John Corey Whaley: Hochgradig unlogisches Verhalten. Rezension von Britta Kiersch

Rezension
John Corey Whaley: Hochgradig unlogisches Verhalten     Hanser     978-3-446-25705-4     16,00€

Wegen immer häufiger auftretender Panikattacken hat Solomon Reed vor 3 Jahren beschlossen, von nun an das Haus nicht mehr zu verlassen. Bei seinem letzten Tag in der Schule, ging es ihm so schlecht, dass er auf dem Schulgelände, sehr zur Belustigung der anderen Schüler, in einen Brunnen gestiegen war – Wasser übt eine beruhigende Wirkung auf ihn aus.

Es ist auch das, was er am meisten vermisst: Das Schwimmen.

Dann tritt Lisa Praytor (erneut) in sein Leben. Sie waren Klassenkameraden und Lisa nimmt Kontakt zu ihm auf, besucht ihn und obwohl Solomon zu Beginn skeptisch ist, bedeutet ihm die Freundschaft, die zwischen ihnen entsteht, immer mehr. Bald fühlt er sich sogar so wohl, dass er den Wunsch äußert, schwimmen zu wollen und seine wohlhabende Großmutter gibt sofort Bauarbeiten für einen Pool im Garten in Auftrag. Solomons Eltern schöpfen Hoffnung, dass ihr Sohn vielleicht doch irgendwann wagt, den schützenden Bereich des Hauses zu verlassen.

Lisa verschweigt allerdings etwas: Sie hat den Kontakt zu Solomon eigentlich nur aufgenommen, weil Sie für ein Uni-Stipendium einen Aufsatz einreichen muss und da sie Psychologie studieren möchte, soll sie über eine persönliche Erfahrung mit einer psychischen Erkrankung schreiben. Da fiel ihr Solomon ein. Inzwischen ist aber auch für Lisa diese Freundschaft sehr wichtig und bereichernd, obwohl sie immer noch hofft, ihr psychologisches Geschick unter Beweis stellen und Solomon heilen zu können. Auch Lisas Freund Clark hat Solomon mittlerweile kennengelernt und besucht ihn oft, irgendwann auch ohne Lisa, außerdem beschwört er sie, Sol endlich die Wahrheit über den Aufsatz zu sagen. Dann outet sich Solomon gegenüber Lisa als homosexuell und Lisa beginnt zu glauben, dass vielleicht auch Clark schwul sein könnte, weil er immer so zurückhaltend auf ihre sexuellen Annäherungsversuche reagiert.

Dieser Roman mit dem wirklich treffenden Titel

(zum Glück in der deutschen Ausgabe mit dem Original identisch) ist keine coming out Geschichte sondern ein großartiger Roman über Freundschaft und den Alltag eines psychisch kranken Teenagers. Es kreist um verschiedene ganz essentielle Fragen, z. B. wie viel Offenheit verträgt, bzw. verlangt eine Freundschaft? Ist eine Freundschaft möglich, wenn einer in den anderen verliebt ist? Kann man eine weitgehend eingeschlafene Freundschaft reaktivieren? Ist Heilung möglich?

Mir gefällt der Stil des jungen amerikanischen Autors, der sich von dem momentan verbreiteten und häufig austauschbaren creative-writing-Stil seiner Landsleute abhebt und weil er es (wie schon in „Das zweite Leben des Travis Coates“) wagt, unpopuläre Lebenssituationen zu entwerfen. Ein Junge der unter Panikattacken leidet, ist nicht gerade prädestiniert zum Romanhelden zu avancieren. Interessant ist das Gerüst des Romans, der in zwei Teilen (Frühling und Sommer) und insgesamt 30 Kapiteln immer wechselnd aus Solomons und Lisas Sicht erzählt wird. Dadurch sind einem beide sehr nahe – und doch werden sie erst durch Clark richtig dreidimensional. Wieder hat John Corey Whaley ein Buch geschrieben, dass anregt, stutzig macht, manchmal ärgert, unterhaltsam und auch lustig ist - und im Gedächtnis bleiben wird, weil es so erfrischend individuell ist.

 

Hochgradig unlogisches Verhalten. Roman von John Corey Whaley

 

Erstellt: 24.07.2017 - 16:01  |  Geändert: 24.07.2017 - 16:03

Themen: