Hier im echten Leben. Von Sara Pennypacker. Rezension von Britta Kiersch

REZENSION 
Hier im echten Leben. Von Sara Pennypacker   Verlag Fischer Sauerländer   ISBN 978-3-7373-5822-4

Ware ist 11 Jahre alt und jemand, der sich oft selbst genügt. Ein Beobachter, der gern in seinen Gedanken ist. Seine Mutter hingegen ist eine extrovertierte, durchgetaktete Person, die mit seiner Art nicht so gut klarkommt, immer Sorgen hat, dass er zu viel allein und irgendwie unsozial sei. Weil sie und ihr Mann einen Arbeitsmarathon durchziehen wollen, um das Haus, in dem sie wohnen, zu kaufen, soll Ware in den Sommerferien in die städtische Ferienbetreuung gehen. Er findet es schrecklich dort und schon am ersten Tag seilt er sich auf das brachliegende Nachbargrundstück ab, auf dem auch die Überreste eine Kirchenruine stehen. Ware interessiert sich intensiv für das Leben und die Werte der Ritter und in den nächsten Tagen beginnt er, die Ruine in eine Burg zu verwandeln. Allerdings ist er nicht allein auf dem Grundstück: Jolene war bereits vor ihm dort und hat mit grünem Daumen begonnen, dort eine Papaya-Plantage zu pflanzen ... Die beiden freunden sich an und finden immer mehr zueinander, vor allem durch den gemeinsamen Kampf gegen die Versteigerung des Grundstücks, von der sie nach einiger Zeit erfahren.

Eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt Wares Seelenleben. Er spürt, dass seine Eltern ihn nicht so richtig verstehen, sich manchmal wünschen, er wäre ein „normales“ Kind und er setzt alles daran, sich zu ändern. Das gelingt ihm auch, allerdings nicht so, wie er sich das vorstellt, sondern in der Form, dass er sich seiner Fähigkeiten bewusster wird, seine Stärken besser kennenlernt und in Jolene eine Freundin findet, die ihn so mag, wie er ist, bzw. weil er so ist. Sein Onkel bestärkt ihn und verhilft ihm zu einem Ausdrucksmittel, dass Ware neue Möglichkeiten eröffnet und ihn auf ungewöhnliche Ideen bringt.

Sara Pennypacker kann sehr schön erzählen, es ist ein Genuss ihr Buch zu lesen und auch ihre Kinder machen Spaß, weil sie fantasievoll, gut und unschuldig sind. Aber mir ist es in jeder Hinsicht etwas zu dick aufgetragen. Ein bisschen weniger von allem hätte die Intensität der Geschichte nicht geschmälert und die Glaubwürdigkeit der Figuren erhöht.

Dieses Buch ist eben so durch und durch amerikanisch wie die Bücher von John Green oder David Levithan. Man nehme zwei oder drei Kinder und deren Familien. Eine Hauptfigur ist auf jeden Fall entweder schwer krank oder muss mit einer Behinderung leben, die andere kommt aus einem problematischen sozialen Milieu und hat am besten auch keine Eltern mehr. Aber beide brennen für eine Sache oder entdecken diese im Verlauf der Geschichte und versuchen, mit aller Fantasie und unter Aufbietung aller Kräfte ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und am Ende sind alle begeistert, die Eltern verzeihen natürlich sofort sämtliche Lügen und Geheimnisse, sehen alle Fehler oder Versäumnisse ein, sind stolz ohne Ende auf ihr großartiges kreatives Kind; für das arme, elternlose Kind wird auch eine tolle Lösung gefunden und sie werden alle glücklich leben bis ans Ende ihrer Tage. Wer will schon ein Buch mit einem traurigen Ende lesen? Aber ein bisschen mehr Realismus hab‘ ich schon ganz gern, wenn die Geschichte im echten Leben angesiedelt ist.

Hier im echten Leben. Von Sara Pennypacker

 

Erstellt: 15.05.2021 - 12:58  |  Geändert: 14.08.2021 - 09:12

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