bewahren, ruft sie den Helfer, der auf einem goldenen Wagen, gezogen von einem schneeweißen Ross mit ausladenden Flügeln, aufbricht, den Knaben beizustehen.

Der Helfer ist eine geniale Figur. Er und sein warmherziges Pferd Dorcas nehmen der unglaublich spannenden und durchaus auch harten Geschichte die bedrohlichen Spitzen. Die Gefahr durch die Fluchgeister bleibt bestehen, die drei Jungen werden hart geprüft und sie müssen teilweise Schlimmes erleiden, aber immer bleibt die Hoffnung und das Vertrauen in die Kraft und das Geschick des Helfers und seines Pferdes. Wie im echten Leben müssen die Jungen erkennen, dass kleine Fehler manchmal weitreichende Folgen haben können, und dass einem Schreckliches widerfahren kann, ohne dass man Einfluss darauf nehmen könnte. Aber wenn jemand da ist, der es gut mit einem meint, dem man vertrauen kann, gibt es vielleicht doch Hoffnung, und die eigene Kraft wächst.

Lilli Thal hat eine fantasievolle und kluge Geschichte geschrieben, die uns in eine Welt voller Götter, Geister und anderer magischer Wesen entführt, die ihre Leser aber dennoch für ihr eigenes, echtes Leben einiges erkennen lassen kann.

Videotrailer zum Buch

→ Tier aus Stein, Tier aus Gold. Einer muss zu Stein werden, der andere zu Gold, der Dritte aber wird sehend blind sein. Von Lilli Thal

 

Erstellt: 29.07.2021 - 07:36  |  Geändert: 14.08.2021 - 09:11

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