Hier im echten Leben. Von Sara Pennypacker. Rezension von Johanna

REZENSION 
Hier im echten Leben. Von Sara Pennypacker   Verlag Fischer Sauerländer   ISBN 978-3-7373-5822-4

Ein verlassenes Grundstück mit einer abgerissenen Kirche. Eine Papaya-Plantage und eine Ritterburg. Eine knallharte Realistin und ein einsamer Träumer. Und ein verflixter Sommer, in dem alles schiefläuft, nur um sich letztendlich doch noch zum Guten zu wenden. Er heißt Ware, ist Einzelkind und gerne mit seiner eigenen Fantasie allein. Deswegen ist die Möglichkeit, die ganzen Sommerferien bei seiner Oma in der Seniorenwohnanlage Sunset Palms zu verbringen, für ihn die beste Gelegenheit, einfach einen tollen und entspannten Sommer zu haben. Doch nach dem Sturz seiner Oma und dem damit verbundenen Krankenhausaufenthalt ändert sich alles. Denn seine Eltern wollen ihn nicht alleine zu Hause lassen und schicken ihn stattdessen in das alljährliche Sommerlager der Gemeinde. Ware hasst das Sommerlager, in dem er nicht in Ruhe gelassen wird, da den Erwachsenen wichtig ist, dass er zu Genüge sinnvolle soziale Interaktionen und vielfältige Gelegenheiten zur Persönlichkeitsbereicherung hat.

Zum Glück erhascht Ware beim Laufrundenaussitzen auf einem Baum einen Blick ins verlassene Nachbargrundstück. Und ab dem Moment ist ihm klar, dass die dort liegende Kirchenruine mit ein bisschen Arbeit eine perfekte Ritterburg abgeben könnte und er diesen Sommer sicher nicht im Ferienlager vergammeln wird. Doch er ist nicht der Einzige, der das Potential des Grundstücks erkennt. Jolene züchtet sich dort aus Konservendosen ihre eigene Papaya-Plantage und beansprucht das Gelände für sich. Um die Burg-Plantage vor einer Versteigerung durch die Stadt zu retten, müssen die beiden Gegner aufeinander zugehen und langsam entwickelt sich eine zaghafte Freundschaft.

Sara Pennypacker hat zwei wunderschön gegensätzliche Charaktere erschaffen: Die von Gartenarbeit besessene Jolene, die in ihren Papayas eine Goldgrube sieht, und der rittervernarrte Ware, der eine Kirche in eine Burg umgestalten will, treffen in diesem von der Wirklichkeit abgeschnittenen Raum aufeinander und lernen, zu interagieren und einander zu schätzen.

Der träumerische und unsichere Ware kann mit der schroffen und selbstbewussten Jolene erst gar nichts anfangen und ist eingeschüchtert durch ihr harsches Auftreten und ihrer Art, immer für ihren eigenen Vorteil zu sorgen. Ihm scheint dieses Verhalten schlichtweg ungerecht und es entspricht auch keiner der Regeln des Ritterkodex. Trotzdem gibt er die Möglichkeit einer eigenen richtigen Ritterburg nicht auf und im Laufe der Zeit färbt Jolenes Verhandlungsfähigkeit und Mut auch auf ihn ab.

Das Buch erweckt die Lust, nach draußen zu gehen und etwas umzugestalten. Man kann den Sommer und die Palmen beim Lesen schon fast riechen. Die beiden Charaktere führen den Leser durch ihren zum Teil sehr erwachsenen, aber dann auch wieder kindlich fokussierten Blickwinkel durch einen wunderschönen und erlebnisreichen Sommer, der den Leser erfüllt zurücklässt. In der Interaktion aller Charaktere schwingt etwas sehr Menschliches und dadurch warm Erscheinendes mit, obwohl die Themen nicht nur leicht sind. Vor allem Ware spricht oft Selbstzweifel an und durch sein starkes Gerechtigkeitsgefühl und seine Empathie gegenüber fremdem Leid beschäftigt er sich sehr intensiv mit Problemen. Er zeigt dem Leser deutlich auf, wie unbedachte Worte verletzten und prägen können und auch Schuldgefühle schnell wachsen und dadurch lähmen. Trotzdem löst er immer wieder tapfer seine inneren Konflikte und zeigt damit eine Stärke, aber auch Kreativität, die an der Figur begeistert und das Buch beglückend und lesenswert macht.

Ich würde das Buch ab 11 empfehlen.

Johanna, 16

Hier im echten Leben. Von Sara Pennypacker

 

 

Erstellt: 25.04.2021 - 11:21  |  Geändert: 25.04.2021 - 11:24