Peter-Michael Diestel nimmt Rückblick, aber keine Rücksicht.
Die Geschichten, die seit fast dreißig Jahren über die Herstellung der deutschen Einheit verbreitet werden, sind falsch. Sagt er. - Diestel muss es wissen: Er war dabei. Als Stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister in der Übergaberegierung. Sie wussten in Bonn über jeden einzelnen von uns Bescheid, ehe wir vereidigt wurden, sie hatten die Akten. Jeder war erpressbar. Nur er nicht. Schreibt er. Binnen vier Wochen kam darum der 1. Staatsvertrag zustande, die Übernahme der DDR erfolgte schon am 1. Juli 1990. Doch es sollte schön demokratisch aussehen. Außerdem wurde noch ein Ostdeutscher für die Unterschrift unter dem 2+4-Vertrag gebraucht. Also musste sich die DDR-Regierung bis zum 2. Oktober "durchwurschteln", schreibt Diestel. Obgleich für vier Jahre gewählt, war die Legislatur für Parlament und Regierung schon nach vier Monaten zu Ende.
Zeitgeschichte (Thema)
Wo, wann und wie setzte sich das "abendländische" Paradigma der Rationalität durch? Die "Institutionalisierung der Vernunft" begibt sich aus marxistischer Perspektive auf die Suche nach Antworten. Dabei ist nicht die "Vernunft" schlechthin Gegenstand, sondern eine spezielle Ausprägung, die sich gegen andere Varianten von Rationalität etablieren musste. Das Mittel dazu war die genuin europäische Universität wie sie sich im 12. und 13. Jh. herausbildete. Genese von abendländischer Rationalität und Universität durchdringen einander dialektisch.
Was vom Osten übrig blieb: Ein Bildband über das Verschwinden und Wiederfinden der DDR.
Dreißig Jahre nach der Wende ist Andreas Metz im Osten Deutschlands auf Motivsuche gegangen: Was ist noch zu finden aus den vierzig Jahren Lebens- und Alltagskultur der untergegangenen DDR? Was an DDR-Architektur wurde erhalten, was stillschweigend oder absichtsvoll dem endgültigen Verfall preisgegeben? Wo gab es Denkmalstürmerei, wo gibt es Denkmalpflege? Was fand selbstverständlichen Eingang in die gelebte Gegenwart? Sensibilität und Entdeckerlust prägen seinen fotografischen Blick. Der umfangreiche Bildband "Ost-Places" ist eine Spurensuche durch die ehemalige DDR, vom Haus des Lehrers am Berliner Alexanderplatz, über den "Teepott" in Warnemünde und die Plattenbauten in Halle-Neustadt bis zum Karl-Marx-Kopf in Chemnitz. Dabei erzählen die Bilder auch von einem Wettrennen gegen die Uhr: Motive verschwinden, weil Gebäude abgerissen, eine Inschrift oder ganze Wandgemälde übermalt wurden.
Sie nannten ihn das "achte Fußball-Weltwunder" - und meinten damit Gerd Müller, der als Torjäger noch heute alle Rekorde hält. Wer war dieser Mann, der vom Provinzkicker aus ärmlichsten Verhältnissen zum Weltstar aufstieg, reich wurde und dann nach einem Ausflug in das Fußballentwicklungsland Amerika alkoholsüchtig in der Gosse landete?
Der Historiker Hans Woller schildert die Etappen dieser ungewöhnlichen Karriere - aus kritischer Distanz und zugleich voller Empathie.
Woran erkennt man auf dem Bild einer Straße, um welche Stadt es sich handelt, auch wenn kein bekanntes Wahrzeichen zu sehen ist?
An den kleinen, aber charakteristischen Objekten des Stadtraums: den Brunnen (Berliner Pumpen, Züricher Gusseisenbrunnen, Pariser Wallace Brunnen), den Baumscheiben, Pollern, Stadtmöbeln, aber auch am Belag, Trottoir oder den Kanaldeckeln.
Lampugnani hat über viele Jahre die Geschichte dieser Objekte erforscht, hat 22 repräsentative herausgesucht und erzählt uns ihren Werdegang:
Die Ökologie ist das Signum unseres Zeitalters. Joachim Radkaus grandioses Buch lässt die neue Ära zum ersten Mal in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit und globalen Bedeutung erfahrbar werden. Das Buch berichtet über ausschlaggebende Ereignisse und Erfahrungen wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl genauso wie über den Mythos des deutschen "Waldsterbens" und beleuchtet die Zusammenhänge mit anderen historischen Strömungen. Es erzählt sowohl von spiritueller Suche und herausragenden Momenten als auch von Institutionalisierung und Bürokratisierung. Es porträtiert zentrale Initiativen wie Friends of the Earth oder Greenpeace und charismatische Vorkämpferinnen wie Rachel Carson, Petra Kelly und die Chinesin Dai Qing.
Mike Davis legt in seiner einzigartigen politischen Ökologie des Hungers die Hintergründe zwischen Weltklima und Weltökonomie im imperialistischen Zeitalter frei, die zur Geburt der Dritten Welt führten und bis heute nachwirken.
Gewaltmigration lässt sich im globalen Kontext als Signatur von Zeitgeschichte und Gegenwart beschreiben. Fluchtbewegungen, Vertreibungen und Deportationen sind zwar kein Spezifikum der Neuzeit, ebenso wenig wie Krieg, Staatszerfall und Bürgerkrieg als wesentliche Hintergründe. Allerdings stechen die Jahrzehnte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs allein wegen der Vielzahl und des Umfangs der Gewaltmigrationen sowie der weitreichenden gesellschaftlichen Folgen hervor. Jochen Oltmer fragt nach wesentlichen Mustern des globalen Gewaltmigrationsgeschehens und untersucht zentrale Prozesse der Initiierung und Durchsetzung von räumlichen Bevölkerungsbewegungen durch Gewalt.
Kein Redakteur im heutigen Deutschland würde es wagen, diese Frau in eine Talkshow einzuladen. Diese Frau war Opposition per se: Frauenrechtlerin, revolutionäre Sozialistin, Initiatorin des Internationalen Frauentags, Kriegsgegnerin, Kommunistin in der Tradition Rosa Luxemburgs, 1932 von den Nazis attackierte Alterspräsidentin des Deutschen Reichstags.
Clara Zetkin (1857 bis 1933), vor 1914 die "grande dame" der deutschen Sozialdemokratie, nach 1918 umstrittene und streitbare Persönlichkeit des deutschen Kommunismus, ist immer noch unbequem. Denn es lohnt sich, ihre Thesen zur Frauenerwerbstätigkeit, zur Schulbildung, zu Krieg und Frieden oder zum Faschismus neu zu entdecken.