11.09.1973, 00:00 Uhr

Der Putsch und seine Folgen – Chronik zum 11.09.1973 – Artikel und Links

Der Putsch und seine Folgen

Zitate

"Chile beginnt seinen Marsch in den Sozialismus, ohne die tragischen Erfahrungen eines Bruderkrieges gemacht zu haben. [...] Der Sieg gehört dem geprüften Volk, das eineinhalb Jahrhunderte lang unter dem Deckmantel so genannter Unabhängigkeit die Ausbeutung der herrschenden Klasse ertrug, die unfähig ist, den Fortschritt zu sichern, und die auch gar kein Interesse daran hat. Die Wahrheit ist, dass Rückständigkeit, Unwissenheit und Hunger unseres Volkes und aller Völker der Dritten Welt einigen wenigen Privilegierten Gewinne bringen. Aber jetzt endlich ist der Tag gekommen, um Schluss zu sagen, Schluss mit der wirtschaftlichen Ausbeutung! Schluss mit der sozialen Ungleichheit! Schluss mit der politischen Unterdrückung!" 
Der chilenische Präsident Salvador Allende Gossens am 05.11.1970, dem Tag seines Amtsantritts

"Wir brauchen Entwicklungsmodelle, die realistischer, menschlicher, rentabler und sinnvoller als die jetzigen sind. Das ist die große Aufgabe unserer Zeit." 
Der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz, Anfang der siebziger Jahre in seinem Essay "Das Labyrinth der Einsamkeit"

"Landsleute! Es ist sicherlich das letzte Mal, dass ich mich an Sie wende. Die Luftstreitkräfte haben die Sendeanlagen von Radio Portales und Radio Corporación bombardiert [...] Meine Worte sind nicht von Bitternis geprägt, sondern von Enttäuschung, sie sind auch eine moralische Züchtigung derjenigen, die den Eid, den sie geleistet haben, gebrochen haben: Soldaten Chiles, amtierender Oberbefehlshaber. [...] Ich werde nicht zurücktreten. In eine historische Situation gestellt, werde ich meine Loyalität gegenüber dem Volk mit dem Leben bezahlen. [...] Sie haben die Gewalt, sie können zur Sklaverei zurückkehren, aber man kann weder durch Verbrechen noch durch Gewalt die gesellschaftlichen Prozesse aufhalten. Die Geschichte lehrt uns, es sind die Völker, die sie machen. [...] Das Auslandskapital, der mit der Reaktion verbündete Imperialismus haben ein solches Klima geschaffen, dass die Streitkräfte mit ihren Traditionen brechen... Die Geschichte wird über sie richten. [...] Es werden andere Chilenen kommen. In diesen düsteren und bitteren Augenblicken, in denen sich der Verrat durchsetzt, sollen sie wissen, dass sich früher oder später, sehr bald, erneut die großen Straßen auftun werden, auf denen der würdige Mensch dem Aufbau einer besseren Gesellschaft entgegengeht. Es lebe Chile! Es lebe das Volk! Es leben die Werkstätigen! Das sind meine letzten Worte, und ich habe die Gewissheit, dass diese Opfer zumindest eine moralische Lektion sein wird, die den Treuebruch, die Feigheit und den Verrat verurteilen."

Letzte Worte von Präsident Salvador Allende Gossens in Santiago de Chile am 11. September 1973 (siehe auch "Die letzte Rede von Präsident Allende" als WAV-Audio-Datei sowie die Buchbesprechung von "Der andere 11. September. Der Mord an Allende und Tausenden Chilenen vor 30 Jahren.")

"Man sagt, dass Demokratie hin und wieder in Blut gebadet werden muss, damit sie weiterhin eine Demokratie sein kann." 
Militärdiktator Augusto Pinochet Ugarte

Bilder

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Der chilenische General Augusto Pinochet (links) und der chilenische Präsident Salvador Allende auf der Feier zur Ernennung Pinochets zum Oberbefehlshaber der Armee am 23. August 1973. 
18 Tage später putschte Pinochet gegen Allende, der dabei starb. 
(AP Photo/Enrique Aracena/FILE)

 

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Die vier Mitglieder der Militärjunta, die durch den blutigen Putsch vom 11. September 1973 in Chile die Macht an sich rissen, während der Feierlichkeiten zum Nationalen Unabhängigkeitstag am 18. September 1973. Von links nach rechts: General Gustavo Leigh (Oberbefehlshaber der Luftwaffe), General Augusto Pinochet (Armeechef und Anführer des Putsches), Admiral José Toribio Merino (Oberbefehlshaber der Marine), General Cesar Mendoza (Oberbefehlshaber der Polizei). (AP Photo/FILE)

 

Die US-Regierung fördert den Putsch...

"That son of a bitch, that bastard..."
Richard Nixon, US-Präsident, im Oktober 1970

"I don't see why we need to stand by and watch a country go communist because of the irresponsibility of its own people." 
Henry Kissinger, Chefberater des US-Präsidenten, am 27. Juni 1970

"Das chilenische Militär rettete Chile vor einem totalitären Regime und die Vereinigten Staaten vor einem Feind." 
Henry Kissinger, früherer US-Sicherheitsberater und Außenminister unter Präsident Richard Nixon, am 09. September 2003 (AFP-Meldung)

"Not a nut or bolt shall reach Chile under Allende. Once Allende comes to power we shall do all within our power to condemn Chile and all Chileans to utmost deprivation and poverty." 
Edward Korry, US-Botschafter in Chile, nach den ersten Berichten über Allendes Wahlsieg 1970

"...Informar a esos oficiales golpistas que el gobierno de EE.UU. les dará su respaldo total en el golpe..." 
Cable 762 des CIA-Büros in Santiago de Chile am 14.10.1970 (Quelle: Indymedia, 11.09.2002)

l in 10 chance perhaps, but save Chile!; worth spending; not concerned; no involvement of embassy; $10,000,00 available, more if necessary; full-time job -- best men we have; game plan; make the economy scream; 48 hours for plan of action. 
Handschriftliche Notiz des CIA-Chefs von einem Gespräch mit US-Präsident Nixon am 15. September 1970, aus dem das Projekt FUBELT entstand

... Regierung und Kapital in der Bundesrepublik Deutschland freuen sich ...

Heinrich Gewandt, CDU-Bundestagsabgeordneter und Experte für Probleme der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, versichert nach dem Putsch der chilenischen Militärjunta, dass Chile für das BRD-Kapital nun wieder kreditwürdig werde. (Foto)

"Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang." 
Franz Josef Strauss, CSU-Politiker und späterer Kanzlerkandidat, im Bayernkurier am 22.09.1973

"Die Ereignisse in Chile haben bewiesen, dass Marxismus und freiheitlich-demokratische Grundsätze unvereinbar sind." 
Karl Carstens, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, am 12.09.1973

"Soweit wir Einblick bekommen haben, bemüht sich die Militärregierung in optimalem Umfang um die Gefangenen. Die Verhafteten, die wir sprachen, haben sich nicht beklagt." Über die Lage der im Stadion von Santiago de Chile gefangenen und gefolterten Chilenen: "Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Wetter recht angenehm." 
(Süddt. Zeitung, 18.10.1973) Bruno Heck, Generalsekretär der CDU, nach seiner Rückkehr aus Chile am 18.10.1973

"Sie wissen, wir gewähren an viele Länder dieser Welt Entwicklungshilfe, die keine Demokratien sind." 
Hans-Jürgen Wischnewski, Bundesgeschäftsführer der SPD, am 01.10.1973

"Jetzt geht es wieder aufwärts." DIE WELT am 29.09.1973

"Wer sich einigermaßen in der chilenischen Geschichte auskennt, kann sogar für das Vorgehen der Streitkräfte ein gewisses Maß an Verständnis aufbringen..."
Deutschlandfunk am 13.09.1973

"Jetzt hat die Armee nicht mehr länger stillgehalten. Drei Jahre Marxismus sind ihr genug." Bild-Zeitung am 12.09.1973

"Im Augenblick der höchsten Gefahr konnten sich die Streitkräfte ihrer Verantwortung nicht mehr länger entziehen. Sie können nur obsiegen, wenn sie sofort und mit aller Schärfe reinen Tisch machen." Die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 12.09.1973

"Chile – jetzt investieren." Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 29.09.1973

"Putsch in Chile ist für Banken positiv – In Südamerika kann wieder investiert werden." Gerhard Liedtke, Dresdner Bank AG, am 08.10.1973

"[...] Der so lang erwartete Eingriff der Militärs hat endlich stattgefunden [...] Säuberungsaktion ist immer noch im Gange [...] Wir sind der Ansicht, dass das Vorgehen der Militärs und der Polizei nicht intelligenter geplant und koordiniert werden konnte, und dass es sich um eine Aktion handelte, die bis ins letzte Detail vorbereitet war und glänzend ausgeführt wurde [...] Chile wird in Zukunft ein für Hoechster Produkte zunehmend interessanter Markt sein [...] Die Regierung Allende hat das Ende gefunden, das sie verdient [...]" 
Siebenseitiger Brief der chilenischen Tochtergesellschaft an die Farbwerke Hoechst AG (Quelle: M. Mann, April 2003)

"Wir sind der Ansicht, dass das Vorgehen der Polizei und des Militärs nicht intelligenter geplant und koordiniert werden konnte und dass es sich um eine Aktion handelte, die bis ins letzte Detail vorbereitet war und glänzend ausgeführt wurde ... Die Regierung Allende hat das Ende gefunden, das sie verdiente ... Chile wird in Zukunft ein für Hoechster Produkte zunehmend interessanter Markt sein." Farbwerke Hoechst am 06.12.1973

... noch heute

Das Heer ist, wenn man so sagen darf, bis auf den heutigen Tag seiner preußischen Schule treu geblieben". DIE WELT am 13.09.2003

"War der Sturz Allendes für seine Anhänger ein Schock, so lernten die Chilenen am Beispiel der DDR, dass der Allende-Sozialismus ein Irrtum gewesen war." Frankfurter Allgemeine Zeitung am 10.09.2003

s.a. Artikel in DIE WELT am 11.09.2003

Artikel und Links

Erstellt: 21.09.2014 - 17:54  |  Geändert: 09.03.2025 - 12:51