Die Bienen und das Unsichtbare. Von Clemens J. Setz. Rezension von Christopher Franz

REZENSION 
Die Bienen und das Unsichtbare. Von Clemens J. Setz.   Suhrkamp   ISBN 978-3-518-42965-5

Kennen Sie Volapük? Es ist keine Stadt nördlich des Polarkreises und auch nicht das Nationalgericht eines Volkes aus dem fernen Osten, sondern eine Sprache. Besser gesagt eine Plansprache. Eine Sprache also, deren Wortschatz und Grammatik von jemandem erfunden wurde. Dieser Jemand war der aus dem unweit von Würzburg gelegenen Oberlauda stammende Pfarrer Johann Martin Schleyer, und er hat Volapük ab 1880 geschaffen. Dass sie heute eigentlich völlig unbekannt ist, hat sie gemein mit vielen Erfindungen. Eigentlich ist nur Esperanto, dessen Entwicklung in gut einem Drittel des Buches behandelt wird, auch heute noch zumindest ein Begriff. Gesprochen wird sie aber nur von wenigen.

Der österreichische Schriftsteller Clemens J. Setz hat also keinen Reiseführer in abgelegene Regionen Osteuropas geschrieben. „Die Bienen und das Unsichtbare“ ist ein Sprachführer und das erste Sachbuch des vielseitig begabten Erzählers, Lyrikers, Theaterautors und Übersetzers, der 2011 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet und jüngst mit dem „Jakob Wassermann-Literaturpreis“ (ja, Würzburg liest ein Buch) der Stadt Fürth geehrt wurde. Dennoch nimmt er uns mit auf eine Reise zu neuen Kontinenten der Sprache. Seine Erkundungen als auch seine Begeisterung teilt er uns ungefiltert mit, der Leser wird sein Begleiter und erfährt somit selbst die Freude, wenn es mal Klick macht und man die Idee hinter der Bedeutung eines Wortes erkennt. Gepaart mit Setz‘ anekdotenreichem Erzählstil werden uns Lesern selbst solch tragische Sprachgeschichten wie die der „Bliss-Symbole“ nahegebracht. Diese piktografischen Zeichen, die Ihr Erfinder Charles Bliss angeregt durch die chinesische Schrift in den 1940er Jahren entwickelt hat, setzte sich (Überraschung!) nicht durch. Anwendung findet sie nur auf einem Gebiet: Menschen mit starken körperlichen oder kognitiven Einschränkungen, die nicht durch die übliche Lautsprache kommunizieren können, treten durch Deuten auf die Symbole in Kontakt mit ihrer Umwelt. Gegen diese „Sprecher“, die die Bliss-Symbole stetig weiterentwickelt und ihren Bedürfnissen angepasst haben, hat Bliss zeit seines Lebens angekämpft, nahmen sie ihm doch „seine“ Erfindung weg. Setz hat ein lehrreiches Buch geschrieben, ein Buch, das den Leser fordert, ihn zum Mitmachen einlädt und im besten Fall eine neue Welt entdecken lässt. Zum Üben: Kisi tikol dö buk et? (Volapük) - Mi tre ŝatis ĝin. (Esperanto)

Die Bienen und das Unsichtbare. Von Clemens J. Setz

 

Erstellt: 30.11.2020 - 19:13  |  Geändert: 10.12.2020 - 17:35