Dinge, die so nicht bleiben können. Von Michael Gerard Bauer. Rezension von Britta Kiersch

REZENSION  
Dinge, die so nicht bleiben können. Von Michael Gerard Bauer   Hanser Verlag   ISBN 978-3-466-26801-2

Mit seinem Buch „Nennt mich nicht Ismael“ und den beiden Folgebänden ist der australische Autor auch hierzulande bekannt geworden und weil seine herrlichen Dialoge wunderbar vorzulesen sind, ist er nach wie vor „Stammgast“ beim Vorlesewettbewerb. Sein neues Buch richtet sich an eine etwas ältere Zielgruppe, denn die Hauptfiguren sind bereits in ihrem letzten Highschool-Jahr und treffen sich beim Tag der Offenen Tür auf dem Campus. Es gibt eine Vergleichbarkeit zwischen den beiden Büchern, denn auch in seinem neuen Roman beschreibt Michael Gerard Bauer seinen männlichen Ich-Erzähler als zurückhaltend, korrekt und darauf bedacht, um keinen Preis aufzufallen oder unerlaubte Dinge zu tun. Auch hier muss er allerdings im Laufe der Geschichte aus den gewohnten Bahnen ausbrechen und über seinen Schatten springen, allerdings hat er im neuen Roman dafür nur diesen einen Tag Zeit.

Sebastian, der mit seinem Freund Tolly die Uni erkundet, lernt Frida auf sehr originelle Weise kennen und ist ziemlich schnell von ihr beeindruckt, denn Frida ist schlagfertig, fantasievoll, schwindelt ohne mit der Wimper zu zucken und steckt voller Überraschungen. Sie verbringen den Tag zusammen und Sebastian stellt fest, dass Frida sich öfter widerspricht und bald weiß er nicht mehr, was er von ihr halten soll bzw. wer sie eigentlich wirklich ist. Sie verhält sich auf eine Art und Weise, die mich als Außenstehende schnell vermuten ließ, dass sie etwas verbirgt, dass sie womöglich eine harte Lebensgeschichte hat, über die sie nicht reden kann oder will. Sebastian wiederrum kommt zwar aus gesicherten Verhältnissen, doch gibt es in seiner Familie auch eine tragische Geschichte, über er ebenfalls nicht gern spricht. Beide haben Krasses erlebt und beide haben es noch lange nicht verarbeitet.

Interessant ist, welch unterschiedliche Verhaltensweisen bzw. Konsequenzen das bei den beiden hervorgerufen hat. Sebastian macht den Schritt auf Frida zu und gewährt ihr Einblick, weil sie es schafft, sein Vertrauen zu gewinnen. Er will, dass sie ihn richtig kennenlernt, weiß, wer er wirklich ist, wie und warum er zu dem wurde. Frida will das vorerst umgekehrt nicht gelingen bzw. hat sie allergrößte Schwierigkeiten, sich zu öffnen.

Tolly ist mein Lieblingsmensch in dem Buch. Er ist der Freund, den sich jeder wünscht, der getreu ihrem gemeinsamen Motto versucht, die Dinge zu ändern, die seiner Ansicht nach so nicht bleiben können und wenn das bedeutet, dass er in einem Hörsaal voller junger Menschen ans Mikro geht und einen der Anwesenden auffordert „Seien Sie nicht ein Leben lang ein Arschloch …“, nachdem er erfahren hat, dass dieser junge Mann sich wie eines der übelsten Sorte verhalten hat. Tolly ist der Freund, auf den man sich bedingungslos verlassen kann und der einem den Spiegel vorhält – ein wahrer Freund eben.

Man soll ja nicht sagen wie ein Buch endet, aber in diesem Fall darf ich verraten, dass es ein zwar offenes Ende hat, aber die Weichen so gestellt sind, dass man getrost in die Zukunft von Sebastian und vor allem Frida schauen kann.

Die Lektüre ist ein Genuss: Der Spannungsbogen bleibt bis zum Schluss straff gespannt, nicht nur die Dialoge sind perfekt, auch Sebastians innere Monologe sind ausgezeichnet und die Charaktere werden plastisch. Das Einzige, was mich ein bisschen stört – ohne zu viel zu verraten – ist Folgendes: Müssen es wirklich immer die ganz großen Tragödien sein, an denen Menschen fast zerbrechen?!

→ Dinge, die so nicht bleiben können. Von Michael Gerard Bauer

 

Erstellt: 13.05.2021 - 07:26  |  Geändert: 14.08.2021 - 09:13

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