Lässt sich der koloniale Genozid in Amazonien messen? Forscherstreit über Pollen in Seen und die CO 2 -Konzentration der Atmosphäre als Maß der vorkolonialen Bevölkerung im Regenwald. Von Norbert Suchanek, Rio de Janeiro Neues Deutschland 09.07.2021
Kolonialismus (Thema)
Sinnlichkeit, Magie und Melancholie. Als der Lissaboner Müßiggänger Luis Bernardo Tavares im Dezember 1905 von seinem König ein ungewöhnliches Angebot erhält, gibt eine Liebesaffäre den Ausschlag für die Entscheidung: Luis geht als Gouverneur in die am Äquator gelegenen portugiesischen Kolonien Sao Tome und Príncipe. Dort soll er den Vorwurf der Engländer entkräften, Portugal dulde auf den Kakaoplantagen Sklavenarbeit. Auf den Inseln empfangen Luis die feuchte Hitze der Tropen, eine faszinierend fremde Wildnis und die Feindschaft der Plantagenbesitzer.
Im globalen Süden finden derzeit welthistorische soziale Umwälzungen statt. Staaten wie China oder Indien steigen zu wichtigen Zentren des Weltmarkts auf, und globale Machtverhältnisse werden neu geordnet. Zugleich ist es innerhalb dieser Länder zu militanten Arbeitskonflikten und Streikwellen gekommen. Was können marxistische Theorien und Kategorien dazu beitragen, um diese Entwicklungen zu verstehen? Welche Probleme entstehen durch ihre Anwendung auf den globalen Süden? Und wie werden sie dort von politischen und akademischen Akteuren diskutiert?
Die Geschichte von Samirs 'globalisierter' Familie ist eine Parabel kolonialer Verhältnisse des letzten Jahrhunderts - bis heute. Irak in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren: Frauen in schicken Kleidern studieren an der Universität und werden von zuvorkommenden Männern in eleganten Anzügen begleitet.
Als 1916 die Staatsgrenzen Syriens und seiner Nachbarstaaten gezogen wurden, war die Region schon ein Spielball der Großmächte. Hundert Jahre später liegt das Land in Trümmern. Zeitzeugen berichten über Leben, Hoffnungen und Scheitern in Syrien.
Die Studie untersucht Diskurse zum Kolonialismus und seiner Kritik in Literatur und Geschichte der beiden Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und löst damit ein doppeltes Desiderat ein:
"Die Menschheit", so Kant in seiner Vorlesung über Physische Geographie, "ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Race der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind weit tiefer, und am tiefsten steht ein Theil der amerikanischen Völkerschaften."
Von Konquistadoren und Freiheitskämpfern. - Früher ging es ihnen um Silber, Sklaven und Gewürze; heute sichern sie sich Erze, Land und Märkte. Die alten Imperien sind zusammengebrochen, doch die Kriegskapitalisten sind geblieben.
Die Politik der Kolonialmächte bedeutete für Tausende Internierte der Lager in Südafrika und Deutsch-Südwestafrika den Tod, die Überlebenden wurden durch die Erfahrung von Deportation, Mangel, Krankheiten, Gewalt und Tod traumatisiert.
Ein halbes Jahrhundert Verbrechen und Straffreiheit der USA: Die ökonomische Macht der multinationalen Unternehmen, die den politisch-militärischen Apparat des größten imperialistischen Staates regieren, bildet die logische Voraussetzung für die langjährige Einmischung und für die wiederholten bewaffneten Interventionen in dem von den USA als "Hinterhof" bezeichneten Kontinent.