Sarah N. Harvey: Drei kleine Wörter. Buchempfehlung von Britta Kiersch

Drei kleine Wörter. Von Sarah N. HarveyBuchempfehlung
Sarah N. Harvey: Drei kleine Wörter    dtv    ISBN 978-3-423-65014-4    13,95 €

Den Jugendlichen unseres Leseclubs ist die Autorin bestens bekannt, denn wir haben uns intensiv mit ihrem vorherigen Buch „Arthur oder Wir ich lernte, den T-Bird zu fahren“ beschäftigt, dass uns absolut begeistert hatte. Wir haben es bei der Präsentation hier im Buchladen einem großen Publikum szenisch vorgestellt und auch einen kleinen Film gedreht, den man auf unserer Internetseite findet.

„Drei kleine Wörter“ hat ebenfalls einen jugendlichen männlichen Helden. Der 16-jährige Siddharta, Sid genannt, wächst bei liebevollen Pflegeeltern auf, er liebt die Insel auf der sie leben und mit seiner besten Freundin Chloe versteht er sich prächtig. Sein Leben verläuft in ruhigen Bahnen und könnte einfach immer so weiter gehen – was es natürlich nicht tut!

Sids Familie bekommt Besuch von Phil, der mit Devi und ihrem Sohn Gawain zusammenlebt. Devi ist Sids leibliche Mutter, an die er keinerlei Erinnerung hat, denn er war erst 2 Jahre alt, als sie ich zu der Pflegefamilie brachte. Von Phil erfährt Sid zum ersten Mal Genaueres von Devi, ihrer Krankheitsgeschichte und ihrem Leben, von seinem Halbbruder und seiner Großmutter. Bisher hatte Devi ihn überhaupt nicht interessiert, aber als Phil ihn über die aktuelle Situation aufklärt, ist Sid bereit, ihn nach Victoria zu begleiten. Denn Devi ist manisch-depressiv und hat ihre Medikamente abgesetzt. Den darauf folgenden Krankheitsschub hat sie nicht gut verkraftet und ist verschwunden, der 13 Jahre alte Gawain ist weggelaufen und Phil und Sids Großmutter sind völlig verzweifelt.

In Victoria lernt Sid seine Großmutter kennen und unternimmt erste Schritte bei der Suche nach seinem Bruder, den er auch tatsächlich nach einiger Zeit aufspüren kann. Gemeinsam mit der Großmutter reisen die Brüder zu Sids Pflegefamilie und der aufmüpfige und unglückliche Gawain erlebt eine gewisse Erdung. Aber natürlich ist die Situation für alle schwierig. Als dann auch Devi wieder auftaucht – völlig entkräftet ist sie in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen worden – wagt Sid die Annäherung an seine leibliche Mutter und die ganze neue Familie. Auch dieses Buch der Kanadierin ist großartig. Ihr Roman berichtet von einem freundlichen, zurückhaltenden Jungen und ist stimmig von Ulli und Herbert Günther in ein unaufgeregtes Deutsch übersetzt worden, dass dem Protagonisten und seinem ganzen Auftreten perfekt entspricht.

Sid wurde zwar als Kleinkind von seiner leiblichen Mutter weggegeben, aber das Schicksal hat ihm zwei liebevolle, verantwortungsbewusste und kluge Erwachsene zur Seite gestellt, die ihm eine unbeschwerte und füllige Kindheit ermöglicht haben. Gawain hingegen lebt zwar bei Devi, ist aber ständig mit ihrer Krankheit konfrontiert. Da drängt sich unweigerlich die Frage auf, wer von beiden es „besser erwischt“ hat. Überhaupt spielen die Themen Familienbande und Verantwortung die zentralen Rollen im Buch. Das erleben wir auch bei der kleinen Fariza mit, die Sids Eltern aufgenommen haben. Sie spricht nicht, weil sie eine schreckliche Gewalttat in ihrer Familie miterleben musste und nun auf der Insel ein neues Zuhause bekommen hat. Sid kümmert sich um das Mädchen und gewinnt ihr Vertrauen, bis sie dann doch anfängt zu sprechen – mit drei kleinen Wörtern geht es los.

Der Roman berichtet sehr authentisch und nachvollziehbar von einem Jugendlichen, der sich über seine Rolle im Familienverband und seiner Gefühle klar werden muss und will. Er geht dabei bedächtig zu Werke und die Autorin zeichnet einen Charakter, der uns gerade in seiner Unsicherheit und seinen Zweifeln näher kommt und vor dem ich Achtung empfunden habe. Ein überaus empfehlenswertes Buch mit einem in meinen Augen leider nicht so gelungen Cover. Das wirkt viel zu gestellt und einfach verkehrt. Wer spitzt schon seine Stifte auf die Zeichnung und legt sie darauf ab?!

Von Britta Kiersch

Sarah N. Harvey: Drei kleine Wörter

 

Erstellt: 30.04.2015 - 17:35  |  Geändert: 02.12.2020 - 18:02

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